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Gene auf Eis

Medizin. - Bio- Banken, in denen Blut- oder Gewebeproben mit der Gesundheitsgeschichte der Spender verknüpft werden, sind für die zukünftige medizinische Forschung unverzichtbar. Darüber war man sich auf der Regensburger Tagung "Bio-Banking" einig. Auch darüber, dass die molekular-genetische Forschung schon heute einen großen Hunger nach Daten hat. Egal, ob sie als Grundlagenforschung an den Universitäten betrieben wird oder anwendungsbezogen von der Pharma- und Diagnostikindustrie.

Von Eva Schindele | 16.08.2004
    Gert Schmitz, Professor für Labormedizin an der Universität Regensburg möchte die bereits vorhandenen Datenressourcen bündeln.

    Es laufen an vielen Orten klinische Studien ab und wir werden versuchen zu helfen, diese Studien zu standardisieren, so dass man hinterher durch Poolingstrategien Materialien zusammenführen kann. Das Problem ist, dass wir ausreichend große Gruppen von Patienten zusammenbekommen und die lassen sich nicht mehr alleine aus einer Studie zusammenführen, sondern die müssen durch Infoaustausch anonymisierter Daten gepoolt werden, so dass man biostatistische Daten-Analysen anwenden kann, denn die sind erforderlich um die Härte eines Tests herauszufinden, inwieweit ein Test nutzt und nicht nur das Gesundheitssystem mit Kosten belastet.
    Große Zahlen sind wichtig, um statistisch verlässliche Aussagen über den Nutzen einer Therapie oder eines diagnostischen Tests zu bekommen. Bis vor kurzem wurden große Hoffnungen an sogenannte populationsgenetische Studien geknüpft. Länder wie Großbritannien, Estland oder Island initiierten eigene Biobanken mit mehr als 100.000 Probanden. Doch schnelle Erfolge blieben bis jetzt aus. Die Goldgräber-Stimmung hat einen Dämpfer erfahren. Peter Oefner, Vize-Präsident des DNA-Technologie Zentrums an der amerikanischen Stanford University:

    Die Hoffnungen haben sich zum Teil nicht bewahrheitet, weil falsch gesammelt wurde. Seren lagen viel zu lange herum und man weiß, dass gewisse Proteine innerhalb von Minuten nach der Abnahme bei Raumtemperatur durch Enzyme im Blut sofort abgebaut werden. Wenn man nicht das Abnehmen und Lagern der Proben standardisiert, dann bekommt man Messwerte, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen.

    Der Stanford-Professor Oefner spricht von einer Lernkurve. DNA zu isolieren und analysieren reiche einfach nicht aus. Vielmehr müsse der Bezug zwischen dem genetischen Code und den Proteinen und Stoffwechselmustern hergestellt werden, um überhaupt zu wissenschaftlichen Aussagen zu kommen. Erst jetzt sei das "Bio-Banking" technisch ausgereift: Mit Hilfe der Robottechnologie lassen sich Blut- oder Gewebeproben inzwischen bessern lagern. Ausgefeilte Computer- Programme können mittlerweile auch große Datenmengen sinnvoll managen. Es wurden Chiffrier-Systeme entwickelt, die die persönlichen Daten der Spender verschlüsseln und wieder entschlüsseln können. Zudem sind in den letzten zwei Jahren die Kosten für Analyse-Kits drastisch gesunken.

    Wir brauchen hochwertige Proben, um Biomarker, das heißt Zielmoleküle für neue Diagnostika zu finden und so die individualisierte Medizin weiter voranzutreiben,

    sagt Tom Metclafe, Bio Chemiker bei La Roche, Abteilung Molekulare Diagnostik mit Sitz in den USA. Die enge Zusammenarbeit mit der Industrie ist von den Regensburger Initiatoren der Tagung gewünscht. Zum Beispiel in dem noch jungen Forschungsgebiet "Theragnostics", eine neue Wortschöpfung, gebildet aus den Worten "Therapie" und "Diagnostik". Dahinter steht die Vision einer individualisierten Medizin. Biochemische Tests sollen bereits vor der Medikamentengabe herausfinden, ob der Kranke überhaupt auf das Arzneimittel anspricht oder nicht.

    Wenn man hier Diagnostikindustrie und Pharmaindustrie Therapie näher zusammenbringen könnte und klinische Studien in solchen Zentren verstärkt finanzieren, dann würde sich eine Symbiose aus Industrieseite her ergeben. Und wenn das in Interaktion mit der Universität geschieht, würde das sehr kostengünstige Einflüsse auf die Forschung haben und den Staat damit entlasten. Da müssen Ängste abgebaut werden.

    Die Empfehlungen des Nationalen Ethikrates zu Biobanken könnten dabei helfen. Sie steckten den ethischen Rahmen ab, so Schmitz, und gäben Wissenschaftlern und Industrie mehr Planungssicherheit. Das begrüßten die Tagungsteilnehmer ausdrücklich. Dem Labormediziner Schmitz schwebt eine "Stiftung Biobank" vor. Damit will er auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Schließlich bleibt ohne die Spendebereitschaft der Bürger und Bürgerinnen das Unternehmen "Bio-Banking" eine Fiktion.