Der dezente Duft von Spanplatte und Holzleim liegt in der Luft. Rundgang durch das Studio fünf im Hause des Fernsehens beim SWR in Baden-Baden: Dort, wo ansonsten Unterhaltungsshows produziert werden, steht im Erdgeschoss ein sich nach unten verschlankendes Moderatorenpult. Obendrauf ein Schild: ARD-Sportschau. Diesen Raum sehen täglich Millionen. Hier diskutieren an einem Tag die ARD-Sportexperten Hannes Wolf und Alexander Bommes, am nächsten dann die ZDF-Pendants Oliver Welke und Jochen Breyer über Leid und Freud der Fußball-WM.
Ist trotz der großen Distanz noch Authentizität möglich?
"Man kann ganz leicht sagen: ARD und ZDF sparen jeweils mit Sicherheit eine siebenstellige Summe. Das ist natürlich auch medienpolitisch für uns ein ganz, ganz wichtiger Effekt. ARD und ZDF arbeiten ja bei solchen Großereignissen schon immer sehr, sehr eng zusammen", so SWR-Sportchef Harald Dietz. Während also ARD und ZDF bei Sport-Großereignissen schon längst gemeinsame technische Sache machen, ist bei dieser Fußball-WM eines indes neu: "Irgendwann haben wir gesagt: Wir riskieren es, die Technik ist so stabil, die Technik ist so vorangeschritten: Wir gehen komplett nach Deutschland."
Will heißen: Spielanalysen, Expertendiskussionen, aber auch ein großer Teil der Nachberichterstattung werden nicht vor Ort in Russland, sondern im gemeinsamen Sendezentrum beim SWR in Baden-Baden produziert. "Wir brauchen damit im Sendezentrum in Moskau quasi 82 Prozent weniger Sendefläche im Vergleich zu Rio. Und das ist natürlich ein immenser Kostenfaktor. Wir sind knapp 60 Prozent weniger Menschen in Russland im Vergleich zu 2018."
Die Partie Frankreich gegen Belgien gestern Abend, kurz nach der Halbzeit, als das entscheidende eins zu Null für Frankreich fällt: Die Reporter, die die Spiele kommentieren, sitzen zwar nach wie vor noch direkt in den Stadien. Diejenigen, die das Spiel absolvieren, sitzen aber gut 4000 Kilometer entfernt, im Sendezentrum Baden-Baden.
Ist bei dieser großen Distanz Authentizität noch möglich? Warum nicht, meint SWR-Sportchef Harald Dietz: "Das Gute ist ja, was ich immer sage als Programmmann: Wenn ich an den Rändern sparen kann und mein Programm dadurch nicht beschädige, sondern mein Programm eher noch ausbaue, dann kann das ja nur in meinem Sinne sein und im Sinne des Beitragzahlers."
Will heißen: Selbst wenn diejenigen, die im Studio über die Spiele sprechen, in Moskau vor dem Kreml säßen, wären sie genauso wenig bei den Spielen selbst mit dabei wie in Baden-Baden. Sie würden sich die Begegnungen ebenso am Fernsehschirm ansehen. Da macht es letztlich keinen Unterschied, ob zehn, 500 oder gar 4000 Kilometer zwischen den Analytikern und den Stadien liegen.
Eigene inhaltliche Akzente
Was sich im Laufe des Turniers für die Verantwortlichen auch gezeigt hat: Die enge Zusammenarbeit zwischen ZDF und ARD funktioniert. Die ZDF-WM-Redaktion hat in einem eigens gezimmerten Büro gleich oberhalb des WM-Studios Quartier bezogen, die ARD eine Etage darüber. So sehr alle das gute kollegiale Verhältnis zwischen den ARD- und ZDF-WM-Machern loben, so klar ist aber auch: Beide Programme setzen nach wie vor ihre eigenen inhaltlichen Akzente, so Klaus Hofmann, ARD-Multimedia-Chef-vom-Dienst, im WM-Zentrum.
"Meines Erachtens sollte natürlich jedes Programm auch seine eigene Identität haben. Das heißt: Wir senden aus einem Studio, haben aber auch unterschiedliches Design. Und legen, glaube ich, auch unterschiedliche Schwerpunkte, was jetzt die Optik anbelangt. Wir unterscheiden uns ja auch durch die Moderatoren und durch die Art der Experten. Jedes Programm sollte redaktionell definitiv auch seine eigene Identität bewahren."
Olympische Sommerspiele 2020 in Tokio im Blick
Die eigene Programmidentität wahren, technisch und organisatorisch aber, so weit es geht, aber Synergie-Effekte nutzen: Das gemeinsame WM-Sendezentrum in Baden-Baden, betrieben von ARD und ZDF, hat gute Chancen, zu einem dauerhaften Modell der Zukunft zu werden. So hat es bereits ZDF-Intendant Thomas Bellut angedeutet. Und ähnliches hört man auch von der ARD. Wobei: Man müsse vor jedem Großereignis, in der Phase der Feinplanung, nochmals neu nachdenken, ob nicht manchmal eine Modifizierung sinnvoll wäre - mit einem zumindest kleinen Rumpf-Studio für Interviews vor Ort.
SWR-Sportchef Harald Dietz denkt dabei bereits an die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio, "wo man natürlich noch viel mehr auf die Sportler angewiesen ist, auf die Medaillengewinner, die gerne ins Studio kommen, die dort auch mehr Sendefläche haben als ein Fußballer nach dem Spiel. Und deswegen ist das momentan ja eine Überlegung, die ARD und ZDF im Hinblick auf 2020 haben. Es ist unzweifelhaft, dass es ein Sendezentrum in Deutschland geben wird. In welcher Art und Weise es für Fußball und Olympia vielleicht unterschiedlich ist - es wird auf alle Fälle der Schwerpunkt, egal bei welchem sportlichen Großereignis 2020, wird in Deutschland sein".