Stephan Schaaf: " Wir sind beide verwitwet und haben uns vor 7 Jahren kennen gelernt.- und ich wohne in Köln und meine Lebensgefährtin wohnt in Monheim am Rhein. "
Stephan Schaaf und Susi Rudolph, beide Rentner, sind bewusst nicht zusammengezogen. Sie gestalten ihre Beziehung anders, als die Tradition es vorsieht:
" So dass wir die Woche über jeder für sich sind. Zum Wochenende unternehmen wir etwas, z.B. waren wir heute Freitag gemeinsam in der Sauna, und sind dann das Wochenende zusammen, wir reisen sehr viel, was uns beiden sehr gefällt, wir spielen gemeinsam Tennis. Er schlägt mich dauernd beim Schach. Eigentlich alles phantastisch. "
Das Paar aus dem Rheinland ist kein Einzelfall. Jeder kennt in seinem Bekanntenkreis weitere Beispiele von festen Beziehungen, in denen die Partner nicht zusammenwohnen. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe: Das Studium oder der Job führt in eine andere Stadt, die allein erziehende Mutter hat einen neuen Freund, der allein wohnt, oder ältere Menschen, die ihre gewachsene Eigenständigkeit nicht aufgeben wollen. Das Phänomen ist bekannt, nur die Wissenschaftler haben sich damit noch nicht auseinandergesetzt. Jens Asendorpf, Psychologe an der Berliner Humboldt Universität ist dabei das zu ändern. Als erstes hat er das reiche Datenmaterial auf diese Frage hin analysiert, das die repräsentative Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung seit anderthalb Jahrzehnten zusammengetragen hat.
" Und seit 1992 gibt es dort Daten darüber, dass Partner eine Partnerschaft haben, aber in getrennten Haushalten. Und das ist deswegen wichtig, weil in praktisch allen großen Umfragestudien bisher Partnerschaften nur klassifiziert wurden in: entweder zusammenlebend und nicht verheiratet, oder zusammenlebend und verheiratet, oder eben Single, also ohne Partner.
Aber hinter dieser Single-Kategorie verbirgt sich sehr oft, wie wir jetzt festgestellt haben in Analysen dieser repräsentativen Studie in Deutschland eine sogenannte LAT-Partnerschaft, - living apart together - der terminus technicus beschreibt Partnerschaften die in getrennten Haushalten geführt werden. "
Allenthalben hört und liest man von der Vereinzelung, ja sogar der Vereinsamung in der bundesdeutschen Gesellschaft, weil doch die Anzahl der Single-Haushalte in den vergangenen Jahrzehnten so rasant zugenommen hat. Nun stellt sich heraus, dass wir einem gewaltigen Missverständnis aufsitzen: Die Hälfte der vermeintlichen Singles sind nämlich gar keine, weil sie einen festen Partner haben, allerdings außerhalb des eigenen Haushalts.
Ein holländischer Wissenschaftler, der übrigens selber in einer solchen Partnerschaft lebte, prägte den Namen dafür: living apart together, kurz LAT, also Zusammen leben, getrennt wohnen. Das klingt schon im Namen paradox. Handelt es sich um ein bloßes Provisorium, einen vorübergehenden Zustand, den die Partner überwinden wollen, oder aber um ein Beziehungskonzept, das auf Dauer angelegt ist? Jens Asendorpf:
" Wir dachten erst, das ist ein Übergangsphänomen zum Zusammenziehen - und das ist auch bei den jungen Leuten eher so, bis vierzig ist es sehr transitional, aber wenn man vergleicht den Prozentsatz der LAT-Partnerschaften 1992 und 2006 - das sind die neuesten Erhebungen, dann haben die zugenommen und zwar um 70 Prozent.
