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Gendergerechter Online-Duden
Wie männlich ist der Lehrer?

Mieter, Lehrer, Apotheker – sie gelten bislang als generisches Maskulinum, das alle Geschlechter umfasst. Damit will die Duden-Online-Redaktion nun aufräumen – und 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen jeweils einen zweiten, weiblichen hinzufügen. Dagegen regt sich Widerstand.

Von Sebastian Engelbrecht |
"Paketbot*Innen bitte klingeln!" Gesehen am Hackeschen Markt in Berlin-Mitte im Dezember 2020
Das Gender-Sternchen soll nicht in den Duden-Rang erhoben werden (www.imago-images.de)
Der Online-Duden wird umgeschrieben. Zu 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen soll jeweils ein zweiter hinzukommen. So stellt das Wörterbuch künftig den "Mieter" nicht mehr als "jemand, der etwas gemietet hat" vor. Vielmehr gilt er nun als "männliche Person, die etwas gemietet hat". Entsprechend lautet die Bedeutung von "Mieterin" in Zukunft "weibliche Person, die etwas gemietet hat".
Auf einer Ausgabe des Duden formen Buchstaben das Wort Gender mit einem Gendersternchen am Ende.
Gendern im Journalismus
Die Diskussion über geschlechtergerechte Sprache gibt es seit Jahrzehnten. Inzwischen ist es in vielen Redaktionen normal, nicht immer allein auf die männliche Formulierung zurückzugreifen. Trotzdem ist das generische Maskulinum immer noch deutlich überrepräsentiert – nicht selten aus profanen Gründen.

Das generische Maskulinum verschwindet

Bisher wurde unter "Mieterin" auf die männliche Form verwiesen. Das Wort "Mieter" stand für das generische Maskulinum, das alle Geschlechter umfasst. Jetzt aber schafft die Duden-Redaktion – zumindest in der Online-Ausgabe ihres Wörterbuchs – das generische Maskulinum faktisch ab, also die maskuline Form, die traditionell als geschlechtsneutral verwendet wird. Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der Duden-Wörterbuchredaktion beschreibt den Wandel so:
"Wir sehen in der Kernbedeutung tatsächlich die Beschreibung eines Geschlechts und zwar in der Symmetrie zur weiblichen Bezeichnung. Das heißt nicht, dass wir leugnen, dass es stärker generische Verwendungen gibt im Sinne von ‚zum Arzt gehen‘ oder ‚die Ärzte dieses Krankenhauses operieren‘. Wobei wir letzteren Fall schon für kompliziert halten, weil man dann eben tatsächlich nicht genau weiß: Sind da auch Frauen beteiligt oder nicht?"

Kritikerin: Duden missbraucht Deutungshoheit

Im Laufe dieses Jahres will die Duden-Redaktion das gesamte Online-Wörterbuch überarbeiten und damit das generische Maskulinum faktisch verschwinden lassen. Dagegen regt sich Widerstand unter Linguisten. Die Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski von der Freien Universität Bozen meint:
"Das generische Maskulinum gehört einfach zur deutschen Sprache dazu. Von daher finde ich diese Neudefinition ziemlich problematisch."
In einem aufgerissenem Papierloch, ist ein weisses Gendersternchen auf schwarzem Grund zu sehen.
Gendern im Radio – Muss das sein?
Wieso sprechen einige im Deutschlandfunk das Gendersternchen und andere nicht? Wie diskutieren die Redaktionen? Wie finden es die Hörer*innen? Eine Diskussion über journalistisches Arbeiten und sprachlichen Anspruch.
Der Duden missbrauche seine Deutungs-und Definitionshoheit über die deutsche Sprache, meint Trutkowski, er propagiere eine einseitige Sichtweise im Streit um die Geschlechtergerechtigkeit in der deutschen Sprache. Dem hält die Duden-Chefredakteurin entgegen: "Wir positionieren uns hier überhaupt nicht einseitig. Wir konkretisieren unsere Einträge im Online-Wörterbuch für männliche und weibliche Personenbezeichnungen."

Deutsch lernen wird schwieriger

Man wolle die generische Verwendung des Maskulinums nicht bestreiten, lässt die Duden-Redaktion verlauten. Sie sei aber "nicht Bestandteil der lexikographischen Kategorie Bedeutung". Anders gesagt: Das generische Maskulinum hat in einem Bedeutungswörterbuch keinen Platz. Auch dem widerspricht die Linguistin Trutkowski:
"Allerdings wird das generische Maskulinum nach wie vor in der Sprache verwendet. Gerade für Sprachlerner fände ich es auch sehr problematisch: Wenn die jetzt eine Bedeutung nachschauen würden im Online-Duden und dann sehen, dass es nur noch die spezifisch männliche Interpretation hat, dann entspricht das einfach nicht der Wahrheit." Ewa Trutkowski befürchtet, dass der Reform beim Online-Wörterbuch des Duden weitere Schritte folgen werden.
"Natürlich ist das jetzt ein Problem. Also man hat sich jetzt Definitionen erschaffen, die ausschließlich eine Binarität abbilden. Und jetzt muss man irgendwie handeln, um nichtbinäre Menschen auch mit ins Boot zu nehmen. Und ich kann mir vorstellen, dass jetzt das Sternchen kommt, mit der Begründung, dass nichtbinäre Menschen auch abgebildet werden müssen in der Sprache."

Kein Zwang zum Gendern

Noch ist es nicht so weit. Glaubt man Kathrin Kunkel-Razum von der Duden-Redaktion, dann wird das Sternchen nicht in den Duden-Rang erhoben. "Der Duden hat das Sternchen generell nicht eingeführt. Wir äußern uns zum Sternchen an verschiedenen Stellen und ansonsten plädiert Duden nach wie vor dafür, so wie wir das schon seit mehreren Jahren machen, alle Möglichkeiten geschlechtergerechter Sprache zu nutzen. Das empfehlen wir auch in den drei Ratgebern, die wir zu diesem Thema inzwischen aufgelegt haben, und da ist das Sternchen ja nur eine von vielen Varianten."
Das Festhalten am generischen Maskulinum würde 12.000 zusätzliche Wörterbuchartikel überflüssig machen und den Lesern das Sternchen ersparen. Um der Gender-Verwirrung und der Sexualisierung der deutschen Sprache zu entgehen, hält die Bozener Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski nach wie vor am generischen Maskulinum fest.