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Gentechnisch veränderte Lebensmittel
Die Tücken der Kennzeichnungspflicht

Seit 25 Jahren müssen gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden. Schon damals war die Regelung ein Kompromiss mit vielen Ausnahmen. Seitdem hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Die neuen Möglichkeiten befeuern nun eine alte Debatte: Was heißt "gentechnisch verändert"?

Von Dagmar Röhrlich | 14.05.2022
Drei Milchtüten mit der Kennzeichnung "ohne Gentechnik"
Viele Produkte werden damit beworben, dass sie ohne Gentechnik produziert worden sind. (dpa/picture-alliance/Uwe Zucchi)
„Für gentechnisch veränderte und neuartige Lebensmittel gilt seit heute EU-weit eine Kennzeichnungspflicht,“ hieß es am 15. Mai 1997 in den Nachrichten: „Nach der sogenannten Novel Food Verordnung müssen Genprodukte außerdem auf ihre Sicherheit und Umweltverträglichkeit getestet werden, bevor sie auf den Markt kommen.“
In den Zutatenlisten sollte von da an ein neuer Begriff auftauchen: „gentechnisch verändert“. Gibt es keine Zutatenliste, muss die Information auf dem Etikett auftauchen oder in der Auslage. Es sei kein Warnhinweis, sondern eine Information, betonte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Aber: „Rund 2/3 der Deutschen lehnen Umfragen zufolge gentechnisch manipulierte Lebensmittel generell ab. Umso öfter wird man bald in den Supermärkten die Kennzeichnung gentechnikfrei finden“, berichtete damals ein Reporter.
Es war ein Burgfrieden, der damals in Europa nach erbitterten Debatten geschlossen worden war. International war die sogenannte „Grüne Gentechnik“ – also der Einsatz von gentechnischen Verfahren in der Pflanzenzüchtung – jedoch auf dem Vormarsch. Ein Durchbruch war Forschern am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln 1983 gelungen, als sie ein „fremdes“ Gen in das Erbgut einer Tabakpflanze einschleusten.
Ein paar Jahre später kamen gentechnisch veränderte Sojabohnen auf den Markt, dann Mais, Baumwolle, Tomaten: Alles Pflanzen, die „transgen“ sind, in deren Erbsubstanz also ein Gen eines anderen Organismus „eingebaut“ worden ist, um ihnen eine neue Eigenschaft zu geben – etwa, damit sie tolerant sind gegen Herbizide oder giftig für Fraßinsekten. In den USA waren solche Manipulationen bereits gang und gäbe. In Europa jedoch fürchteten viele Gesundheits- und Umweltrisiken. Und so seien auch die Debatten im Europaparlament anstrengend gewesen, erinnert sich Dagmar Roth-Behrendt.

„Das EU-Parlament war extrem gespalten“

Die Sozialdemokratin war damals als EU-Parlamentarierin maßgeblich an der Verordnung beteiligt: „Die Kennzeichnungspflicht war etwas, was das Parlament extrem gespalten hat damals, weil die Befürchtung bestand, insbesondere bei meinen konservativen Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei Menschen aus meiner Parteienfamilie oder anderen, die im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten, dass es eine Verzerrung geben würde zwischen Importen aus Drittländern, die gentechnisch verändert und dadurch vielleicht einfacher, schneller, leichter und preiswerter zu produzieren waren, und den Produkten, die in Europa, in der Europäischen Union produziert waren.“
Die Befürchtung: Die europäischen Bauern könnten ins Hintertreffen geraten. Schließlich konnten damals solche Nahrungsmittel nach einer Unbedenklichkeitsprüfung für Gesundheit und Umweltschutz ohne weitere Etikettierung vermarktet werden. Die Kennzeichnungspflicht war der Kompromiss, der nach langem und zähem Ringen erzielt werden konnte.