Und sie haben besonders bei den Älteren zugenommen und zwar ab 40. Derjenigen, die gar nicht mehr zusammenziehen wollen, sondern diese neue Form der Partnerschaft als einen eigenständigen - unsere englischen Kollegen würden sagen - Lifestyle (verstehen) -, sie wollen das so und finden das gut so. "
Der Befund überrascht. Während die jungen Leute zwischen 18 und 27 das traditionelle Beziehungsmodell favorisieren - sie wollen zusammenziehen, eine Familie gründen - gewinnt das LAT-Modell vor allem bei den Älteren immer mehr Anhänger. Früher begegnete man diesem Modell nur in der Boheme, bei Außenseitern. Es hatte antibürgerlichen Touch. Aber was Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir seinerzeit den aufständischen 68ern vorlebten, scheint heute eine akzeptable Option für die etablierte Mitte.
Die statistischen Daten verraten allerdings wenig über die Motive und Einstellungen der Menschen, die eine Partnerschaft in getrennten Wohnungen eingehen. Deshalb haben Jens Asendorpf und die Diplompsychologin Wiebke Neberich eine tiefer gehende Feldstudie vorbereitet, die in der nächsten Woche anläuft.
" Am 14. Januar startet die Hauptuntersuchung, und wir werden Einwohner in Berlin Charlottenburg ansprechen - postalisch, und sie um die Teilnahme an dieser Studie bitten, parallel dazu läuft eine große Befragung in Niedersachsen, in verschiedenen Landkreisen, und da werden ebenfalls Männer und Frauen, also Paare, die zusammenwohnen in einer Wohnung und Paare mit getrennten Wohnsitzen in der gleichen Stadt zwischen 18 und 67 Jahren eingeladen zur Teilnahme.
Und das sieht so aus, dass man online im Internet einen Fragebogen ausfüllt, das dauert ca. 45 Minuten, beide Partner müssen das unabhängig voneinander machen, und dann gibt es eine individuelle Rückmeldung von uns und 20 Euro pro Paar. "
Die Feldstudie hat bewusst zwei konträre Lebensräume ausgewählt: wie gestalten Menschen ihre Partnerschaft in der ländlichen Umgebung Niedersachsens, wie in der Berliner Urbanität. Denn die schon vorliegenden Daten zeigen, dass das LAT-Modell in der Großstadt weit häufiger praktiziert wird als auf dem Land.
Während die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sozioökonomisch ausgerichtet war, geht es nun um psychologische Tiefenschärfe: um die Persönlichkeit der Partner, ihr Maß an Bindung, ihre Einstellung zu Liebe und Sexualität. Wiebke Neberich:
" Sehr wichtig ist für uns natürlich die Lebenssituation des Paares: gibt es Kinder, wie ist der Familienstand, wie viele Beziehungen hatte man schon im Leben, wie lange ist man schon ein Paar, wie lange wohnt man gegebenenfalls schon zusammen? Dann natürlich Fragen über die Beziehungsqualität: wie zufrieden man mit der Beziehung und verschiedenen Aspekten in der Beziehung generell ist, wie häufig man sich sieht, ob man Aktivitäten allein, mit dritten Personen zusammen unternimmt, wie - generell - das soziale Umfeld, das soziale Netz strukturiert ist, und wie man seine Zeit dort aufteilt, - also es sind bunt gemischte Fragen, die wirklich das ganze Beziehungsleben abdecken. "
Schon seit einem Jahr läuft eine Vorstudie der beiden Psychologen im Internet. Unter www.psytests.de können auch weiterhin interessierte Paare an einer Online-Partnerschaftsstudie teilnehmen. Dabei führt jeder Partner einen Monat lang ein Online-Tagebuch, in dem er anonym sein Erleben der Beziehung schildert. Die Online-Studie differenziert vier Typen: zusammenwohnende Paare, LAT-Partnerschaften in ein und derselben Stadt, Pendler- und schließlich Fernbeziehungen.
