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Genetik
Herkunft afrikanischer Sklaven

Der Sklavenhandel gilt als die größte Migration in der jüngeren Geschichte. Zwischen 1500 und 1850 wurden mehr als zwölf Millionen Afrikaner versklavt und nach Amerika geschifft. Woher sie stammten, war bislang nicht bekannt. Nun haben Forscher aus Kopenhagen neue Erkenntnisse aus genetischen Herkunftsanalysen im Fachblatt "PNAS" vorgestellt.

Von Michael Stang |
    Sklaven im Jahre 1895 vor ihrer Hütte auf einem Baumwollfeld.
    Sklaven im Jahre 1895 vor ihrer Hütte auf einem Baumwollfeld. (Imago / UIG)
    "Generell verhält sich DNA wie Eiscreme: wenn es kalt und trocken ist, erhält sie sich sehr gut, aber wenn es heiß und auch noch feucht ist eben nicht."
    Seit einigen Jahren beschäftigt sich Hannes Schroeder vom Centre for GeoGenetics der Universität von Kopenhagen mit der genetischen Herkunftsanalyse von afrikanischen Sklaven. Dazu untersucht der deutsche Genetiker rund 400 Jahre alte Gebeine von Unfreien vor allem aus dem karibischen Raum. Jedoch stößt er immer wieder auf dasselbe Problem: Je älter die Proben - also Haare, Zähne oder Knochen - sind, desto weniger DNA ist noch enthalten. Diese Hürde der biomolekularen Archäologie muss er umgehen, um aus den alten Knochen noch analysierbares Erbgut zu gewinnen. Denn:
    "Mit der DNA-Analyse haben wir eben eine Methode, mit der sich ziemlich genau die Herkunft von Menschen bestimmen lässt."
    Doch warum ausgerechnet die Genetik? Will man die Herkunft eines afrikanischen Sklaven herausfinden, reicht doch ein Blick in die alten Handelsaufzeichnungen oder Bordbücher. Dort ist festgehalten, dass die Menschen, die ab dem 16. Jahrhundert gefangen genommen und versklavt wurden, aus Elmina oder Cape Coast Castle stammen. Soweit so ungenau. Diese Orte waren aber nur die Anlegestellen der Sklavenschiffe in Westafrika. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass einer der Sklaven tatsächlich zuvor in Küstennähe gelebt hat.
    Genetische Analyse alter Knochen
    Somit helfen nur genetische Analysen - an alten Knochen. Denn die DNA von heutigen Nachfahren dieser Sklaven entspricht nicht mehr dem genetischen Profil des 17. Jahrhunderts. In den vergangenen 400 Jahren gab es in Afrika wie überall auf der Welt zahlreiche Migrationen und Vermischungen einzelner Populationen. Daher hat Hannes Schröder einige der Untersuchungsmethoden entwickelt beziehungsweise verfeinert. Diese erlauben es ihm nun, auch aus sehr schlecht erhaltenen Knochen noch analysierbares Erbgut zu gewinnen.
    "Um zu sehen, ob das überhaupt klappt haben wir uns die DNA von drei Skelettfunden aus dem 17. Jahrhundert in der Karibik angeschaut, die höchstwahrscheinlich von Afrikanern stammten, die dort als Sklaven hingebracht wurden."
    Der Wissenschaftler aus Kopenhagen sequenzierte die DNA von zwei männlichen und einem weiblichen Sklaven. Deren Gebeine waren in der sogenannten Zoutsteeg area von Philipsburg der karibischen Insel von Saint Martin zwischen 1660 bis 1688 bestattet worden. Danach verglich er die DNA-Proben mit Datenbanken aus Afrika.
    "Und zu unserem Erstaunen hat das auch geklappt. Den DNA-Daten zu folgen kamen diese drei Menschen anscheinend aus ganz verschiedenen Teilen Afrikas und haben wahrscheinlich sogar ganz unterschiedliche Sprachen gesprochen. Also, um das genauer zu sagen: Einer der drei war näher mit Menschen, die im heutigen Kamerun leben verwandt - also das ist in Zentral Afrika - wobei die beiden anderen näher mit Menschen verwandt waren, die im heutigen Nigeria leben."
    Solche Ergebnisse lassen sich aus historischen Quellen nicht gewinnen. Diese Fallstudie könnte der Beginn weiterer Forschungsprojekte werden, denn nicht nur die Wissenschaftler haben viele Fragen.
    "Darüber hinaus kann man vielleicht noch sagen, dass diese Technik - also die DNA Analyse - auch für heutige Nachfahren, die in der Karibik oder Nordamerika leben, interessant sein könnte, da ihre Familiengeschichte, wenn überhaupt, ja oft auf irgendeiner Plantage in Louisiana oder auf Jamaika beginnt."
    Mithilfe der Genetik könnten also die heutigen Nachkommen einstiger Sklaven in Nordamerika tatsächlich herausfinden, welche geografischen Wurzeln ihre Familie hat.