"Atomkraft - nein danke!" Wie jeden Montagabend hängt das gelbe Banner mit der lachenden roten Sonne von Weitem sichtbar am Elisenbrunnen in der Aachener Innenstadt. Einige Hundert Demonstranten haben sich an der Rotunde des Schinkel-Baus in der Fußgängerzone versammelt. Auf den Stufen am Eingang steht ein Mikrofon, davor Lautsprecherboxen. Der Vorsitzende der Aachener Greenpeace-Gruppe begrüßt die Anwesenden und bittet um eine Schweigeminute für die Opfer in Japan. Dann informiert er das Publikum über die geplanten Aktionen der kommenden Wochen. Seit dem Unfall von Fukushima haben die Mahnwachen in der Fußgängerzone ungewohnten Zulauf: Geschäftsleute in dunklen Anzügen stehen neben Schülergruppen - auch in Aachen gehen längst nicht mehr nur alteingesessene Ökos gegen Atomkraft auf die Straße. Die jüngsten Teilnehmer sind gerade mal zehn Jahre alt: Paul und Leon, zwei schmächtige Jungen mit braunen Haaren stehen vorn in der ersten Reihe und zeigen stolz ihr selbst gemaltes Schild. Darauf eine Zeichnung von Asterix und Obelix mit einer großen Sprechblase: "Die spinnen, die Für-Atomkraftpolitiker!"
"Wir gehen jetzt öfters, jeden Montag halt hierher. Jeden Montag ist hier die Demo, und dann gehen wir halt öfters hierhin. Also eigentlich jeden Montag."
Als der Greenpeace-Sprecher zu einem langatmigen Vortrag über die aktuelle Entwicklung in Fukushima ansetzt, hören die beiden Viertklässler aufmerksam zu. Sie sind ohne ihre Eltern hier - das Thema ist uns einfach wichtig, sagt Paul mit ernster Miene.
"Das ist halt Gefahr mit der radioaktiven Verstrahlung, und in Tschernobyl und auch in Fukushima in Japan ist das passiert, und man kann es hier noch verhindern."
"Man sollte mitmachen."
"Ja, man sollte mitmachen."
Paul und Leon sind keine ungewöhnliche Ausnahme für Kinder ihres Alters. Dies belegt die Shell-Jugendstudie, in der seit 1953 alle vier Jahre Jugendliche nach ihrer Meinung zu verschiedenen Themen befragt werden. Die Schreckensmeldungen aus Fukushima treffen schon bei Viertklässlern einen empfindlichen Nerv, meint Klaus Hurrelmann, der Leiter der Shell-Studie:
"Das ist ein Thema, das sie, natürlich ältere auch, aber sie noch stärker, emotional in ihrem Gefühl von existenzieller Unsicherheit berührt. Deswegen treibt das junge Menschen sehr um. Schon bei den ganz Kleinen im Kindergartenalter, vor allem im Grundschulalter beginnt diese innere starke Auseinandersetzung. Ich werte das als sehr starkes Zeichen, dass hier eine Nachricht richtig durchgeschlagen hat."
Wie sehr das Unglück in Fukushima Jugendliche mobilisiert, zeigt sich jeden Montagabend auch am Elisenbrunnen in Aachen. Mehr als die Hälfte der Demonstranten ist jünger als 25 Jahre - ein Phänomen, das sich nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin derzeit in ganz Deutschland beobachten lässt:
"Wenn ich das vergleiche mit Demonstrationen vor zwei Jahren. Dort war im Wesentlichen die Generation präsent, die mit der Atomfrage in den 80er-Jahren sozialisiert worden ist und die manchmal ihre Enkelkinder mitbrachten. In der Gegenwart kann man sehen, das sind ausgesprochen viele Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren. Es betrifft ja die Zukunft dieser Bevölkerungsgruppe weitaus stärker als jene, die sagen: Na gut, es ist für uns ein Problem, das relevant ist, das uns politisch sozialisiert hat, das für uns auch nicht an Bedeutung verliert, aber dessen Zukunftsdimension eine geringere ist."
Am Aachener Elisenbrunnen steht eine Gruppe Neuntklässler, ausgerüstet mit Hupen und Sirenen, die sie nach jeder Rede einschalten. Der 15-jährige Jonas Breuer hält eine rot blinkende Warnleuchte hoch. "Wir machen Atomalarm", sagt er stolz:
"Wir demonstrieren hier jede Woche und fahren auch mal zu der Großdemonstration nach Köln am Samstag. Hier machen wir diesen Atomalarm und versuchen ein Zeichen dagegen zu setzen."
