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Generation Porno?

An Pornos heranzukommen, ist in Zeiten des Internets kinderleicht. Doch wie wirkt sich die Pornoflut auf die sexuelle Entwicklung von Jugendlichen aus - das war auch ein Thema auf der Jahrestagung für Sexualmedizin in Potsdam.

Von Marieke Degen |
    Der Bildschirm ist pechschwarz, die Schrift grau. Warnung, steht da auf englisch: Der Inhalt dieser Website ist nur für Erwachsene bestimmt. Sie dürfen die Seiten nur aufrufen, wenn Sie älter als 18 sind. Darunter zwei hellgraue Buttons: Leave und Enter. Für einen Teenager ist das nun wirklich keine Herausforderung, sagt der Sexualmediziner Franz Hausmann.

    "Tatsächlich ist es so, dass wenn jemand in der Lage ist, die Maus zu bewegen, er auch sehr schnell herausfinden kann, wo er klicken muss, um tatsächlich auch weiter zu kommen. Und in dem Moment, wo die Maus auf Enter klickt, geht das ganze Portal auf mit zehn, zwanzig, dreißig Filmen die man dann anklicken kann."

    Nie war es so einfach, an Pornos heranzukommen wie im Zeitalter des Internets. Und Jugendliche interessieren sich nun mal für Sex. Einer Umfrage der "Bravo" zufolge haben Dreiviertel aller Teenager zwischen 13 und 17 Jahren schon einmal einen Porno gesehen. Fast jeder zehnte Junge schaut sich solche Filmchen regelmäßig an, bei den Mädchen sind es deutlich weniger.

    "Ich denke es ist nicht schlimm. Weil wir auch in Studien gesehen haben, dass Jugendliche und junge Erwachsene durchaus in der Lage sind, da auch Grenzen zu setzen."

    Es gibt zwar noch nicht viele Studien darüber, wie sich Pornos auf Jugendliche auswirken. Doch die paar, die bislang gemacht worden sind, geben erstmal Entwarnung: Die Zahl der Teenagerschwangerschaften ist nicht explodiert. Außerdem sind die Jugendlichen durch die Pornos weder verroht noch pervers geworden.

    "Da haben die Studien ja gezeigt, dass die Jugendlichen ja schon bei der Grenze zu analen Sexpraktiken das als - in Anführungsstrichen - nicht mehr normal sehen. Da gibt es eigentlich es keine Hinweise darauf, dass es zu einer eindeutigen Verrohung oder Gewaltzunahme in dem Bereich kommt."

    Eine aktuelle Studie aus Hamburg hat gezeigt: Jugendliche wissen genau, was sie wollen. Sie suchen sich im Internet nur die Filme aus, die ihnen gefallen. Alles andere klicken sie weg. Die meisten Jungen bevorzugen Filme, in denen ganz normaler Sex zu sehen ist. Vergewaltigungsszenen etwa finden sie abstoßend. Denn in puncto Beziehungen und Sex sind Jugendliche sind keineswegs unbeschriebene Blätter – auch, wenn sie noch keine eigenen Erfahrungen gemacht haben. Psychologen gehen davon aus, dass wir bereits im Kindesalter aus unserem sozialen Umfeld lernen, was für uns eine Beziehung oder Sex ausmacht. In der Regel können Jugendliche dann sehr wohl unterscheiden zwischen ihrem eigenen Lebenund der surrealen Porno-Welt. Trotzdem fühlen sich manche von den Filmen unter Druck gesetzt, sagt Ute Marjanov. Sie ist Sexualpädagogin in Düsseldorf.

    "Wenn Jugendliche Pornos konsumieren und da sehen, dass der männliche Pornografiedarsteller ein Leistungsvermögen hat, dass er also viermal hintereinander einen Orgasmus bekommen kann, dann setzt das Jungs schon unter Druck, denn sie glauben, dass sie das bei ihrer ersten Freundin möglicherweise so realisieren müssen, und sehen sich dazu nicht in der Lage."

    Mädchen dagegen würden ihren Körper oft mit dem Körper der Pornodarstellerin vergleichen. Und hätten Angst, nicht schön genug zu sein. Wie Jugendliche auf Pornos reagieren, das ist eine Frage des Selbstbewusstseins – und der Medienkompetenz.

    "Wissen sie, dass solch Filmchen geschnitten werden, wissen sie, dass solche Köper designt sind und vielleicht gar nicht Realität. Wenn sie ein gesundes Selbstwertgefühl haben, wenn sie sich angenommen und geliebt und geachtet fühlen, aufgrund ihrer Person, dann ist die Gefahr hier wesentlich geringer. "

    Um Jugendliche so gut wie möglich auf die Pornoflut im Internet vorzubereiten, hilft ein altbekanntes Mittel: Reden, Reden, Reden. Über Pornos, über Sex, über Beziehungen. Doch genau daran hapere es, sagt der Sexualmediziner Franz Hausmann. Wir alle müssten erst einmal eine unverkrampfte Sprache für Sexualität entwickeln.

    "Dass wir lernen, eine Art der Kommunikation zu finden, zwischen Erwachsenen, zwischen Erwachsenen und Jugendlichen, die es ermöglicht, auch über sexuelle Dinge zu sprechen und nicht zu kichern."

    Für Jugendliche mag der Pornokonsum nach derzeitigem Erkenntnisstand keine dramatischen Folgen haben. Aber auf den Computern von Kindern haben Pornos definitiv nichts zu suchen. Dafür müssen die Eltern sorgen. Franz Hausmann kennt da einen ganz simplen Trick: Einfach den internetfähigen Computer ins Wohnzimmer stellen.