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Genetische Ahnenforschung
DNA-Test als Weihnachtsgeschenk?

Welche Verwandten kennen wir noch nicht? In feierlicher Runde kann zu Weihnachten diese Frage aufkommen. Hilfe bieten da "MyHeritage" und "AncestryDNA", die genetische Tests im Internet anpreisen. Fraglich ist, wie aussagekräftig diese Tests sind - und auch, welche Risiken damit verbunden sind.

Von Michael Stang |
    Mundschleimhautzellen werden für eine DNA-Probe entnommen
    Ein einfacher Speicheltest soll die DNA bestimmen können. (picture alliance / Sven Hoppe/dpa)
    Wo bis vor ein paar Jahren nur Standesämter und Taufregister ermöglichten, nach Vorfahren zu suchen, hat die Genetik mittlerweile auch Privatpersonen ein neues Feld eröffnet. Ab - inklusive Weihnachtsrabatt - 59 US-Dollar aufwärts kann jede volljährige Privatperson einen Test bei einer der zahlreichen Firmen bestellen. Eine Speichelprobe genügt, um die DNA zu untersuchen.
    Die Ergebnisse sind, egal ob der Test bei "MyHeritage", "Ancestry" oder einem der anderen Anbieter gemacht wurde, in der Regel binnen weniger Wochen online einsehbar. Doch, wie konkret sind die Ergebnisse? Für eine DLF-Recherche habe ich 2013 meine DNA bei der Google-Tochter "23andme" untersuchen lassen. Auch fünf Jahre später werden meine Ergebnisse regelmäßig aktualisiert – die Datenbank enthält mittlerweile mehr als fünf Millionen Kunden. Per Login kann ich dort nach Verwandten suchen.
    Verwandtensuche per DNA-Test
    Stand Mitte Dezember: 986 der Kunden sind mit ihnen verwandt. 158 davon sind Cousins dritten bis vierten Grades.
    Meine engste Verwandte in der Datenbank ist eine US-Amerikanerin. Der prozentuale Anteil des gleichen Erbguts liegt demnach bei 1,83 Prozent. Die Frau ist eine Cousine dritten Grades. Das bedeutet: Wir könnten eine gemeinsame Ur-Ur-Großmutter beziehungsweise einen gemeinsamen Ur-Ur-Großvater haben. Nummer zwei auf der Liste teilt nur 0,6 Prozent, Nummer drei nur 0,34 Prozent Erbgut mit mir - eine Cousine fünften Grades. Manche Kunden lassen auch ihre ganze Familie testen. Zu ihnen gehört etwa Ewan Birney. Der Direktor des Europäischen Bioinformatik Instituts im englischen Hinxton interessiert sich nicht nur privat für diese Daten, sondern auch beruflich:
    "Ich habe mich bei '23andme' testen lassen. Ich habe meine 100 Dollar bezahlt und meine Daten hochgeladen, mein Vater hat das auch gemacht, meine Frau ebenso. Diese Entscheidung wird aber kontrovers innerhalb der Familie diskutiert."
    Grenzen der genetischen Privatsphäre sind unklar
    Denn bei den Tests werden nicht nur Verwandtschaftsanalysen durchgeführt, sondern auch Krankheitswahrscheinlichkeiten errechnet. Hinzukommt noch etwas anderes. Daten sind ein Rohstoff, mit dem kommerzielle Firmen arbeiten. Das wurde spätestens im Sommer 2018 deutlich. Da teilte "23andme" mit, dass "GlaxoSmithKline" Einblick in die Daten der rund fünf Millionen Kunden gewährt bekommt - für vier Jahre. Dafür zahlt das Pharmaunternehmen 300 Millionen US-Dollar. Vorsicht ist geboten, man solle sich der Risiken bewusst sein, sagt daher auch Genetiker Yaniv Erlich, der den Bereich Forschung bei "MyHeritage" leitet – eine Firma, die ebenfalls genetische Stammbaumanalysen anbietet. Das wichtigste in diesem Bereich sei Vertrauen.
    "Ein Kernpunkt, um Vertrauen zu gewinnen, ist Transparenz. Und das ist auch der Grund, weshalb wir weiter forschen müssen, wo die Grenzen der genetischen Privatsphäre sind. Wir wollen den Menschen keine Versprechen im Sinne einer garantierten Anonymität geben, denn wir wissen, dass das nicht die Wahrheit ist."
    Eine Frage des Vertrauens - Genetische Daten im Netz
    Yaniv Erlichs Vertrauen in die Konkurrenz-Firma "23andme" war aber offenbar groß genug. Denn auch er hat sich vor einigen Jahren dort testen lassen. Wichtig sei ihm, betont der Forscher, dass man hier zwischen dem Privatmenschen und dem Wissenschaftler unterscheiden muss.
    "Egal, was passiert, wir werden keine Daten mit "23andme" teilen. Ich habe meine persönlichen Daten dieser Firma gegeben, weil ich Spaß daran habe und neugierig bin. Aber das ist eine persönliche Entscheidung gewesen."
    Denn, sind die genetischen Daten eines Einzelnen einmal in der Welt, sind sie schwer wieder zurückzuholen. Was zukünftig mit den Daten passiert, können Kunden bei ihrer Probenabgabe nicht erahnen, warnt auch Datenschützer Thilo Weichert. Der Jurist war 13 Jahre lang Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein.
    Datenschutzexperte warnt vor Offenlegung im Netz
    "Insofern können wir nur den Ratschlag an alle Internetnutzer geben bezüglich der Offenlegung von medizinischen Daten im Allgemeinen und von genetischen Daten im Speziellen im Internet so zurückhaltend wie irgendwie nur möglich zu sein."
    Datensparsamkeit ist für ihn ein hohes Gut. Selbst wenn man ihm einen Test bei "23andme" schenken würde, er würde dankend ablehnen, so Thilo Weichert:
    "Also, ich würde solche dumme Dinge nicht machen. Wenn ich eine Genanalyse von mir vornehmen lassen würde, dann würde ich das einer vertrauenswürdigeren Institution als Google auferlegen und würde eben dann auch dafür sorgen, dass die mit diesen Daten so umgehen, wie ich mir das vorstellen und nicht, so wie ich befürchte, dass die jetzt kommerzielle Interessen damit verfolgen."