Mit ernsten Gesichtern hören die Jugendlichen den erwachsenen Rednern zu. Dabei verteilen sie Flugblätter mit dem Aufruf zu bundesweiten Demonstrationen am Ostermontag unter den Passanten. Einen Tag später, am 26. April, jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal. Aus den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung scheint durch das Unglück in Fukushima in diesem Jahr eine große Protestveranstaltung gegen Atomkraft zu werden. "Natürlich gehen wir dagegen auf die Straße", sagt Jonas Breuer. Er engagiert sich nicht erst seit dem Unfall in Japan gegen Atomkraft - die Debatte um die Laufzeitverlängerung in Deutschland weckte bei ihm das Interesse an Politik.
"Ich habe vor Weihnachten angefangen. Ein Nachbar organisiert das hier mit, und der hat mich angesprochen. Und dann habe ich halt immer mal wieder mitgemacht. Und dann haben wir auch wöchentlich so Aktionen gemacht, die dann aufgehört haben. Ich engagiere mich seither für das Thema, und Fukushima hat den Widerstand wieder aufleben lassen."
Für Jugendliche in dieser Altersgruppe hat das Thema Umwelt generell einen hohen Stellenwert. Seit zehn Jahren steht es an zweiter Stelle nach der Sorge um einen Arbeitsplatz, davor stand es lange Zeit auf Platz eins. In der Shell-Jugendstudie von 2010 fragten die Forscher insbesondere nach der Bedeutung des Klimawandels, der zu dieser Zeit die Schlagzeilen beherrschte. 76 Prozent der befragten 12- bis 25-Jährigen hielten diese Entwicklung für ein großes bis sehr großes Problem.
"Zwei von drei Jugendlichen sehen durch das sich verändernde Klima die Existenz der Menschheit bedroht. Ein Teil der Jugendlichen zieht inzwischen persönliche Konsequenzen und achtet auf ein umweltbewusstes Verhalten. Immerhin jeder Zweite spart im Alltag bewusst Energie, 44 Prozent versuchen, häufiger mit dem Fahrrad zu fahren und das Auto stehen zu lassen. Besonders klimakritische junge Leute engagieren sich darüber hinaus zunehmend für den Umweltschutz."
Nach Atomkraft wurde im vergangenen Jahr nicht gezielt gefragt - die Studie wurde im September veröffentlicht, da hatte die Debatte über eine Laufzeitverlängerung in Deutschland gerade erst begonnen. Im gleichen Monat einigte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung mit den Energiekonzernen darauf, die Kernkraftwerke im Durchschnitt zwölf Jahre länger als geplant am Netz zu lassen - das Thema war auch für die junge Generation plötzlich aktuell. Das Unglück in Fukushima wurde dann bei vielen Jugendlichen zum Schlüsselerlebnis. Von einer neuen Jugendbewegung oder gar einer "Generation Fukushima" möchte Klaus Hurrelmann allerdings im Moment noch nicht sprechen.
"Ein Ereignis wie jetzt das Atomkraftunglück in Japan bestätigt junge Leute darin, dass das Thema Umwelt so bedeutsam, so existenziell für sie ist. So könnte es sein, dass es über diese Mischung - Umweltthemen, die immer schon als bedeutsam galten, plus Aktualisierung durch ein Unglück und die Diskussion jetzt hier auch in Deutschland - doch einen kräftigen Schub zu einem stärkeren politischen Engagement der jungen Leute kommt. So könnte es sein, dass daraus vielleicht nicht eine neue Bewegung aber eine Strömung wird. Noch wissen wir es nicht, ich halte es aber für möglich."
7. Klasse Schiller-Gymnasium: "Wir haben ja letzten Freitag schon ein bisschen über das Thema geredet. Überlegt mal: Was fällt euch denn noch ein zu Fukushima? Was ist denn da passiert?"
Christina Erbar klappt das Klassenbuch zu - die letzten 15 Minuten der Chemiestunde in der 7A am Kölner Schiller-Gymnasium will die Lehrerin für eine aktuelle Diskussion über Atomkraft nutzen. In der vergangenen Woche hat sie mit den Schülern schon einmal über das Unglück in Fukushima gesprochen. Nun will sie wissen, was hängen geblieben ist. Sofort gehen mehrere Arme hoch.
"Paul."
"Da war ja dieses Erdbeben und darauffolgend ein Tsunami. Dann gab es ein Reaktorunglück, bei dem dann dieses Kraftwerk beschädigt wurde, wodurch dort jetzt Radioaktivität austritt."
"Paul-Can."
"Diese Radioaktivität vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute irgendwie Krebs kriegen oder krank werden, und das ist halt irgendwie nicht gut."
"Ich finde es ja ein bisschen komisch, dass es in Japan keine besseren Sicherheitsvorschriften gibt. Es ist ja ein erdbebengefährdetes Land. Deswegen sollte es da ja eigentlich besser gesichert sein."
Die Lehrerin nickt anerkennend - sie ist immer wieder erstaunt darüber, wie gut die 13- bis 14-Jährigen über die Ereignisse in Japan Bescheid wissen. Deswegen hat Christina Erbar in der vergangenen Woche auch lieber gleich die Unterschiede zwischen verschiedenen Reaktortypen erörtert, die aktuelle Debatte über die Ursachen und Folgen des Erdbebens in Japan verfolgen die Kinder von sich aus. Die 13-jährige Merit W. sieht jeden Abend die Tagesschau, ihr Banknachbar Lukas Rüger liest "Spiegel online".