Allerdings ist die Online-Studie nicht repräsentativ. Hier beteiligt sich überproportional eine jüngere Klientel, die Computer und Internet verstärkt nutzt. Deswegen äußert sich Wiebke Neberich zurückhaltend über die Motive in den Partnerschaftsmodellen.
" Was ich generell sagen möchte, ist dass die Gründe sehr verschieden sind in verschiedenen Altersklassen. Es gibt unheimlich viele Gründe, die zum Teil sehr individuell sind, abhängig von vielen Faktoren, Beruf oder Kinder - nur als zwei Beispiele - oder pflegebedürftige Personen, Haushalt - nur als Beispiele, und dass es pro Altersgruppe auch wieder andere Motive da gibt. "
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es bei dem Trend zum LAT-Modell nicht auch handfeste ökonomische Motive gibt. Zwar ist es teurer, zwei Wohnungen zu unterhalten, es kann aber im speziellen Fall auch finanziellen Vorteil bringen. Wenn nämlich einer der beiden Partner von Hartz Vier leben muss, so entbindet der getrennte Wohnsitz den anderen von der Verpflichtung, für seinen mittellosen Partner aufzukommen.
Handelt es sich vielleicht bei manchen LAT-Beziehungen um Haushalte, die nur auf dem Papier getrennt sind, während man in Wahrheit weiterhin zusammenwohnt? Jens Asendorpf:
" Man hört natürlich immer wieder, über die Finanzämter, es gibt regelrechte Schnüffler, die dort eingesetzt werden und versuchen rauszufinden, ob in der Wohnung wirklich einer wohnt oder nicht, die auch in die Schlafzimmer gehen, was ich gehört habe, - das sind aber Gerüchte, aus diesen Daten könnten wir das nicht ersehen, das sind freiwillige Befragungen, wer das wirklich vorm dem Finanz- oder Sozialamt verheimlichen will, der wird es in so einer Studie auch nicht sagen, also mit so einer Dunkelziffer muss man immer rechnen, allerdings wäre es dann so, dass es sprunghafte Veränderungen gegeben hätte bei den LAT-Beziehungen bei den Umstellungen auf Hartz 4 und die haben wir nicht gesehen, es ist einfach ein kontinuierlicher Anstieg. "
Neben den Datenbergen der Online-Studie soll vor allem die anlaufende Feldstudie nähere Auskunft über die Motive und Einstellungen geben. Interessant ist eine holländische Studie, die ältere Menschen gefragt hat, wie sie mit dem Modell Zusammen leben getrennt wohnen zurecht kommen.
" Es gab dort einen beträchtlichen Teil die gesagt haben, sie bleiben in dieser LAT Beziehung und fühlen sich da auch wohl, und die Interpretation der Autoren war - ältere Menschen haben inzwischen so viele Erfahrungen gemacht, erstens mit den negativen Seiten von engen Beziehungen, man hat die Konflikte jahrelang, auch vielleicht mit dem Ehepartner gehabt, und denkt, das ist vielleicht auch eine Möglichkeit, jetzt um diese Probleme herumzukommen - zweitens- weil diese LAT-Beziehungen auf dem Vormarsch sind, gibt es immer mehr Erfahrungen im Bekannten und Freundeskreis, und das motiviert auch durchaus dazu, das auch auszuprobieren, und wenn es funktioniert, dann bleibt man dabei. "
Die LAT-Beziehung ist salonfähig geworden. Und bei den Älteren, die sie zunehmend praktizieren, handelt es sich keineswegs um bindungsscheue Sonderlinge, die ihre Marotten pflegen. Vielmehr sind es in der Regel beziehungserfahrene Menschen, vielleicht geschieden oder verwitwet, und die Kinder aus dem Haus, wenn sie welche hatten.