Sicherheitsnetz mit großen Maschen

„Mit der Kennzeichnung haben wir schon aufgegeben, dass es nicht mehr möglich war, weltweit ein Moratorium zu haben, Lebensmittel nicht gentechnisch zu verändern“, sagt Dagmar Roth-Behrendt: „Es war einfach, sagen wir mal, zehn, 15 Jahre schon zu spät damals schon.“
Die Kennzeichnungspflicht sollte eine Art Sicherheitsnetz sein – allerdings eines mit nicht ganz dichten Maschen. Denn es muss längst nicht alles als „genetisch verändert“ deklariert werden, worin genetisch Verändertes steckt.
Durch die Maschen rutscht beispielsweise Brot, das mit gentechnisch gewonnenen Enzymen gebacken wurde. Und weil Erbgutveränderungen durch die intensive Verarbeitung etwa bei Sojasauce, raffinierten Ölen oder auch Zucker überhaupt nicht nachweisbar sind, fielen auch diese Produkte zunächst heraus.
„Die Wurzeln des Gentechnikrechts waren tatsächlich im letzten Jahrtausend und dann tatsächlich auch auf dem Stand der Technik vor der Jahrtausendwende, also vor 2001“, sagt auch Ralf Wilhelm. Und auf die Technik kam es bei der Kennzeichnungspflicht maßgeblich an – sie spielt auch nun wieder eine entscheidende Rolle. Ralf Wilhelm ist Leiter des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen im Julius Kühn-Institut – einem Bundesforschungsinstitut, das im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für Pflanzenschutz zuständig ist.
„Die Gentechnik sah also zu der Zeit so aus, dass man im Prinzip Fremdgene aus einem Organismus isoliert hat, dann mit geeigneten Fähren in die Zellen hineingeschossen wurden“, sagt Wilhelm: „Und dann hoffte man, dass irgendwo diese Gene, die dort übertragen wurden, halt eingebaut wurden und zwar so, dass daraus wieder Pflanzen entwickelt werden können, die dann eben genau diese Gene tragen.“
So entstand beispielsweise der Bt-Mais MON810: Weil in sein Genom ein Stück DNA eines Bakteriums eingebaut wurde, produziert er in seinen Zellen einen Stoff, der für Fraßinsekten wie den Maiszünsler giftig ist. MON810 ist die einzige sogenannte transgene Pflanze, die in der EU angepflanzt werden darf. Allgemein gilt: Der Anbau von Genpflanzen ist in Europa zwar prinzipiell erlaubt – allerdings sorgen Melde-, Kennzeichnungs- und Haftungspflichten inzwischen dafür, dass die Hürden äußerst hoch sind.
„Ansonsten finden sich genau diese klassischen gentechnisch veränderten Pflanzen bei uns im Import, Import dann eben für Futtermittel. Also unsere Tiere werden dadurch gefüttert“, sagt Wilhelm: „Und der Witz ist eben, dass die Produkte, die mit diesen Futtermitteln erzeugt werden, Fleisch, Milch und dergleichen eben nicht kennzeichnungspflichtig sind.“

