Emmanuelle Charpentier (Frankreich) und Jennifer A. Doudna (USA) haben die Genschere CRISPR/Cas9 maßgeblich entwickelt. Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm teilte mit, die Genschere habe die molekularen Lebenswissenschaften revolutioniert, neue Möglichkeiten für die Pflanzenzüchtung gebracht, trage zu innovativen Krebstherapien bei und könne den Traum von der Heilung vererbter Krankheiten wahr werden lassen.
Seit Jahren als Favoritinnen gehandelt
Doudna ist Professorin an der University of California in Berkeley. Emmanuelle Charpentier leitet derzeit in Berlin die Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene. Beide gehörten seit Jahren zu den Top-Favoriten für den Nobelpreis. Die beiden Wissenschaftlerinnen haben 2012 die CRISPR/Cas9-Methode in Berkeley in Kalifornien entdeckt und damit eine regelrechte Revolution in der Biotechnologie ausgelöst. In den acht Jahren seit der Entdeckung ist eine Flut von wissenschaftlichen Veröffentlichungen erschienen, die sich auf CRISPR/Cas beziehen.
Gentechnik und Bioethik
Die Genschere CRISPR/Cas9 ist ein Werkzeug, mit dem sich das Erbgutmolekül DNA umschreiben lässt: "Genom-Editing" nennt sich das Vorgehen. Dafür gibt es eine Reihe von Werkzeugen - die Methode der Preisträgerinnen dürfte aber die schärfste sein, erklärt Wissenschaftsjournalist Arndt Reuning: "Die Genschere lässt sich nämlich programmieren. Sie schneidet dann wie von einem Zielflugkörper gelenkt präzise an einer bestimmten Stelle im Erbgut und kann dort ein fehlerhaftes Gen herausschneiden. An der Schnittstelle lässt sich möglicherweise auch ein anderes Gen einfügen. Man hat also eine sehr flexible Möglichkeit, ins Erbgut einzugreifen."
Gleichzeitig ergeben sich daraus eine Reihe von bioethischen Fragen. Etwa bei der Veränderung von Pflanzen. Mit CRISPR/Cas lassen sich Pflanzen erzeugen, die im Prinzip auch durch konventionelle Züchtung hätten entstanden sein können. Gelten diese trotzdem als Gentechnik-Pflanze? Ja, entschied der Europäische Gerichtshof 2018.
Seitdem dreht sich die Diskussion um die Genschere mehr im menschlichen Kontext. In China gab es einen ersten Fall, bei dem Forschende in das Genom von zwei Babys noch im Embryonenstadium eingegriffen haben, um sie vor einer möglichen HIV-Infektion zu schützen. Dieser Eingriff ist international verurteilt worden - wegen ethischer Bedenken, aber auch weil man noch nicht weiß, ob die Erbgutschere so genau und so sicher ist, dass sie sich für den Einsatz an Keimzellen eignet.
Nobel-Woche mit fünf Preiskategorien
Der Nobelpreis gilt international als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Auszeichnungen. Zum Auftakt der Nobel-Woche wurden am Montag (05.10.2020) die Preisträger in der Kategorie Medizin/Physiologie bekannt gegeben. Die Auszeichnung ging an drei Forscher aus den USA und Großbritannien für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus. Am Dienstag wurde dem deutschen Astrophysiker Reinhard Genzel zusammen mit dem britischen Forscher Roger Penrose und der US-Wissenschaftlerin Andrea Ghez für ihre Forschung zu Schwarzen Löchern der Physik-Nobelpreis zuerkannt. Am Donnerstag folgt der Preis für Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.
Im vergangenen Jahr waren drei Forscher aus den USA, Großbritannien und Japan für die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet worden.
Der Nobelpreis ist 2020 mit rund 950.000 Euro pro Kategorie dotiert. Wegen der Corona-Pandemie werden die Preisverleihungen in Stockholm und Oslo am 10. Dezember 2020 deutlich kleiner ausfallen als zuvor. Die Zeremonie im Konzerthaus von Stockholm wird durch eine TV-Preisvergabe im Rathaus der schwedischen Hauptstadt ersetzt.