Sie verfügen laut Statistik über ein mittleres Einkommen, das ihnen finanzielle und wohnliche Unabhängigkeit ermöglicht. Daran haben sie sich gewöhnt. Umgekehrt wissen sie um die Anpassungen, die ein enges Zusammenleben auferlegt. Früher half Verliebtheit, jugendliche Flexibilität oder schlichtweg finanzielles Angewiesensein darüber hinweg. In einer LAT-Beziehung kann man die Vorzüge des Alleinseins genießen ohne zu vereinsamen.
Aber wie stabil sind solche Verbindungen?
" Diese LAT-Beziehungen sind weniger stabil als die Beziehungen wo die Partner zusammenwohnen, aber die Lebenszufriedenheit ist exakt gleich hoch. D.h. es nicht so, dass sie etwa unglücklicher wären, sondern es scheint es so zu sein, dass es sich sortiert, die einen streben nach mehr Autonomie, und sind deswegen in der LAT-Beziehung - und die anderen suchen die Nähe, und sind nicht in der LAT-Beziehung, und manchmal gibt es auch Konfliktsituationen, dass man sich entscheiden muss: Da ist ein interessanter Job, da muss ich jetzt aber LAT sein, denn ich muss in der anderen Stadt wohnen, tue ich das? Das sind dann so Entscheidungskonflikte, wo dann natürlich auch Persönlichkeitsmerkmale einfließen, Werthaltungen, - und das sind gerade Dinge, die Psychologen sehr interessieren: wenn jemand sich frei entscheiden kann, wer bleibt LAT oder wird LAT und wer nicht. "
Die Rangfolge der Werte ist nicht bei allen Menschen gleich: Für die einen stehen Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenständigkeit an erster Stelle, dauerndes Zusammensein hingegen erleben sie als problematisch; andere suchen vor allem Geborgenheit und Nähe, die notwendigen Anpassungen dafür fallen ihnen leicht, Abstriche an Autonomie stören sie nicht.
Die moderne individualisierte Gesellschaft ermöglicht unterschiedliche Werthaltungen. Und das spiegelt sich auch in einer Pluralisierung der Lebensformen.
Wenn vermehrt Paare getrennt wohnen, spricht das nicht grundsätzlich gegen das klassische Modell. Insbesondere mit Kindern scheint das Zusammenwohnen die adäquatere Form. Und die junge Generation hält dieses Konzept weiterhin hoch. Vielleicht ist es auch eine Frage der Lebensphase, welches Modell man favorisiert.
Aber wie weit geht die Bindung an den Anderen in einer LAT-Beziehung? Wird man genauso unbedingt füreinander einstehen, wie wenn man verheiratet ist oder zusammenwohnt. Oder schmälert das getrennte Wohnen die Verantwortung im Ernstfall, wenn zum Beispiel der Partner pflegebedürftig wird?
" Eine der ersten ganz berühmten LAT-Beziehungen, das waren Sartre und Beauvoir. Und die haben das geradezu als Monstranz vor sich hergetragen. Wie toll sie sind, dass sie diese exotische Art der Beziehung führen, wo jeder doch so autonom ist. Aber als Sartre dann krank wurde, zogen sie zusammen und die gute Frau Beauvoir hat den Sartre bis zum Tod gepflegt.
Das wäre jetzt ein positives Beispiel. - Die Frage ist natürlich: Ist das so häufig der Fall, dass die Pflege übernommen wird wie in anderen Beziehungen, wo man sowieso zusammenwohnt? "
Was denken Susi Rudolph und Stephan Schaaf, die beide früher in klassischen Ehen gelebt haben.