Mutagenese tief in die Züchtung eingedrungen

Explizit ausgenommen aus der Kennzeichnungspflicht war von Anfang an auch die so genannte Mutagenese: also Mutationen, bei denen keine fremden Gene eingeführt werden, sondern die über radioaktive Strahlung oder erbgutverändernde Chemikalien ausgelöst werden. Das Verfahren aus den 1970er Jahren hat etwas von einer Schrotflinte: Im Erbgut entstehen Hunderte zufälliger Veränderungen, und anschließend müssen die Züchter herausfinden, ob das Gewünschte dabei ist – und diese Varianten dann mit bewährten Sorten kreuzen und optimieren. Die Mutagenese ist inzwischen so tief in die Züchtung eingedrungen, dass sich nicht mehr sagen lässt, welche Kulturpflanzen solche Veränderungen tragen und welche nicht.
„Alle Merkmale, die die haben, basieren auf Veränderungen in der DNA. Und insofern ist das schon das Label gentechnikfrei, kann man als ziemlich kritisch betrachten,“ sagt der Biochemiker Ernst Ludwig Winnacker. In Europa kommt es also auf die Technik an, wenn es darum geht, ob etwas als gentechnisch verändert eingestuft wird und gekennzeichnet werden muss - oder nicht - so Winnacker. Der Biochemiker gehörte in den 1980er Jahren der Enquête-Kommission des Bundestages zu Chancen und Risiken der Gentechnologie an.
Doch die Technik hat sich rasant weiterentwickelt. Neue Analysetechniken haben das Wissen über Gensequenzen explodieren lassen – und es gibt ein neues Werkzeug: die Genom-Editierung, das bekannteste Verfahren: die Genschere CRISPR/Cas.
„Da werden jetzt Bausteine verändert, einzelne oder kleine Gruppen davon, um so um, ja, um bestimmte genetische Veränderungen zu fabrizieren,“ sagt Winnacker. Damit eröffneten sich völlig neue Perspektiven, erklärt er weiter. Und es ergeben sich neue Fragen, was die Kennzeichnung betrifft, denn mit diesen neuen Verfahren können Veränderungen in der Erbsubstanz aufs Gen genau durchgeführt werden.

Man kann natürliche Resistenzen gezielt modifizieren

„Durch diese neue Technologie kann man also zum Beispiel natürliche Resistenzen, die es immer gibt in den Pflanzen, die aber in der klassischen Pflanzenzüchtung oft herausgezüchtet worden sind, weil man agronomische Merkmale wollte, also größere Mengen an Ausbeute pro Hektar, die kann man denen wieder zurückgeben,“ sagt Winnacker.
Oder man kann natürliche Resistenzen gezielt modifizieren, indem man einzelne Gene ausschaltet. So etwas mit konventionellen Züchtungsmethoden zu versuchen, dauert Jahrzehnte. Die Genschere verkürzt das Verfahren also erheblich – falls es denn gelingt. Verlaufen die Versuche im Labor und im Gewächshaus erfolgversprechend, stehen irgendwann die Versuche auf dem Acker an.
Ralf Wilhelm sagt: „Das, was letzten Endes ja in die Produktion gehen will, muss auch irgendwann mal im Feld getestet werden, weil die Bedingungen, die wir halt allenfalls noch im Gewächshaus vorfinden, doch völlig andere sind und völlig andere Einflüsse auf die Pflanzen einwirken, als wenn es letzten Endes im Feld ist.“
Doch wenn es um gentechnisch veränderte Organismen geht, gibt es in der EU – neben der Kennzeichnungspflicht von 1997 - eine ganze Reihe von Gesetzen und Richtlinien. 2001 beispielsweise wurde die so genannte Freisetzungsrichtlinie erlassen, die sich unter anderem mit Experimenten auf dem Acker beschäftigt – sprich: der gezielten Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen – der GVO – in die Umwelt. Hans-Georg Dederer von der juristischen Fakultät der Universität Passau sagt: „Genetisch veränderte Organismen, das sind Organismen, die eine neuartige Kombination genetischen Materials tragen, wie sie auf natürliche Weise nicht hätte entstehen können.“
Doch punktgenaue Mutationen, wie sie beispielsweise die Genschere CRISPR/Cas ermöglicht, passieren auch auf natürliche Weise. Und das machte eine Klage französischer Öko- und Bauernverbände so relevant, über die 2018 die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu entscheiden hatten. Es ging im Grunde genommen darum, wo die Verfahren der Geneditierung einzuordnen sind, bei denen das pflanzeneigene Erbgut zielgenau manipuliert wird. Können sie der klassischen Mutagenese mit der „Schrotflinte“ gleichgesetzt werden? Das Urteil: Nein, können sie nicht. Denn diese konventionelle Technik gilt seit langem als sicher.
Das EuGH-Urteil bremst den breiten Einsatz der neuen molekularen Zuchtverfahren in Europa aus, weil er denselben strikten Regeln unterliegt wie die klassische Gentechnik. Bei Forschern und Industrie stößt das nicht nur auf Verständnis. Sie vertreten die Ansicht: Die Art der Genomeditierung, um die es geht, führt wie die Mutagenese mit Strahlung oder Chemie nur zu Punktmutationen und fügt keine neuen Gene ein, „so dass das Argument auf der Hand liegt, dass die Risiken, um die es ja bei der Regulierung geht, dass die Risiken der Genomeditierungsorganismen nicht größer sind als die Risiken von Organismen, die mit klassischer Mutagenese erzeugt wurden.“