"Es wurde ja gesagt, dass das Kraftwerk bis zu einem Erdbeben von 8,0 sicher war, aber das Erdbeben ungefähr bei 9,0 lag. Das ist dann natürlich schlecht."
"Es ist halt dadurch sehr gefährlich, dass diese Kernschmelze stattgefunden hat. Wenn die radioaktiven Stoffe ins Grundwasser gelangen, ist dort sehr viel Radioaktivität."
Dass eine Reporterin im Klassenzimmer ist und sie in ein Radiomikrofon sprechen sollen, scheint die Schüler nicht zu irritieren. Während der gesamten Debatte über 15 Minuten bringen sie keinen einzigen Aspekt doppelt vor - fast alle 29 melden sich mehrfach und tauschen sich über die Gefahren der Kernenergie aus - auf einem Niveau, das vielleicht manches Hauptseminar an Universitäten in den Schatten stellen könnte.
"Soweit ich weiß, kostet der Ökostrom nur fünf Euro mehr im Monat, und ich finde, das ist es wert. Es gibt genug Wind und Wasser auf dieser Erde, um diesen Strom zu produzieren."
"Ich bin auch dagegen, dass Atomkraftwerke laufen, weil man weiß ja nicht, wo der Müll hinkommt. Je länger man das macht, desto mehr Müll hat man. Das ist nicht gut, weil man halt nicht weiß, wie lange der radioaktiv bleibt."
"Wir haben ja auch in Deutschland schon Fehler begangen. Wir haben zum Beispiel in der Asse Radioaktivität abgelagert, und da dringt jetzt Wasser ein. Das kann jetzt für uns auch schon gefährlich werden irgendwann."
Die Meinung der Klasse 7A am Schiller-Gymnasium ist eindeutig: Als die Lehrerin die Schüler am Ende der Stunde über die Zukunft der Kernenergie abstimmen lässt, sind alle 29 für einen sofortigen Ausstieg. Wer mit diesen Kindern über Atomkraft spricht, gewinnt den Eindruck, dass man sich um die Zukunft unseres Landes keine Sorgen zu machen braucht. Hier sitzen die mündigen, extrem gut informierten Vertreter einer Generation, die sich einmischen und mit diskutieren will. Doch es bleibt die Frage, wie repräsentativ eine solche Musterklasse an einem Gymnasium in der Kölner Innenstadt am Ende ist.
Ein paar Tage später, einige Kilometer weiter - auch eine Kölner Schule, dieselbe Altersgruppe: Die siebte Klasse von Mara Floßbach an der Borsig-Hauptschule im Stadtteil Ehrenfeld. Mara Floßbach mahnt ihre Schüler zur Ruhe - auf dem Stundenplan steht Sozialunterricht. Die Lehrerin nutzt diese Zeit gern, um mit den Kindern diskutieren zu üben. Da die Reporterin wissen will, was Jugendliche von Atomkraft halten, gibt Mara Floßbach das Thema Fukushima vor. Die Klasse ist sofort ruhig, gespannte Stille macht sich breit. Doch keiner will zuerst dran sein - das Mikrofon verunsichert sie. Hinzu kommt für rund die Hälfte der Klasse das Problem, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Da ist es doppelt schwer, ein Radiointerview zu geben, wenn man das noch nie gemacht hat. Der Vorschlag der Lehrerin: Die Schüler bilden einen Stuhlkreis, jeder ist der Reihe nach dran. Die Lehrerin stellt sich hinter das Mädchen, das zuerst dran kommen soll, streicht ihm behutsam über den Rücken.
"Du kannst ja einfach sagen: Ich heiße..., für mich ist Fukushima ein Thema oder kein Thema. Das ist einfach so ein Raster, wie Du antworten kannst. Ganz in Ruhe ..."
So recht klappen will es trotzdem nicht, nach gutem Zureden sagt die Schülerin immerhin, dass das Thema sie nicht interessiert. Danach tauen ihre Klassenkameraden ein wenig auf.
"Mein Name ist Nico G., mich interessiert es nicht, weil es so weit weg ist."
"Ich heiße Jürgen L., mich interessiert Fukushima nicht."
"Ich heiße Sarah M., ich bin 13 Jahre alt und mich interessiert das wegen den Menschen, weil sie krank werden durch die Radioaktivität."
Nach und nach trauen sich auch andere Schüler. Zögerlich und verschämt suchen sie Argumente - dabei wird klar, dass sie doch einiges über den Atomunfall wissen. Nur wirken sie, als seien sie es nicht gewohnt, nach ihrer Meinung zu einem aktuellen Thema gefragt zu werden und Argumente vorzubringen.
