"Ich heiße Uta Brandes und war lange Professorin für Gender und Design."
20 Jahre, von 1995 an, unterrichtete die Designtheoretikerin an der Köln International School of Design. Schlechtes Design, geschlechterspezifisches Design, sexistisches Design begleiten die heute 70-jährige, agile Frau mit dem feuerroten Haar schon ihr ganzes Leben.
"Jeden Tag gehe ich an hundert Plakaten vorbei und Werbesachen, die wirklich sexistisch oder einfach doof sind und dieses alte Stereotyp transportieren, was Frauen machen - die machen was mit Kindern oder auf dem Spielplatz - und Männer machen Hightech, Nasa. Ich finde das erstaunlich, das heute 2019 doch noch so viele Stereotype verbreitet sind."
Hinterfragen von Geschlechterrollen
Gendersensibles Design hinterfragt die Unterscheidung nach Geschlecht und die damit verbundenen Rollenklischees. Den rosafarbenen, abgerundeten – und übrigens teureren - Nassrasierer für Frauen und sein schwarzes, kantiges Gegenstück für Männer zum Beispiel.
Uta Brandes: "Idealtypisch ist gendersensibles Design eines, das für möglichst viele Menschen, unabhängig ob Männer oder Frauen, unabhängig von ihren Präferenzen und sexuellen Erfahrungen - das möglichst alle sehr gut gebrauchen können und was für alle gut ist. Oder was so offen gestaltet ist, dass man sich das individualisieren kann, dass ich es mir so machen kann, dass es für mich gut funktioniert."
Netzwerk von Kreativen und Designern
Als Vorsitzende des International Gender Design Networks, einem weltweiten Netzwerk von Kreativen, das sich für Design jenseits von Geschlechterkategorien stark macht, vergibt Uta Brandes seit drei Jahren Preise für gekonntes Produkt- und Kommunikationsdesign, das vollkommen auf Gender Codes verzichtet beziehungsweise mit ihnen spielt und sie damit hinterfragt.
Unter den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern ist die niederländische Designerin und Architektin Gabriel Maher. Gabriel Maher lehnt die Bezeichnung "sie" oder "er" für sich ab, sondern benutzt lieber das englische Plural-Sie: "They". "They" hat unter anderem mit Modeentwürfen überzeugt, die keinem biologischen Geschlecht zugeordnet werden: Schnörkellose schwarz-weiße geometrisch anmutende Oberteile und Hosen.
Zuspruch auch in der arabischen Welt
Schwieriger als in westlich orientierten Länder ist es, in der arabischen Region potentielle Preisträgerinnen und Preisträger zu finden, aber nicht unmöglich:
"Ich heiße Seba Ali, bin Pianistin, lehrende Künstlerin und Assistant Professor an der libanesisch-amerikanischen Universität."
Die Mittdreißigerin wagte vor zwei Jahren etwas, was es im Libanon so noch nie zuvor gegeben hatte: Sie organisierte eine Modenschau für Schwule, Lesben und Transmenschen in Beirut: Über den Laufsteg liefen Männer in Pumps und roten Umhängen.
Seba Alis Engagement in einem Land, in dem Homosexualität vor fünf Jahren noch unter Strafe stand, hatte weitreichende Folgen, positiv wie negativ, wie sie sagt: "Ich war drauf und dran, meinen Job zu verlieren. Unsere Fotos wurden aus dem Internet genommen - zwei Wochen lang Terror. Und nun gibt es Workshops und Drag-Shows an der Universität. Das war damals der Durchbruch für die LGBTQ-Community."
Teilweise reaktionäres Verhalten in Europa
Es ist der große Gewinn des Internationalen Gender Design Netzwerks, dass es Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenbringt. Doch während sich der Libanon in Zeiten politischer Proteste gesellschaftlich zu öffnen scheint, werden – kurioserweise - im vermeintlich "aufgeklärten" Europa die Stimmen gegen gendersensibles Design zunehmend lauter.
Das spürt auch Uta Brandes: "Immer wenn etwas stärker wird und sich mehr Gehör in der Gesellschaft verschafft, gibt es sehr gerne und leider die Gegenbewegung dazu. Das hat auch mit politischen Einschätzungen zu tun. Das heißt also, es gibt viele Leute, die das als Blödsinn empfinden, so dass man dann auch diese Hasskommentare kriegt. Das betrifft ja nicht nur Design und Geschlechterverhältnisse. Aber im Design ist das auch zu merken."