Da ist Daniela Wannemacher, Gentechnikexpertin beim BUND-Bundesverband, ganz anderer Meinung. Sie sagt: „Aus Sicht des BUND und aus Sicht vieler Umweltverbände ist der größte Unterschied eigentlich bei den neuen Verfahren, dass jetzt eben nicht mehr unbedingt fremde Gene eingeführt werden müssen, sondern dass auch direkt im Genom was geändert werden kann. Das ist allerdings aus unserer Sicht und auch aus Sicht kritischer Forscherinnen weiterhin mit sowohl unvorhersehbaren, wie auch unabschätzbaren Nebeneffekten verbunden und kann deshalb auch weiterhin viele ökologische Risiken beinhalten und eventuell auch Auswirkungen darauf haben, wie zum Beispiel ein Produkt verdaulich ist für Tiere und für Menschen.“
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen)
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), ehemalige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, steht gentechnisch veränderten Lebensmitteln skeptisch gegenüber. (dpa/picture alliance/Felix König)
Auch Renate Künast, die für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag ist und Anfang der 2000er Bundeslandwirtschaftsministerin war, sieht die neuen Verfahren kritisch. Sie sagt:
„Wenn wir auf CRISPR/Cas gucken, sagt man ja: Okay, das wäre angeblich was Anderes, weil man einfach nur ein Stück ausschneidet. Das könnte die Natur natürlich auch machen. Natürlich macht das die Natur auch hier, aber die Natur macht das natürlich nicht so, dass sie in dieser Massivität dafür sorgt, dass plötzlich Millionen Hektar mit dieser genveränderten Sorte angebaut werden – und zwar Monokultur Millionen-Hektar-Weise und Aussaat für Aussaat an der Stelle und das Ganze noch begleitend mit Chemie...“

Zweifel an „Grüner Gentechnik“

Die Zweifel an den Verheißungen der „Grünen Gentechnik“, dass genmanipulierte Pflanzen dem Klimawandel trotzen, die wachsende Weltbevölkerung ernähren und die Landwirtschaft nachhaltiger machen, sind in Europa vehement.
Daniela Wannemacher ist überzeugt: „Gentechnik ist ein Markt ohne Nachfrage in Europa. Wir sehen, 80 % lehnen Gentechnik auf dem Teller oder auf dem Acker ab. Und fast 90 % wollen auf jeden Fall wissen, ob es Gentechnik ist. Und auch bei der gezielten Frage nach neuen Gentechnik-Verfahren sagen 70 % der Leute: Ah, ne, lieber nicht.“
Gentechnik bleibt Gentechnik – so das Urteil vieler. Dieses Urteil blende allerdings 30 Jahre Erfahrung mit gentechnisch veränderten Pflanzen aus, entgegnet Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung ZEF in Bonn: Sie seien sicher, erklärt der Agrarwissenschaftler.