Susi Rudolph: " Stephan hat eine Wohnung mit einer kleinen Wendeltreppe. Wenn er einmal irgendwie gehbehindert ist, kann er diese Wohnung nicht mehr halten, ich habe ein Haus in Monheim mit einer Terrassentür zu ebener Erde, da überlegen wir schon, da könnte man eine Rampe hinbauen. "
Stephan Schaaf: " Wenn ich ehrlich bin, so ganz begeistert bin ich nicht von dieser Tatsache. Und solange es noch geht, wie wir es jetzt machen freuen wir uns eigentlich sehr. "
Stephan Schaaf und Susi Rudolph, beide Rentner, sind bewusst nicht zusammengezogen. Sie gestalten ihre Beziehung anders, als die Tradition es vorsieht:
" So dass wir die Woche über jeder für sich sind. Zum Wochenende unternehmen wir etwas, z.B. waren wir heute Freitag gemeinsam in der Sauna, und sind dann das Wochenende zusammen, wir reisen sehr viel, was uns beiden sehr gefällt, wir spielen gemeinsam Tennis. Er schlägt mich dauernd beim Schach. Eigentlich alles phantastisch. "
Das Paar aus dem Rheinland ist kein Einzelfall. Jeder kennt in seinem Bekanntenkreis weitere Beispiele von festen Beziehungen, in denen die Partner nicht zusammenwohnen. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe: Das Studium oder der Job führt in eine andere Stadt, die allein erziehende Mutter hat einen neuen Freund, der allein wohnt, oder ältere Menschen, die ihre gewachsene Eigenständigkeit nicht aufgeben wollen. Das Phänomen ist bekannt, nur die Wissenschaftler haben sich damit noch nicht auseinandergesetzt. Jens Asendorpf, Psychologe an der Berliner Humboldt Universität ist dabei das zu ändern. Als erstes hat er das reiche Datenmaterial auf diese Frage hin analysiert, das die repräsentative Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung seit anderthalb Jahrzehnten zusammengetragen hat.
" Und seit 1992 gibt es dort Daten darüber, dass Partner eine Partnerschaft haben, aber in getrennten Haushalten. Und das ist deswegen wichtig, weil in praktisch allen großen Umfragestudien bisher Partnerschaften nur klassifiziert wurden in: entweder zusammenlebend und nicht verheiratet, oder zusammenlebend und verheiratet, oder eben Single, also ohne Partner.
Aber hinter dieser Single-Kategorie verbirgt sich sehr oft, wie wir jetzt festgestellt haben in Analysen dieser repräsentativen Studie in Deutschland eine sogenannte LAT-Partnerschaft, - living apart together - der terminus technicus beschreibt Partnerschaften die in getrennten Haushalten geführt werden. "
Allenthalben hört und liest man von der Vereinzelung, ja sogar der Vereinsamung in der bundesdeutschen Gesellschaft, weil doch die Anzahl der Single-Haushalte in den vergangenen Jahrzehnten so rasant zugenommen hat. Nun stellt sich heraus, dass wir einem gewaltigen Missverständnis aufsitzen: Die Hälfte der vermeintlichen Singles sind nämlich gar keine, weil sie einen festen Partner haben, allerdings außerhalb des eigenen Haushalts.
Ein holländischer Wissenschaftler, der übrigens selber in einer solchen Partnerschaft lebte, prägte den Namen dafür: living apart together, kurz LAT, also Zusammen leben, getrennt wohnen. Das klingt schon im Namen paradox. Handelt es sich um ein bloßes Provisorium, einen vorübergehenden Zustand, den die Partner überwinden wollen, oder aber um ein Beziehungskonzept, das auf Dauer angelegt ist? Jens Asendorpf:
" Wir dachten erst, das ist ein Übergangsphänomen zum Zusammenziehen - und das ist auch bei den jungen Leuten eher so, bis vierzig ist es sehr transitional, aber wenn man vergleicht den Prozentsatz der LAT-Partnerschaften 1992 und 2006 - das sind die neuesten Erhebungen, dann haben die zugenommen und zwar um 70 Prozent.
