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Genetisch veränderte Embryonen
Forscher fordern Pause der Genom-Chirurgie

Genetisch manipulierte Babys soll es in den nächsten fünf Jahren nicht geben – Das fordern Spitzenforscher weltweit, denn zuerst soll die Sicherheit der sogenannten Genscheren-Technologie genauer erforscht werden. Doch um ein solches Moratorium durchzusetzen, bedarf es einer Kontrollinstanz.

Von Michael Lange |
DNA-Strang festgehalten von einer Pinzette
Mit der Genschere-Technologie werden auch Heilmethoden entwickelt, die ethisch unbedenklich sind (dpa / picture alliance /blickwinkel)
"Ich war geschockt, als ich das tatsächlich erfahren habe."
Die Nachricht vom November 2018 kam auch für Fachleute wie Toni Cathomen, Professor für Transfusionsmedizin und Gentherapie an der Universitär Freiburg, überraschend. Zwei genetisch manipulierte Kinder waren in China zur Welt gekommen:
"Und ich glaube, nicht nur ich war entsetzt. 99,9 Prozent der Wissenschaftler waren entsetzt, dass es tatsächlich jemand gewagt hat, Genscheren in der Keimbahn, im Embryo, einzusetzen."
Die Genscheren-Technologie steht seitdem in der Kritik. Die Fachwelt muss handeln, um einen Dammbruch zu verhindern. Gleichzeitig wollen sich die Genforscher aber auch Optionen offen halten: Körperzellen genetisch zu verändern, um Krankheiten zu therapieren – das muss auch weiter möglich sein, finden sie:
"Es ist eine ganz wichtige Technologie, eine Zukunftstechnologie, und wir müssen uns jetzt damit auseinandersetzen, was wir in Zukunft haben wollen."
Mit der Genschere vom Typ Crispr/Cas werden weltweit Heilmethoden entwickelt, die ethisch unbedenklich sind, weil sie an Körperzellen der Patienten stattfinden. Kritisch wird es dann, wenn die genetische Manipulation den ganzen Menschen betrifft und an folgende Generationen weitergegeben wird. Das geschieht, wenn Spermien, Eizellen oder Embryonen genetisch verändert werden.
Internationale Organisation für Moratorium nötig
18 renommierte Spitzenforscher aus sieben Ländern fordern deshalb in der Wissenschaftszeitschrift Nature einen vorübergehenden Stopp aller vererbbaren, genetischen Manipulationen am Menschen, ein Moratorium. Zu den Unterzeichnern gehören neben den Genom-Chirurgie-Pionieren Emanuelle Charpentier und Feng Zhang auch drei chinesische Wissenschaftler:
"Das Wichtige ist, dass sich jetzt tatsächlich eine internationale Organisation findet, die eine verbindliche Vereinbarung herbeiführt, dass ein solches Moratorium eingehalten wird."
Eine kürzlich gegründete Arbeitsgruppe bei der Weltgesundheitsorganisation WHO könnte die Regeln festlegen und die Einhaltung des Moratoriums überwachen, erläutert Christiane Woopen, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin der Universität zu Köln. Aber ihr fehlt etwas in dem aktuellen Aufruf:
"Der Aufruf in Nature geht aus meiner Sicht deswegen nicht weit genug, weil er keine Konsequenzen fordert für solche Wissenschaftler, die gegen das Moratorium verstoßen und eben doch Genveränderungen herbeiführen und diese dann auf eine Frau übertragen, und diese dann in einer Schwangerschaft auch ausgetragen werden können."
Weltweiter Stopp von Embryonenforschung aussichtslos
Das Moratorium könnte fünf Jahre dauern, heißt es im Aufruf der Wissenschaftler. In dieser Zeit könnten Experimente an Zellen zeigen, wie sicher die Genscheren-Technologie ist. Auch Experimente an menschlichen Embryonen schließen die Autoren für diese Zeit nicht aus. Christiane Woopen:
"Es gibt sehr viele Länder auf der Welt, die Embryonenforschung, die sogenannte verbrauchende Embryonenforschung, rechtlich ermöglichen und zulassen. In Deutschland ist es gesetzlich verboten durch das Embryonenschutzgesetz, aber in vielen anderen Ländern nicht. Das heißt: Ein weltweites Moratorium auch für solche Forschung an Embryonen wäre vollkommen aussichtslos."
Nur das Einpflanzen von Embryonen in die Gebärmutter - und somit die Geburt genetisch veränderter Kinder - soll fünf Jahre lang unterbleiben. Nach dem Moratorium könnten dann die Nationalstaaten entscheiden, wie es weitergeht, heißt es im Aufruf. Die nächsten fünf Jahre müssten für Sicherheitsforschung und intensive gesellschaftliche Diskussionen über die Chancen und Risiken der Genom-Chirurgie genutzt werden, so der Wunsch der Unterzeichnenden.