Archiv

Gemeinschaftsschulen in Thüringen
Schüler wünschen sich mehr davon

Seit fünf Jahren gibt es in Thüringen Gemeinschaftsschulen, die längeres gemeinsames Lernen unter einem Dach ermöglichen. Die SPD hatte dieses Projekt in der vergangenen Legislaturperiode ihrem damaligen Koalitionspartner CDU abgerungen. Nun äußerte auch die Landesschülervertretung ihre Wünsche zur Zukunft jener Schulform.

Von Henry Bernhard |
    Ein Schüler hebt in einem Klassenzimmer die Hand
    54 Gemeinschaftsschulen gibt es inzwischen in Thüringen. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Pause in der Schiller-Gemeinschaftsschule in Erfurt. Seit zwei Jahren können hier Haupt-, Real- und Gymnasialschüler länger gemeinsam lernen, von der fünften bis zur achten Klasse. Gemeinsam in einer Klasse und auch nach der Aufspaltung weiter in einer Schule. 54 Gemeinschaftsschulen gibt es inzwischen im Freistaat – von insgesamt gut 1.000 weiterführenden Schulen. Nun, nach fünf Jahren, ziehen die Schüler Bilanz – mit durchaus gemischten Tönen. Landesschülersprecher Maximilian Reichel-Schindler:
    "Man kann länger mit seinem gewohnten Umfeld, also Freunden, Schulkameraden, auch Lehrerinnen und Lehrern, Sozialpädagogen etc. gemeinsam lernen und man wird nicht wieder aus einer Welt herausgerissen wie in der Grundschule. Also, das bietet sich schon an, dass die Thüringer Gemeinschaftsschule ein längeres Lernen anbietet. "
    Jeder zweite geht nach der Grundschule aufs Gymnasium
    Längeres gemeinsames Lernen, in der Gemeinschaftsschule bis zur achten Klasse, gebe den Schülern vor allem die Gelegenheit, später die für sie richtige Schulform zu finden – und nicht schon in der vierten Klasse, wenn bei vielen das wahre Leistungsvermögen noch nicht klar ist. Außerdem, so der Landesschülersprecher, würde gerade ohne Gemeinschaftsschulen die Idee des Gymnasiums ad absurdum geführt, denn in Thüringen geht nach der Grundschule fast jeder zweite Schüler aufs Gymnasium.
    "Wir haben das Phänomen, dass es ein Rennen von jeden Schülerinnen und Schülern gibt, an das Gymnasium zu gehen. Erst mal ist natürlich der Druck von den Eltern da, nach dem Motto 'Du musst Abitur machen, dann wirst du auch mal was in Deinem Leben!' Und für viele ist das nicht das Optimale. Aber dadurch bluten ja auch die Regelschulen aus. Man muss ja sagen, dass viele Eltern sagen 'Wir wollen keine Einheitsschule!', etc., aber sie machen eigentlich das Gymnasium zur Einheitsschule!"
    Die Landeschülervertretung hat beim Thema Gemeinschaftsschule auch die Zukunft Thüringens ins Auge gefaßt, dessen Bevölkerung rapide schrumpft – gerade auf dem Land. Maximilian Reichel-Schindler:
    "Jetzt haben wir noch die Lage, dass der Freistaat Thüringen sagt 'Wir leisten uns noch die kleinen Regelschulen im ländlichen Raum', aber wie lange das noch geht, ist fraglich, weil, die Landkreise müssen das ja auch irgendwie finanzieren als Schulträger. Und deshalb ist die Thüringer Gemeinschaftsschule der Schlüssel dazu, zu sagen: 'Wir fassen das mehr zusammen; wir bieten mehr Optionen an Bildungsabschlüssen an, und somit können wir mehr Schülerzahlen für so eine Schulart gewinnen; und somit verhindern wir eigentlich, dass im ländlichen Raum keine Schulen mehr vorhanden sind.'"
    Bildungsministerium in der Kritik
    All diese Argumente sprechen nach Ansicht der Thüringer Landeschülervertretung eindeutig für mehr Gemeinschaftsschulen. Zwar können die Gemeinschaftsschulen nur von Schülern, Lehrern, Eltern und den Trägern im Konsens beantragt und eingerichtet werden, dennoch vermisst die Landeschülervertretung ein stärkeres Engagement der Bildungsministerin.
    Maximilian Reichel-Schindler:
    "Das Thüringer Ministerium lässt nicht erkennen, dass sie daran arbeiten, dass sie wirklich mehr da haben wollen. Und das fehlt uns!"
    Der Ausbau der Gemeinschaftsschulen sei Sache der Menschen vor Ort. Das Bildungsministerium habe noch keinen Antrag auf Bildung einer solchen Schule abgelehnt, kommentiert ein Sprecher. Die Schüler fordern außerdem gleiche Bezahlung für alle Lehrer an der Gemeinschaftsschule und einen eigenen Studiengang für Gemeinschaftsschullehrer. Gut gemeint, aber verfrüht und unpraktikabel, sagt das Ministerium. In der Rot-Rot-Grünen Koalition will man nun das Schulgesetz ändern, um die Hürden vor der Bildung der Gemeinschaftsschulen zu senken. Bis es soweit ist, setzt Marion Rosin auf politische Unterstützung der Initiativen für Gemeinschaftsschulen. Rosin ist bildungspolitische Sprecherin der SPD im Thüringer Landtag.
    Marion Rosin:
    "Und vor allem Dingen wollen wir ein Angebot machen, dass wir vor Ort als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und zu helfen, weil häufig ist es so, dass man moderieren kann bei solchen Dingen. Also, wenn Eltern und auch die Lehrer mit den kommunalen Vertretungen, dass man da vielleicht versucht, mit Moderation im Sinne der guten Bildung vor Ort eine Lösung zu finden."
    Ziel sei die Verdopplung der Zahl der Gemeinschaftsschulen in dieser Legislaturperiode. Ein ambitioniertes Ziel. Die Landesschülervertretung wird es gern hören.