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Desinteresse an Sportevents
Warum die Generation Z den Sport nicht mehr mag

Klassische Sportübertragungen konkurrieren längst mit Social Media. Die junge Generation verbringt ihre Zeit lieber auf TikTok. Was das für Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften bedeutet, erklärt Generationenforscher Rüdiger Maas im Dlf.

Rüdiger Maas im Gespräch mit Christian von Stülpnagel |
Eine TV-Kamera ist auf ein Spiel in der deutschen Fußball-Bundesliga gerichtet.
Die junge Generation der 16- bis 28-Jährigen verbringt ihre Zeit vor allem im Internet, speziell in sozialen Netzwerken und konsumiert dort Informationsfetzen im Sekundentakt. Wie bleibt da ein 90-minütiges Fußballspiel spannend? (IMAGO / Kirchner-Media / IMAGO / Kirchner / David Inderlied)
Aus einer Studie des Instituts für Generationenforschung aus Augsburg geht hervor: Die junge Generation Z schaut bei sportlichen Großevents immer weniger hin – teilweise sogar ganz weg. Etwa 1.000 Personen zwischen 16 und 64 Jahren wurden befragt. Ein echter Generationenunterschied lässt sich erkennen: Während noch mehr als 70 Prozent der Menschen über 50 Jahren gerne Sport im Fernsehen verfolgt, sind es bei den 16- bis 28-Jährigen nur noch 40 Prozent.

Lineares Fernsehen "für Jüngere nicht mehr attraktiv"

Das liege daran, "dass lineares Fernsehen für Jüngere überhaupt nicht mehr attraktiv" sei, wie Generationenforscher Rüdiger Maas unterstreicht. Zudem würden sie im Internet vor allem von Social Media "stark abgelenkt".
Der Wissenschaftler blickt als Beispiel für den veränderten Medienkonsum, der sich zunehmend um das Smartphone und Apps wie TikTok, Instagram und Co. dreht, drei Jahre zurück: "Während der Corona-Pandemie waren das schon mal 70 Stunden. Die fehlen mir ja dann an anderer Stelle. Da gehen Themen unter wie Fernsehen schauen – oder sowas wie Trainingseinheiten, dass sie in einen Verein gehen."

Interesse an Sport-Großevents im Allgemeinen nimmt ab

Maas ergänzt, dass auch ganz unabhängig vom klassischen Fernsehen als Medium das Interesse "an Massenphänomenen wie WM, EM" bei Jüngeren sehr stark zurückgehe. Zu erklären sei dies auch mit dem Trend, dass der Individualsport den Mannschaftssport im Interesse überhole.
"Man identifiziert sich weniger mit der Nationalmannschaft. Und insgesamt ist ein 90-Minuten-Spiel zu langweilig, wenn ich im Schnitt zwischen eineinhalb bis zwei Stunden mir täglich TikTok anschaue, das mit 20-Sekunden-Videos arbeitet und diese Sequenzen sich immer wieder toppen und noch interessanter werden", gibt Maas einen Einblick in das Mediennutzungsverhalten der Generation Z.
Das habe auch mit wachsender Ungeduld zu tun: "Wir werden insgesamt immer ungeduldiger, weil wir immer mehr immer schneller erreichen können. Ich habe aber ja als junger Mensch immer weniger Räume, wo ich geduldig auf etwas warten muss. Ich kann den Film sofort streamen, ich muss nicht mehr bis 20.15 Uhr warten. Dadurch entwickele ich auch gar keine Bewältigungsstrategien mehr, um Langeweile zu überbrücken."

Balanceakt: Jüngere für Sport gewinnen, Ältere behalten

Er plädiert dafür, dass "wir uns immer in das Gehirn eines jüngeren Menschen hineinversetzen, der die Lebenswirklichkeit ganz anders erlebt hat wie wir. Der das quasi nie musste, mal 90 Minuten etwas anschauen."
Dabei gilt es, in einem Balanceakt die Bedürfnisse der jüngeren und der älteren Generation gegeneinander abzuwiegen. "Auf jeden Fall" müsse sich der Sport neu erfinden, um bei der Jüngeren erfolgreich zu bleiben. "Aber wir würden die Älteren dabei vielleicht verlieren. Vielleicht wird es auch parallel laufen."

Digitale Konzepte als Schlüssel zur Gen Z

Konkret lässt sich das auch in Bezug auf die monatelange Hängepartie mit der FIFA um die TV-Übertragung der Frauen-WM bei ARD und ZDF setzen. Ob die Sender also überhaupt noch viel Geld – und zukünftig vielleicht zwangsläufig noch mehr – in diese Projekte stecken sollten? "Betreffend der Frauen-Fußballmeisterschaft wussten nur 71 Prozent der Befragten, dass es da gar keine Unterschiede zu den Männern gibt in Anzahl und Dauer des Spielverlaufs", erklärt Maas. "Das ist erschreckend."
Lösungen müssten dringend in Form digitaler Konzepte gefunden werden. Auch, um Sport-Events in der "analogen" Welt, vor Ort, abseits des Bildschirms, wieder interessanter für diese Zielgruppe zu machen. "Es ist eigentlich selbstverständlich, dass Jüngere mehr Sport machen als Ältere. Aber wir sehen hier einen Kipppunkt. Und der ist sehr bedenklich."

Maas vermutet große Veränderungen in Sportlandschaft

Und das hat auch etwa für die Olympischen Spiele und eine mögliche deutsche Bewerbung für 2036 zwangsläufig eine Bedeutung. Das gigantische Multisport-Event des Internationalen Olympischen Komitees ist als Format vorwiegend für die Älteren interessant, wenn man Maas' Studienergebnisse beachtet.
Der Leiter des Instituts für Generationenforschung glaubt jedenfalls nicht, dass die Sportlandschaft und ihre Präsentation in den Medien zukünftig noch so sein wird wie jetzt: "Wir sehen sehr viele Disruptionen, die sehr schnell passieren. Auch, wenn Dinge sehr lange Bestand gehabt haben, sehen wir, wie schnell sie sich jetzt ändern. Und wie stark die Digitalisierung Einzug hält. Auf 13 Jahre gesehen, kann ich mir vorstellen, dass sich da viel verändert. Was, ist schwierig vorauszusehen."