Und sie haben besonders bei den Älteren zugenommen und zwar ab 40. Derjenigen, die gar nicht mehr zusammenziehen wollen, sondern diese neue Form der Partnerschaft als einen eigenständigen - unsere englischen Kollegen würden sagen - Lifestyle (verstehen) -, sie wollen das so und finden das gut so. "
Der Befund überrascht. Während die jungen Leute zwischen 18 und 27 das traditionelle Beziehungsmodell favorisieren - sie wollen zusammenziehen, eine Familie gründen - gewinnt das LAT-Modell vor allem bei den Älteren immer mehr Anhänger. Früher begegnete man diesem Modell nur in der Boheme, bei Außenseitern. Es hatte antibürgerlichen Touch. Aber was Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir seinerzeit den aufständischen 68ern vorlebten, scheint heute eine akzeptable Option für die etablierte Mitte.
Die statistischen Daten verraten allerdings wenig über die Motive und Einstellungen der Menschen, die eine Partnerschaft in getrennten Wohnungen eingehen. Deshalb haben Jens Asendorpf und die Diplompsychologin Wiebke Neberich eine tiefer gehende Feldstudie vorbereitet, die in der nächsten Woche anläuft.
" Am 14. Januar startet die Hauptuntersuchung, und wir werden Einwohner in Berlin Charlottenburg ansprechen - postalisch, und sie um die Teilnahme an dieser Studie bitten, parallel dazu läuft eine große Befragung in Niedersachsen, in verschiedenen Landkreisen, und da werden ebenfalls Männer und Frauen, also Paare, die zusammenwohnen in einer Wohnung und Paare mit getrennten Wohnsitzen in der gleichen Stadt zwischen 18 und 67 Jahren eingeladen zur Teilnahme.
Und das sieht so aus, dass man online im Internet einen Fragebogen ausfüllt, das dauert ca. 45 Minuten, beide Partner müssen das unabhängig voneinander machen, und dann gibt es eine individuelle Rückmeldung von uns und 20 Euro pro Paar. "
Die Feldstudie hat bewusst zwei konträre Lebensräume ausgewählt: wie gestalten Menschen ihre Partnerschaft in der ländlichen Umgebung Niedersachsens, wie in der Berliner Urbanität. Denn die schon vorliegenden Daten zeigen, dass das LAT-Modell in der Großstadt weit häufiger praktiziert wird als auf dem Land.
Während die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sozioökonomisch ausgerichtet war, geht es nun um psychologische Tiefenschärfe: um die Persönlichkeit der Partner, ihr Maß an Bindung, ihre Einstellung zu Liebe und Sexualität. Wiebke Neberich:
" Sehr wichtig ist für uns natürlich die Lebenssituation des Paares: gibt es Kinder, wie ist der Familienstand, wie viele Beziehungen hatte man schon im Leben, wie lange ist man schon ein Paar, wie lange wohnt man gegebenenfalls schon zusammen? Dann natürlich Fragen über die Beziehungsqualität: wie zufrieden man mit der Beziehung und verschiedenen Aspekten in der Beziehung generell ist, wie häufig man sich sieht, ob man Aktivitäten allein, mit dritten Personen zusammen unternimmt, wie - generell - das soziale Umfeld, das soziale Netz strukturiert ist, und wie man seine Zeit dort aufteilt, - also es sind bunt gemischte Fragen, die wirklich das ganze Beziehungsleben abdecken. "
Schon seit einem Jahr läuft eine Vorstudie der beiden Psychologen im Internet. Unter www.psytests.de können auch weiterhin interessierte Paare an einer Online-Partnerschaftsstudie teilnehmen. Dabei führt jeder Partner einen Monat lang ein Online-Tagebuch, in dem er anonym sein Erleben der Beziehung schildert. Die Online-Studie differenziert vier Typen: zusammenwohnende Paare, LAT-Partnerschaften in ein und derselben Stadt, Pendler- und schließlich Fernbeziehungen.
Allerdings ist die Online-Studie nicht repräsentativ. Hier beteiligt sich überproportional eine jüngere Klientel, die Computer und Internet verstärkt nutzt. Deswegen äußert sich Wiebke Neberich zurückhaltend über die Motive in den Partnerschaftsmodellen.