Hilfe für Kleinbauern

Allerdings komme es darauf an, wie damit umgegangen werde. Qaim sagt: „Insgesamt sehen wir gerade bei den insektenresistenten Pflanzen eine deutliche Abnahme in der Nutzung chemischer Insektizide, also weniger Chemie. Und wir sehen auch höhere Erträge, weil natürlich Insektenfraß auch für Ertragsverluste verantwortlich ist. Ich habe selber in Indien mit meiner Arbeitsgruppe viel geforscht, da wird gentechnisch veränderte Baumwolle in großem Maßstab angebaut und da beobachten wir positive Ertragseffekte in der Größenordnung von 25 % im Durchschnitt und Reduktionen im Spritzmitteleinsatz um 50 %.“
Das helfe vor allem den Kleinbauern, von denen die meisten nur wenige Hektar Land besäßen. Ob solche Erfolge langfristig zu halten sind, bezweifelt Renate Künast. Ihr Beispiel: die Trockenheitsresistenz: 
„Vielleicht stimmt es ja, dass Sie ein, zwei Jahre lang dort gute Ernten haben,“ sagt Künast: „Aber die Anschlussfrage, wie ernähren wir uns in drei, vier, in 15, 20 Jahren, muss man ja auch stellen.“
Erfahrungen mit dem Anbau von genverändertem Mais und Soja hätten gezeigt, dass es zunächst Erfolge gab und der Pestizideinsatz sank. Doch in einigen Regionen erhöhte sich der Einsatz mit der Zeit sogar – und die Monokulturen, die entstanden, schädigten Artenvielfalt und Umwelt. „Ist es nicht umgekehrt richtiger zu sagen, wir wenden agrarökologische Methoden an, also machen ganz bewusst Beschattung von Flächen, um Feuchtigkeit zu halten, also Agroforstsysteme, wie man das heute nennt, wir machen ganz bewusst Hecken, um Bodenerosion durch Wind zu vermeiden“, so Künast.
Für Matin Qaim steht das jedoch nicht im Widerspruch zum Einsatz moderner Gentechnik, die schneller beispielsweise an den Klimawandel angepasste Pflanzen liefern könne als konventionelle Züchtung: „Wir brauchen standörtlich angepasst vernünftige Systeme. Und dazu gehören auch Dinge wie Bäume und Fruchtfolgen und Landschaftselemente und gentechnisch entwickelte Sorten können das unterstützen, sie können das und sollen das aber nicht ersetzen.“ Es sei wichtig, beides zu kombinieren.

Handelshemmnisse werden eine Rolle spielen

Und so laufen bei der EU-Kommission Überlegungen, das Gentechnikrecht angesichts des möglichen Potentials der neuen Züchtungstechniken mit Blick auf Klimawandel und Nachhaltigkeit zu ändern, um ihren Einsatz zu vereinfachen. Dabei gehe es nicht um eine völlige Deregulierung, erklärt Ralf Wilhelm, der Leiter des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen im Julius Kühn- Institut.
Was dabei herauskomme, sei jedoch offen. Ralf Wilhelm sagt: „Die Spanne ist dann natürlich tatsächlich so, dass es eben auch unter Umständen zu keiner rechtlichen Veränderung kommt. Und die andere Möglichkeit ist, dass es eben zu Ausnahmeregelungen kommen wird.“
Im zweiten Quartal des kommenden Jahres könnten die Vorschläge vorliegen. Bei den Überlegungen dürften wohl auch Handelshemmnisse eine Rolle spielen. Wird etwa durch CRISPR/Cas ein Gen ausgeschaltet, lässt sich das nicht nachweisen: Und in vielen außereuropäischen Ländern werden bestimmte genomeditierte Organismen gar nicht reguliert und gekennzeichnet.
Um in diesem Spannungsfeld eine Lösung anzubieten, schlägt die deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer Stellungnahme vor, dass künftig nicht mehr die Techniken für die Einordnung ausschlaggebend sein sollen – sondern die Produkte. Die müssten sich als sicher erweisen und könnten dann genauso behandelt werden wie die mit Mutagenese erzeugten – sprich: auch nicht gekennzeichnet werden.
Für Renate Künast ist das ein „Unding“. Sie sagt: „Nach der EuGH-Rechtsprechung ist es ja Gentechnik. Es muss und soll gekennzeichnet sein. Aber auch ohne diese gerichtliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes meine ich, dass wir das Recht haben zu wissen. Wir reden in vielen anderen Kontexten genauso darüber, also wir haben Label, ob von Tierhaltung bis ökologischen Produkte, warum - weil wir sagen, dass Verbraucher das Recht haben, informiert zu sein.“
Es spricht also einiges dafür, dass sich in der Debatte alte Gräben wieder öffnen könnten.