"Ich heiße Denis K., bin 14 Jahre alt und mich interessiert Fukushima sehr, weil das ja auch Deutschland betrifft."
"Ich heiße Albice G., bin 14 Jahre alt. Mich interessiert das Thema Fukushima, weil sich die Radioaktivität nach Tokio verbreiten kann und dann können auch viele Menschen sterben."
Mara Floßbach hat die Ereignisse in Japan in der vergangenen Woche schon einmal angesprochen. Das Ergebnis dabei war ähnlich - für die Schüler sei das Thema einfach sehr weit weg.
"Es ist einfach momentan ein wichtiges Thema, weil es ja auch Auswirkungen auf uns hat, auf die Atompolitik in Deutschland, die Demonstrationen. Aber für die Kinder - hört man ja. Es ist nicht so nah, es betrifft sie nicht direkt, und deswegen ist es für sie schlecht vorstellbar."
Ein ähnliches Bild zeigt sich nach Einschätzung von Schulleiterin Angelika Griesinger auch in den höheren Klassen. Auch sie hat das Thema in den vergangenen Wochen wiederholt mit Schülern besprochen, doch die Resonanz war gering. Kein Wunder, sagt Angelika Griesinger ein wenig resigniert.
"Wir sind natürlich wie jede Hauptschule so eine Art Brennpunktschule. Wir haben über 70 Prozent Hartz-IV-Empfänger an der Schule, ich glaube, das sagt alles. Das Einzugsgebiet ist Ossendorf, Bickendorf. Das sind auch schwierige Stadtviertel Kölns. Das ist schon unser Klientel dann."
Der Umgang mit dem Atomunglück in Japan an zwei Kölner Schulen verdeutlicht beinahe klischeehaft einen deutschlandweiten Trend, den die Shell-Jugendstudie aufgezeigt hat: Die Kluft zwischen Gymnasiasten und Hauptschülern in Umweltfragen wächst. Auf der einen Seite eine gut informierte Elite, die engagiert über Atomenergie diskutiert. Auf der anderen Seite verunsicherte junge Menschen, die sich vor allem um die eigene ungewisse Zukunft sorgen, sagt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann.
"Die gut gebildeten setzen sich intensiver, vor allem fachlich intensiver, mit diesem Thema auseinander. Bildungsunterschiede sind heute so richtig starke Unterscheider im politischen Engagement, im Informationsverhalten und auch in der Engagementbereitschaft. Je besser ich gebildet bin, desto eher traue ich mir zu, mich auch einzumischen, desto eher gehe ich zu einer Demonstration, desto eher unterschreibe ich auch mal eine Petition oder betätige mich im Internet in einem Forum oder dergleichen mehr."
Insgesamt ist das Interesse der Jugendlichen an Politik in den vergangenen acht Jahren allerdings leicht gestiegen: Bei den 12- bis 14-Jährigen von 11 auf mittlerweile 21 Prozent, bei den 15- bis 17-Jährigen von 20 Prozent auf 33 Prozent. Am Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen hat sich dagegen wenig geändert: Ganz vorn liegen die Polizei, Gerichte, die Bundeswehr und Umweltschutzgruppen. Schlecht schneiden dagegen die Bundesregierung und die Parteien ab. Das schlägt sich auch im Engagement in politischen Parteien nieder - gerade mal anderthalb Prozent sind Mitglied in der Jugendorganisation einer Partei. Die Einzigen, die einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen haben, sind die Jungen Grünen. Eine von ihnen ist die 17-jährige Gymnasiastin Judith Rothe aus Köln, sie ist schon seit drei Jahren dabei.
"Die Grüne Jugend ist eine supergute Möglichkeit, um sich selber politisch weiterzubilden, um sich eine Meinung zu bilden, um wirklich aktiv zu sein und was zu tun und nicht zuzusehen, wie irgendwelche Sachen passieren, die einem nicht gefallen, ob das jetzt Atomkraft ist oder Tiermisshandlung. Das ist einfach eine super Möglichkeit, um sich ein bisschen zu engagieren."
Die Mehrheit ihrer Altersgenossen sieht das allerdings anders. Sie halten nicht viel von herkömmlichen Formen politischer Beteiligung. Dies zeigt sich auch bei der Wahlbeteiligung, erläutert der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer:
"Bei der letzten Bundestagswahl war der Anteil der jugendlichen Wähler sieben Prozent geringer als der Durchschnitt. Trotz einer allgemein festgestellten Politik- und Parteienverdrossenheit sind die Jugendlichen durchaus bereit, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen, aber das sind eher nonkonforme Politikformen wie Unterschriftenaktionen. Da machen über Dreiviertel der Leute mit, bei Demonstrationen sind es schon weniger als die Hälfte. Es ist immer wichtig: Sie müssen sich betroffen fühlen, um sich überhaupt zu engagieren."