" Was ich generell sagen möchte, ist dass die Gründe sehr verschieden sind in verschiedenen Altersklassen. Es gibt unheimlich viele Gründe, die zum Teil sehr individuell sind, abhängig von vielen Faktoren, Beruf oder Kinder - nur als zwei Beispiele - oder pflegebedürftige Personen, Haushalt - nur als Beispiele, und dass es pro Altersgruppe auch wieder andere Motive da gibt. "
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es bei dem Trend zum LAT-Modell nicht auch handfeste ökonomische Motive gibt. Zwar ist es teurer, zwei Wohnungen zu unterhalten, es kann aber im speziellen Fall auch finanziellen Vorteil bringen. Wenn nämlich einer der beiden Partner von Hartz Vier leben muss, so entbindet der getrennte Wohnsitz den anderen von der Verpflichtung, für seinen mittellosen Partner aufzukommen.
Handelt es sich vielleicht bei manchen LAT-Beziehungen um Haushalte, die nur auf dem Papier getrennt sind, während man in Wahrheit weiterhin zusammenwohnt? Jens Asendorpf:
" Man hört natürlich immer wieder, über die Finanzämter, es gibt regelrechte Schnüffler, die dort eingesetzt werden und versuchen rauszufinden, ob in der Wohnung wirklich einer wohnt oder nicht, die auch in die Schlafzimmer gehen, was ich gehört habe, - das sind aber Gerüchte, aus diesen Daten könnten wir das nicht ersehen, das sind freiwillige Befragungen, wer das wirklich vorm dem Finanz- oder Sozialamt verheimlichen will, der wird es in so einer Studie auch nicht sagen, also mit so einer Dunkelziffer muss man immer rechnen, allerdings wäre es dann so, dass es sprunghafte Veränderungen gegeben hätte bei den LAT-Beziehungen bei den Umstellungen auf Hartz 4 und die haben wir nicht gesehen, es ist einfach ein kontinuierlicher Anstieg. "
Neben den Datenbergen der Online-Studie soll vor allem die anlaufende Feldstudie nähere Auskunft über die Motive und Einstellungen geben. Interessant ist eine holländische Studie, die ältere Menschen gefragt hat, wie sie mit dem Modell Zusammen leben getrennt wohnen zurecht kommen.
" Es gab dort einen beträchtlichen Teil die gesagt haben, sie bleiben in dieser LAT Beziehung und fühlen sich da auch wohl, und die Interpretation der Autoren war - ältere Menschen haben inzwischen so viele Erfahrungen gemacht, erstens mit den negativen Seiten von engen Beziehungen, man hat die Konflikte jahrelang, auch vielleicht mit dem Ehepartner gehabt, und denkt, das ist vielleicht auch eine Möglichkeit, jetzt um diese Probleme herumzukommen - zweitens- weil diese LAT-Beziehungen auf dem Vormarsch sind, gibt es immer mehr Erfahrungen im Bekannten und Freundeskreis, und das motiviert auch durchaus dazu, das auch auszuprobieren, und wenn es funktioniert, dann bleibt man dabei. "
Die LAT-Beziehung ist salonfähig geworden. Und bei den Älteren, die sie zunehmend praktizieren, handelt es sich keineswegs um bindungsscheue Sonderlinge, die ihre Marotten pflegen. Vielmehr sind es in der Regel beziehungserfahrene Menschen, vielleicht geschieden oder verwitwet, und die Kinder aus dem Haus, wenn sie welche hatten.
Sie verfügen laut Statistik über ein mittleres Einkommen, das ihnen finanzielle und wohnliche Unabhängigkeit ermöglicht. Daran haben sie sich gewöhnt. Umgekehrt wissen sie um die Anpassungen, die ein enges Zusammenleben auferlegt. Früher half Verliebtheit, jugendliche Flexibilität oder schlichtweg finanzielles Angewiesensein darüber hinweg. In einer LAT-Beziehung kann man die Vorzüge des Alleinseins genießen ohne zu vereinsamen.
