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Genauerer Blick auf das Universum

Astronomie. - Seit fast vier Jahren befindet sich der Esa-Satellit Planck im All. Etwa viermal so weit von der Erde entfernt wie der Mond misst er die kosmische Hintergrundstrahlung, eine Art Nachleuchten des Urknalls. Heute haben die Astronomen nicht weniger als 29 Fachartikel veröffentlicht, in denen sie die Zwischenergebnisse der Mission vorstellen. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen fasst sie im Gespräch mit Arndt Reuning zusammen.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Arndt Reuning | 21.03.2013
    Reuning: Herr Lorenzen, diese Strahlung, die Planck gemessen hat, was genau hat die mit dem Urknall zu tun?

    Lorenzen: Herr Reuning, diese Strahlung hat sich nach gängiger Theorie so gut 400.000 Jahre nach dem Urknall auf den Weg gemach. Bis dahin, vom Urknall bis zu den ersten 400.000 Jahren war der Kosmos ein einziger Brei aus Materie und Strahlung, völlig undurchsichtig. Dann aber war der Kosmos so weit ausgedehnt und so weit abgekühlt, dass das Licht ungehindert durch den Kosmos laufen konnte. Das ist also das älteste Licht, das man überhaupt noch sehen kann, diese Hintergrundstrahlung. Und die ist eben immer noch ganz, ganz schwach zu sehen. Planck hat sie jetzt sehr genau angesehen, so genau wie nie zuvor. Diese Strahlung ist nicht ganz perfekt gleichmäßig, sondern da gibt es ein paar minimale Schwankungen, praktisch Flecken, der etwas heller sind oder etwas dunkler[...] Aus diesen Flecken, können die Astronomen lernen, wie die Materie 400.000 Jahre nach dem Urknall verteilt war. Und wenn man eine noch ein bisschen aufwändigere mathematische Auswertung daran anschließt, dann kann man sehr viel aus dieser Strahlung über die Eigenschaften des Universums insgesamt ableiten.

    Reuning: Es liegt also eine Art Himmelskarte vor, auf der diese Schwankungen zu sehen sind, diese Flecken. Welche Ergebnisse leiten die Planck-Forscher daraus ab?

    Lorenzen: Diese ersten Daten aus den ersten gut 15 Monaten Messung - da wird im Laufe der Mission noch sehr viel mehr dazukommen - aber diese ersten Daten, die deuten jetzt an, dass der Kosmos etwas älter ist als bisher angenommen, nämlich 13,8 Milliarden Jahre. Offenbar gibt es im Kosmos auch sehr viel mehr Dunkle Materie als man bisher gedacht hat. Fast 27 Prozent des Kosmos scheinen also aus dieser Materie zu bestehen, die zwar anzieht, aber prinzipiell nicht zu sehen ist. Und noch mysteriöser sind die 68 Prozent, die auf die Dunkle Energie entfallen, kann man sich so vorstellen als eine abstoßende unsichtbare Materie, die sorgt dafür, dass sich der Kosmos immer schneller auseinander bewegt. Und die normale Materie, aus der wir bestehen und die wir aus dem Alltag kennen, die kommt im Kosmos gerade mal auf knapp fünf Prozent.

    Reuning: Klingt ja eher nach kleinen Korrekturen. Offenbar ist es nicht so, dass die Planck-Mission das Standardmodell der Kosmologen vom Urknall infrage stellt?

    Lorenzen: Nein. Das passt alles sehr gut zu dieser Grundidee, dass der Kosmos mal aus einem sehr dichten, sehr heißen Zustand hervorgegangen ist, was man Urknall nennen kann. Allerdings gibt es dann doch ein paar Dinge, die sich nicht erklären lassen. Zum Beispiel gibt es deutlich weniger große Flecken in diesen Strahlungsabweichungen, als man eigentlich erwartet hat. Zudem scheint, und das verblüfft die Forscher sehr, die eine Hälfte des Himmels etwas heißer zu sein als die andere. Das widerspricht dann dieser fundamentalen Annahme der Urknalltheorie, dass es eigentlich im Kosmos in alle Richtungen hin überall gleich aussehen sollte.

    Reuning: Und wie erklären die Forscher dieses Phänomen?

    Lorenzen: Da gibt es bisher nicht viel mehr als Spekulationen. Heute Morgen meinte einer der Planck-Forscher: Vielleicht zeigt sich auf diese Weise so ein erster vager Hinweis, dass unser Universum nur eines von vielen ist, dass es vielleicht viele Parallelwelten gibt. Oder vielleicht hat unsere Welt auch schon einmal vor dem Urknall existiert und sie hat auf irgendeine geheimnisvolle Weise Informationen aus dieser früheren Phase in die heutige mit hinüber gerettet. Insgesamt muss man sagen: die Forscher freuen sich über diese Ungereimtheiten, denn sie hoffen eben, dass man endlich daraus etwas ableiten kann über die Physik der geheimnisvollen Dunklen Materie und der Dunklen Energie – denn die Astronomen sind in dieser völlig absurden Situation, dass sie zwar das Weltall mathematisch immer perfekter und besser beschreiben können, und es scheint ja auch alles perfekt zustimmen. Es ist aber völlig unklar, was physikalisch hinter 95 Prozent des Kosmos steckt.

    Reuning: Dirk Lorenzen, ein kurzes Fazit bitte. Was bedeutet diese Messung für unser Verständnis vom Aufbau des Universums?

    Lorenzen: Es zeigte zumindest, dass diese Planck-Daten jetzt wirklich zeigen, da ist immer noch sehr viel offen. Die Kosmologie ist nicht so fertig, wie vielleicht manche denken. Manche Astronomen fühlen sicher offensichtlich schon an die Antike erinnert, als es auch ein großartiges mathematisches Modell gab, wunderbar ausgearbeitet, das beschrieben hat wie die Sonne um die Erde läuft. Wir wissen, es hatte mit der Natur absolut nichts zu tun. Und die Astronomen brauchen jetzt dringend einen Durchbruch, um wirklich ein bisschen zu verstehen: was steckt hinter Dunkler Materie und Dunkler Energie. Vielleicht gibt es einen Hinweis aus diesen Planck-Daten, vielleicht merkt man aber auch, dass man sich irgendwie auf dem Holzweg befindet. Planck zeigt zumindest: In der Kosmologie, im Weltall insgesamt ist noch sehr, sehr viel zu tun.