Die wöchentliche Mahnwache gegen Atomkraft am Aachener Elisenbrunnen ist für heute beendet. Die Neuntklässler packen ihre Sirenen und Trommeln ein. Paul und Leon, die beiden Zehnjährigen, schultern ihre selbst gebastelten Plakate und gehen zum Bus. Aber spätestens am Ostermontag wollen Leon und Paul wieder am Elisenbrunnen stehen, um ihrem Unmut über die Politik Luft zu machen.
"Im Moment - katastrophal, die schwarz-gelbe Regierung."
" "Die wollten halt jetzt sperren, die Atomkraftwerke, damit die in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg denken: Ach ja, die wollen ja was, dann machen sie's doch wieder. Also Wischiwaschi, sage ich da nur. "
"Wir gehen jetzt öfters, jeden Montag halt hierher. Jeden Montag ist hier die Demo, und dann gehen wir halt öfters hierhin. Also eigentlich jeden Montag."
Als der Greenpeace-Sprecher zu einem langatmigen Vortrag über die aktuelle Entwicklung in Fukushima ansetzt, hören die beiden Viertklässler aufmerksam zu. Sie sind ohne ihre Eltern hier - das Thema ist uns einfach wichtig, sagt Paul mit ernster Miene.
"Das ist halt Gefahr mit der radioaktiven Verstrahlung, und in Tschernobyl und auch in Fukushima in Japan ist das passiert, und man kann es hier noch verhindern."
"Man sollte mitmachen."
"Ja, man sollte mitmachen."
Paul und Leon sind keine ungewöhnliche Ausnahme für Kinder ihres Alters. Dies belegt die Shell-Jugendstudie, in der seit 1953 alle vier Jahre Jugendliche nach ihrer Meinung zu verschiedenen Themen befragt werden. Die Schreckensmeldungen aus Fukushima treffen schon bei Viertklässlern einen empfindlichen Nerv, meint Klaus Hurrelmann, der Leiter der Shell-Studie:
"Das ist ein Thema, das sie, natürlich ältere auch, aber sie noch stärker, emotional in ihrem Gefühl von existenzieller Unsicherheit berührt. Deswegen treibt das junge Menschen sehr um. Schon bei den ganz Kleinen im Kindergartenalter, vor allem im Grundschulalter beginnt diese innere starke Auseinandersetzung. Ich werte das als sehr starkes Zeichen, dass hier eine Nachricht richtig durchgeschlagen hat."
Wie sehr das Unglück in Fukushima Jugendliche mobilisiert, zeigt sich jeden Montagabend auch am Elisenbrunnen in Aachen. Mehr als die Hälfte der Demonstranten ist jünger als 25 Jahre - ein Phänomen, das sich nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin derzeit in ganz Deutschland beobachten lässt:
"Wenn ich das vergleiche mit Demonstrationen vor zwei Jahren. Dort war im Wesentlichen die Generation präsent, die mit der Atomfrage in den 80er-Jahren sozialisiert worden ist und die manchmal ihre Enkelkinder mitbrachten. In der Gegenwart kann man sehen, das sind ausgesprochen viele Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren. Es betrifft ja die Zukunft dieser Bevölkerungsgruppe weitaus stärker als jene, die sagen: Na gut, es ist für uns ein Problem, das relevant ist, das uns politisch sozialisiert hat, das für uns auch nicht an Bedeutung verliert, aber dessen Zukunftsdimension eine geringere ist."
Am Aachener Elisenbrunnen steht eine Gruppe Neuntklässler, ausgerüstet mit Hupen und Sirenen, die sie nach jeder Rede einschalten. Der 15-jährige Jonas Breuer hält eine rot blinkende Warnleuchte hoch. "Wir machen Atomalarm", sagt er stolz:
"Wir demonstrieren hier jede Woche und fahren auch mal zu der Großdemonstration nach Köln am Samstag. Hier machen wir diesen Atomalarm und versuchen ein Zeichen dagegen zu setzen."
Mit ernsten Gesichtern hören die Jugendlichen den erwachsenen Rednern zu. Dabei verteilen sie Flugblätter mit dem Aufruf zu bundesweiten Demonstrationen am Ostermontag unter den Passanten. Einen Tag später, am 26. April, jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal. Aus den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung scheint durch das Unglück in Fukushima in diesem Jahr eine große Protestveranstaltung gegen Atomkraft zu werden. "Natürlich gehen wir dagegen auf die Straße", sagt Jonas Breuer. Er engagiert sich nicht erst seit dem Unfall in Japan gegen Atomkraft - die Debatte um die Laufzeitverlängerung in Deutschland weckte bei ihm das Interesse an Politik.
"Ich habe vor Weihnachten angefangen. Ein Nachbar organisiert das hier mit, und der hat mich angesprochen. Und dann habe ich halt immer mal wieder mitgemacht. Und dann haben wir auch wöchentlich so Aktionen gemacht, die dann aufgehört haben. Ich engagiere mich seither für das Thema, und Fukushima hat den Widerstand wieder aufleben lassen."
