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"Gemischte Teams sind das Erfolgsmodell der Zukunft"

Eine gemischte Zwischenbilanz der "Flexiquote" zieht Monika Schulz-Strelow, Präsidentin des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte: Das Freiwilligkeitsmodell funktioniere – aber nur, weil die Unternehmen die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote fürchten. Für Aufsichtsräte müsse eine solche Quote her, fordert Schulz-Strelow.

Monika Schulz-Strelow im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Manfred Götzke: Wer gern Fleisch isst, das aber eigentlich nicht gut findet und deshalb verschämt und selten konsumiert, der nennt sich neuerdings Flexitarier. Wer eigentlich gegen eine Frauenquote ist, damit aber bei Kabinettskollegen nicht punkten kann, der beschließt eine Flexiquote. Bundesfamilienministerin Christina Schröder hat dieses Konzept der freiwilligen flexiblen Frauenquote vor einem Jahr eingeführt: Jedes Unternehmen soll selbst festlegen, wie hoch die Frauenquote in den Führungsgremien sein soll, und berichten, ob die selbstgesteckten Ziele erreicht werden. Heute Abend werden die DAX-Personalvorstände der Ministerin Zahlen nennen. Ein paar sind schon jetzt bekannt, und die sehen gut aus: Bei E.ON und Bayer etwa stieg der Frauenanteil im Aufsichtsrat von 10 auf 15 Prozent, bei SAP von 6 auf 25 Prozent, die Deutsche Bank hat sogar 30 Prozent Aufsichtsrätinnen. Monika Schulz-Strelow ist Unternehmerin und Präsidentin des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte. Frau Schulz-Strelow, müssen Sie der Familienministerin nun doch recht geben mit ihrem Flexi- und Freiwilligkeitsmodell?

    Monika Schulz-Strelow: Das Freiwilligkeitsmodell funktioniert, glaube ich, aus dem Grunde, weil die große Drohung der Quote so als dunkle Wolke über allen Unternehmen hängt, dass das, glaube ich, den Schub ausgemacht hat. Reine Freiwilligkeit hatten wir seit 2001, und da wissen Sie, da kennen wir alle Zahlen, hat kaum was bewegt. Aber eine Drohung hilft doch und bewegt massiv weiter.

    Götzke: Das heißt, man sollte es bei dieser flexiblen Quote belassen?

    Schulz-Strelow: Nein – sagen wir mal, wenn es gar nicht anders geht, dann muss halt die flexible Quote genutzt werden, aber bei Aufsichtsräten wäre ich immer noch für eine gesetzliche Quote, und FIDA steht für 30 Prozent auf der Anteilseignerseite.

    Götzke: Auf der anderen Seite muss man ja jetzt sagen – die Zahlen habe ich gerade genannt –, sind wir bei manchen Unternehmen jetzt bei 30 Prozent. Christina Schröder wird sagen, das Konzept funktioniert, auch wenn der Druck und die Drohung einer gesetzlichen Quote da ist.

    Schulz-Strelow: Bei manchen Unternehmen hat es wirklich sehr viel bewirkt, und die haben die 30 Prozent. Gratulation, wir hoffen, dass sie die Frauen halten, dass nicht nur jetzt geschuldet ist, dass man Frauen reinsetzt, sondern man muss die Frauen dann auch länger halten können. Aber bei manchen Unternehmen – und das sagt eben unser Women-on-Board-Index, kurz WoB-Index genannt –, wir haben von den 160 DAX-Unternehmen – wir gucken ja nicht immer nur auf die 30 Großen, sondern auf die S-, M- und TecDAX, und das sind insgesamt 160 – haben wir immer noch 52 Unternehmen ohne Frau im Aufsichtsrat und ohne Frau im Vorstand.

    Götzke: Woran liegt das, dass Sie nicht so im Blick der Öffentlichkeit stehen, diese etwas kleineren Unternehmen?

    Schulz-Strelow: Zum Teil ja, würde ich bestimmt sagen, dass sich das alles auf die DAX-30 konzentriert und man die Bewegung da natürlich sehr wahrnimmt, weil es auch halt die großen Unternehmen sind, dass die anderen sich so ein bisschen in den Windschatten begeben und sagen, dann ducken wir uns ein bisschen weg, und für uns trifft das ja nicht zu. Aber für die trifft es ja gleichermaßen zu, und deswegen ist das Aufrechterhalten des Druckes für die Quote bitter notwendig. Und wir wissen auch, was in den DAX-Unternehmen eingeführt wird, schwappt auch in Familienunternehmen und in die anderen großen Unternehmen über, und ein Punkt – ganz wichtig –, wir gucken ja natürlich auch genau hin: Was machen die öffentlichen Unternehmen, die großen?

    Götzke: Und die machen zum Teil nichts?

    Schulz-Strelow: Die machen im Verhältnis zum Teil sehr wenig. Aber da verstehe ich die Privatwirtschaft, die sagt: Liebe Minister, guckt doch mal auf eure Bundesunternehmen – wenn die solche Fortschritte machen wie wir, dann wären wir da auch alle sehr glücklich.

    Götzke: Die Publizistin Gertrud Höhler, die sagte gestern bei uns im Deutschlandfunk, sie wolle sich nicht durch eine Quote diskriminieren lassen, auch wenn es eine positive Diskriminierung ist. Warum wollen Sie sich positiv diskriminieren lassen?

    Schulz-Strelow: Weil ich davon ausgehe, wenn ich eine Position erreicht habe, beweisen muss ich mich selber. Nur die Chance für diese Position ist leider bisher ja vielen Frauen auch verwehrt gewesen und sie konnten sich gar nicht beweisen. Und ich glaube, mich würde das überhaupt nicht stören, dass man mit einer Quote wirklich erst mal nach oben kommt und durch die Tür gehen kann. Danach ist es an jedem, seine Leistung zu zeigen.

    Götzke: Wenn der Druck der deutschen Politik nachlassen sollte, kommt der eventuell aus Europa: EU-Kommissarin Viviane Reding, die will börsennotierte Aktiengesellschaften zu einem Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten verpflichten und im Herbst eine entsprechende Richtlinie vorlegen. Was versprechen Sie sich davon?

    Schulz-Strelow: Wenn der Druck aus Europa kommt, werden sich die Deutschen – und das ist ja das Spannende –, sagen wir, diesen Gesetzen auch beugen. Und das finde ich irgendwo erschreckend, dass man da nicht vorbaut und sagt, wir sind selber so innovativ, wir haben so eine veränderte Unternehmenskultur, für uns ist das so wichtig, dass erst Europa dann den Druck so hoch aufbauen muss, dass die zum Beispiel die 50, die wir eben genannt haben aus den 160 DAX-Unternehmen, sich dann doch bewegen. In Deutschland geht viel eben nur mit Druck.

    Götzke: Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Markus Kerber, der kritisiert die Pläne der EU-Kommission schon jetzt scharf. Er sagt, man verkenne die Unternehmensrealitäten. Was entgegnen Sie ihm?

    Schulz-Strelow: Die Unternehmensrealitäten der letzten zehn Jahre haben ja bewiesen, dass keine Veränderung gewollt ist. Und wir kennen alle die Fragen aus den Krisenjahren, hätten Frauen da mehr bewirken oder Sachen verhindern können, und Sie kennen alle die Studien, und wir kennen sie alle, die da lauten, gemischte Teams sind das Erfolgsmodell der Zukunft. Und deswegen glaube ich, ist das notwendig, dass da was passiert.

    Götzke: Sagt Monika Schulz-Strelow, Vorsitzende des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte.


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