Aber wie stabil sind solche Verbindungen?
" Diese LAT-Beziehungen sind weniger stabil als die Beziehungen wo die Partner zusammenwohnen, aber die Lebenszufriedenheit ist exakt gleich hoch. D.h. es nicht so, dass sie etwa unglücklicher wären, sondern es scheint es so zu sein, dass es sich sortiert, die einen streben nach mehr Autonomie, und sind deswegen in der LAT-Beziehung - und die anderen suchen die Nähe, und sind nicht in der LAT-Beziehung, und manchmal gibt es auch Konfliktsituationen, dass man sich entscheiden muss: Da ist ein interessanter Job, da muss ich jetzt aber LAT sein, denn ich muss in der anderen Stadt wohnen, tue ich das? Das sind dann so Entscheidungskonflikte, wo dann natürlich auch Persönlichkeitsmerkmale einfließen, Werthaltungen, - und das sind gerade Dinge, die Psychologen sehr interessieren: wenn jemand sich frei entscheiden kann, wer bleibt LAT oder wird LAT und wer nicht. "
Die Rangfolge der Werte ist nicht bei allen Menschen gleich: Für die einen stehen Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenständigkeit an erster Stelle, dauerndes Zusammensein hingegen erleben sie als problematisch; andere suchen vor allem Geborgenheit und Nähe, die notwendigen Anpassungen dafür fallen ihnen leicht, Abstriche an Autonomie stören sie nicht.
Die moderne individualisierte Gesellschaft ermöglicht unterschiedliche Werthaltungen. Und das spiegelt sich auch in einer Pluralisierung der Lebensformen.
Wenn vermehrt Paare getrennt wohnen, spricht das nicht grundsätzlich gegen das klassische Modell. Insbesondere mit Kindern scheint das Zusammenwohnen die adäquatere Form. Und die junge Generation hält dieses Konzept weiterhin hoch. Vielleicht ist es auch eine Frage der Lebensphase, welches Modell man favorisiert.
Aber wie weit geht die Bindung an den Anderen in einer LAT-Beziehung? Wird man genauso unbedingt füreinander einstehen, wie wenn man verheiratet ist oder zusammenwohnt. Oder schmälert das getrennte Wohnen die Verantwortung im Ernstfall, wenn zum Beispiel der Partner pflegebedürftig wird?
" Eine der ersten ganz berühmten LAT-Beziehungen, das waren Sartre und Beauvoir. Und die haben das geradezu als Monstranz vor sich hergetragen. Wie toll sie sind, dass sie diese exotische Art der Beziehung führen, wo jeder doch so autonom ist. Aber als Sartre dann krank wurde, zogen sie zusammen und die gute Frau Beauvoir hat den Sartre bis zum Tod gepflegt.
Das wäre jetzt ein positives Beispiel. - Die Frage ist natürlich: Ist das so häufig der Fall, dass die Pflege übernommen wird wie in anderen Beziehungen, wo man sowieso zusammenwohnt? "
Was denken Susi Rudolph und Stephan Schaaf, die beide früher in klassischen Ehen gelebt haben.
Susi Rudolph: " Stephan hat eine Wohnung mit einer kleinen Wendeltreppe. Wenn er einmal irgendwie gehbehindert ist, kann er diese Wohnung nicht mehr halten, ich habe ein Haus in Monheim mit einer Terrassentür zu ebener Erde, da überlegen wir schon, da könnte man eine Rampe hinbauen. "
Stephan Schaaf: " Wenn ich ehrlich bin, so ganz begeistert bin ich nicht von dieser Tatsache. Und solange es noch geht, wie wir es jetzt machen freuen wir uns eigentlich sehr. "