Für Jugendliche in dieser Altersgruppe hat das Thema Umwelt generell einen hohen Stellenwert. Seit zehn Jahren steht es an zweiter Stelle nach der Sorge um einen Arbeitsplatz, davor stand es lange Zeit auf Platz eins. In der Shell-Jugendstudie von 2010 fragten die Forscher insbesondere nach der Bedeutung des Klimawandels, der zu dieser Zeit die Schlagzeilen beherrschte. 76 Prozent der befragten 12- bis 25-Jährigen hielten diese Entwicklung für ein großes bis sehr großes Problem.
"Zwei von drei Jugendlichen sehen durch das sich verändernde Klima die Existenz der Menschheit bedroht. Ein Teil der Jugendlichen zieht inzwischen persönliche Konsequenzen und achtet auf ein umweltbewusstes Verhalten. Immerhin jeder Zweite spart im Alltag bewusst Energie, 44 Prozent versuchen, häufiger mit dem Fahrrad zu fahren und das Auto stehen zu lassen. Besonders klimakritische junge Leute engagieren sich darüber hinaus zunehmend für den Umweltschutz."
Nach Atomkraft wurde im vergangenen Jahr nicht gezielt gefragt - die Studie wurde im September veröffentlicht, da hatte die Debatte über eine Laufzeitverlängerung in Deutschland gerade erst begonnen. Im gleichen Monat einigte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung mit den Energiekonzernen darauf, die Kernkraftwerke im Durchschnitt zwölf Jahre länger als geplant am Netz zu lassen - das Thema war auch für die junge Generation plötzlich aktuell. Das Unglück in Fukushima wurde dann bei vielen Jugendlichen zum Schlüsselerlebnis. Von einer neuen Jugendbewegung oder gar einer "Generation Fukushima" möchte Klaus Hurrelmann allerdings im Moment noch nicht sprechen.
"Ein Ereignis wie jetzt das Atomkraftunglück in Japan bestätigt junge Leute darin, dass das Thema Umwelt so bedeutsam, so existenziell für sie ist. So könnte es sein, dass es über diese Mischung - Umweltthemen, die immer schon als bedeutsam galten, plus Aktualisierung durch ein Unglück und die Diskussion jetzt hier auch in Deutschland - doch einen kräftigen Schub zu einem stärkeren politischen Engagement der jungen Leute kommt. So könnte es sein, dass daraus vielleicht nicht eine neue Bewegung aber eine Strömung wird. Noch wissen wir es nicht, ich halte es aber für möglich."
7. Klasse Schiller-Gymnasium: "Wir haben ja letzten Freitag schon ein bisschen über das Thema geredet. Überlegt mal: Was fällt euch denn noch ein zu Fukushima? Was ist denn da passiert?"
Christina Erbar klappt das Klassenbuch zu - die letzten 15 Minuten der Chemiestunde in der 7A am Kölner Schiller-Gymnasium will die Lehrerin für eine aktuelle Diskussion über Atomkraft nutzen. In der vergangenen Woche hat sie mit den Schülern schon einmal über das Unglück in Fukushima gesprochen. Nun will sie wissen, was hängen geblieben ist. Sofort gehen mehrere Arme hoch.
"Paul."
"Da war ja dieses Erdbeben und darauffolgend ein Tsunami. Dann gab es ein Reaktorunglück, bei dem dann dieses Kraftwerk beschädigt wurde, wodurch dort jetzt Radioaktivität austritt."
"Paul-Can."
"Diese Radioaktivität vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute irgendwie Krebs kriegen oder krank werden, und das ist halt irgendwie nicht gut."
"Ich finde es ja ein bisschen komisch, dass es in Japan keine besseren Sicherheitsvorschriften gibt. Es ist ja ein erdbebengefährdetes Land. Deswegen sollte es da ja eigentlich besser gesichert sein."
Die Lehrerin nickt anerkennend - sie ist immer wieder erstaunt darüber, wie gut die 13- bis 14-Jährigen über die Ereignisse in Japan Bescheid wissen. Deswegen hat Christina Erbar in der vergangenen Woche auch lieber gleich die Unterschiede zwischen verschiedenen Reaktortypen erörtert, die aktuelle Debatte über die Ursachen und Folgen des Erdbebens in Japan verfolgen die Kinder von sich aus. Die 13-jährige Merit W. sieht jeden Abend die Tagesschau, ihr Banknachbar Lukas Rüger liest "Spiegel online".
"Es wurde ja gesagt, dass das Kraftwerk bis zu einem Erdbeben von 8,0 sicher war, aber das Erdbeben ungefähr bei 9,0 lag. Das ist dann natürlich schlecht."
"Es ist halt dadurch sehr gefährlich, dass diese Kernschmelze stattgefunden hat. Wenn die radioaktiven Stoffe ins Grundwasser gelangen, ist dort sehr viel Radioaktivität."
Dass eine Reporterin im Klassenzimmer ist und sie in ein Radiomikrofon sprechen sollen, scheint die Schüler nicht zu irritieren. Während der gesamten Debatte über 15 Minuten bringen sie keinen einzigen Aspekt doppelt vor - fast alle 29 melden sich mehrfach und tauschen sich über die Gefahren der Kernenergie aus - auf einem Niveau, das vielleicht manches Hauptseminar an Universitäten in den Schatten stellen könnte.
"Soweit ich weiß, kostet der Ökostrom nur fünf Euro mehr im Monat, und ich finde, das ist es wert. Es gibt genug Wind und Wasser auf dieser Erde, um diesen Strom zu produzieren."
"Ich bin auch dagegen, dass Atomkraftwerke laufen, weil man weiß ja nicht, wo der Müll hinkommt. Je länger man das macht, desto mehr Müll hat man. Das ist nicht gut, weil man halt nicht weiß, wie lange der radioaktiv bleibt."
"Wir haben ja auch in Deutschland schon Fehler begangen. Wir haben zum Beispiel in der Asse Radioaktivität abgelagert, und da dringt jetzt Wasser ein. Das kann jetzt für uns auch schon gefährlich werden irgendwann."
Die Meinung der Klasse 7A am Schiller-Gymnasium ist eindeutig: Als die Lehrerin die Schüler am Ende der Stunde über die Zukunft der Kernenergie abstimmen lässt, sind alle 29 für einen sofortigen Ausstieg. Wer mit diesen Kindern über Atomkraft spricht, gewinnt den Eindruck, dass man sich um die Zukunft unseres Landes keine Sorgen zu machen braucht. Hier sitzen die mündigen, extrem gut informierten Vertreter einer Generation, die sich einmischen und mit diskutieren will. Doch es bleibt die Frage, wie repräsentativ eine solche Musterklasse an einem Gymnasium in der Kölner Innenstadt am Ende ist.
Ein paar Tage später, einige Kilometer weiter - auch eine Kölner Schule, dieselbe Altersgruppe: Die siebte Klasse von Mara Floßbach an der Borsig-Hauptschule im Stadtteil Ehrenfeld. Mara Floßbach mahnt ihre Schüler zur Ruhe - auf dem Stundenplan steht Sozialunterricht. Die Lehrerin nutzt diese Zeit gern, um mit den Kindern diskutieren zu üben. Da die Reporterin wissen will, was Jugendliche von Atomkraft halten, gibt Mara Floßbach das Thema Fukushima vor. Die Klasse ist sofort ruhig, gespannte Stille macht sich breit. Doch keiner will zuerst dran sein - das Mikrofon verunsichert sie. Hinzu kommt für rund die Hälfte der Klasse das Problem, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Da ist es doppelt schwer, ein Radiointerview zu geben, wenn man das noch nie gemacht hat. Der Vorschlag der Lehrerin: Die Schüler bilden einen Stuhlkreis, jeder ist der Reihe nach dran. Die Lehrerin stellt sich hinter das Mädchen, das zuerst dran kommen soll, streicht ihm behutsam über den Rücken.
"Du kannst ja einfach sagen: Ich heiße..., für mich ist Fukushima ein Thema oder kein Thema. Das ist einfach so ein Raster, wie Du antworten kannst. Ganz in Ruhe ..."
So recht klappen will es trotzdem nicht, nach gutem Zureden sagt die Schülerin immerhin, dass das Thema sie nicht interessiert. Danach tauen ihre Klassenkameraden ein wenig auf.
"Mein Name ist Nico G., mich interessiert es nicht, weil es so weit weg ist."
"Ich heiße Jürgen L., mich interessiert Fukushima nicht."
"Ich heiße Sarah M., ich bin 13 Jahre alt und mich interessiert das wegen den Menschen, weil sie krank werden durch die Radioaktivität."
Nach und nach trauen sich auch andere Schüler. Zögerlich und verschämt suchen sie Argumente - dabei wird klar, dass sie doch einiges über den Atomunfall wissen. Nur wirken sie, als seien sie es nicht gewohnt, nach ihrer Meinung zu einem aktuellen Thema gefragt zu werden und Argumente vorzubringen.
"Ich heiße Denis K., bin 14 Jahre alt und mich interessiert Fukushima sehr, weil das ja auch Deutschland betrifft."
"Ich heiße Albice G., bin 14 Jahre alt. Mich interessiert das Thema Fukushima, weil sich die Radioaktivität nach Tokio verbreiten kann und dann können auch viele Menschen sterben."
Mara Floßbach hat die Ereignisse in Japan in der vergangenen Woche schon einmal angesprochen. Das Ergebnis dabei war ähnlich - für die Schüler sei das Thema einfach sehr weit weg.
"Es ist einfach momentan ein wichtiges Thema, weil es ja auch Auswirkungen auf uns hat, auf die Atompolitik in Deutschland, die Demonstrationen. Aber für die Kinder - hört man ja. Es ist nicht so nah, es betrifft sie nicht direkt, und deswegen ist es für sie schlecht vorstellbar."
Ein ähnliches Bild zeigt sich nach Einschätzung von Schulleiterin Angelika Griesinger auch in den höheren Klassen. Auch sie hat das Thema in den vergangenen Wochen wiederholt mit Schülern besprochen, doch die Resonanz war gering. Kein Wunder, sagt Angelika Griesinger ein wenig resigniert.
"Wir sind natürlich wie jede Hauptschule so eine Art Brennpunktschule. Wir haben über 70 Prozent Hartz-IV-Empfänger an der Schule, ich glaube, das sagt alles. Das Einzugsgebiet ist Ossendorf, Bickendorf. Das sind auch schwierige Stadtviertel Kölns. Das ist schon unser Klientel dann."
Der Umgang mit dem Atomunglück in Japan an zwei Kölner Schulen verdeutlicht beinahe klischeehaft einen deutschlandweiten Trend, den die Shell-Jugendstudie aufgezeigt hat: Die Kluft zwischen Gymnasiasten und Hauptschülern in Umweltfragen wächst. Auf der einen Seite eine gut informierte Elite, die engagiert über Atomenergie diskutiert. Auf der anderen Seite verunsicherte junge Menschen, die sich vor allem um die eigene ungewisse Zukunft sorgen, sagt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann.
"Die gut gebildeten setzen sich intensiver, vor allem fachlich intensiver, mit diesem Thema auseinander. Bildungsunterschiede sind heute so richtig starke Unterscheider im politischen Engagement, im Informationsverhalten und auch in der Engagementbereitschaft. Je besser ich gebildet bin, desto eher traue ich mir zu, mich auch einzumischen, desto eher gehe ich zu einer Demonstration, desto eher unterschreibe ich auch mal eine Petition oder betätige mich im Internet in einem Forum oder dergleichen mehr."
Insgesamt ist das Interesse der Jugendlichen an Politik in den vergangenen acht Jahren allerdings leicht gestiegen: Bei den 12- bis 14-Jährigen von 11 auf mittlerweile 21 Prozent, bei den 15- bis 17-Jährigen von 20 Prozent auf 33 Prozent. Am Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen hat sich dagegen wenig geändert: Ganz vorn liegen die Polizei, Gerichte, die Bundeswehr und Umweltschutzgruppen. Schlecht schneiden dagegen die Bundesregierung und die Parteien ab. Das schlägt sich auch im Engagement in politischen Parteien nieder - gerade mal anderthalb Prozent sind Mitglied in der Jugendorganisation einer Partei. Die Einzigen, die einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen haben, sind die Jungen Grünen. Eine von ihnen ist die 17-jährige Gymnasiastin Judith Rothe aus Köln, sie ist schon seit drei Jahren dabei.
"Die Grüne Jugend ist eine supergute Möglichkeit, um sich selber politisch weiterzubilden, um sich eine Meinung zu bilden, um wirklich aktiv zu sein und was zu tun und nicht zuzusehen, wie irgendwelche Sachen passieren, die einem nicht gefallen, ob das jetzt Atomkraft ist oder Tiermisshandlung. Das ist einfach eine super Möglichkeit, um sich ein bisschen zu engagieren."
Die Mehrheit ihrer Altersgenossen sieht das allerdings anders. Sie halten nicht viel von herkömmlichen Formen politischer Beteiligung. Dies zeigt sich auch bei der Wahlbeteiligung, erläutert der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer:
"Bei der letzten Bundestagswahl war der Anteil der jugendlichen Wähler sieben Prozent geringer als der Durchschnitt. Trotz einer allgemein festgestellten Politik- und Parteienverdrossenheit sind die Jugendlichen durchaus bereit, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen, aber das sind eher nonkonforme Politikformen wie Unterschriftenaktionen. Da machen über Dreiviertel der Leute mit, bei Demonstrationen sind es schon weniger als die Hälfte. Es ist immer wichtig: Sie müssen sich betroffen fühlen, um sich überhaupt zu engagieren."
Die wöchentliche Mahnwache gegen Atomkraft am Aachener Elisenbrunnen ist für heute beendet. Die Neuntklässler packen ihre Sirenen und Trommeln ein. Paul und Leon, die beiden Zehnjährigen, schultern ihre selbst gebastelten Plakate und gehen zum Bus. Aber spätestens am Ostermontag wollen Leon und Paul wieder am Elisenbrunnen stehen, um ihrem Unmut über die Politik Luft zu machen.
"Im Moment - katastrophal, die schwarz-gelbe Regierung."
" "Die wollten halt jetzt sperren, die Atomkraftwerke, damit die in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg denken: Ach ja, die wollen ja was, dann machen sie's doch wieder. Also Wischiwaschi, sage ich da nur. "