Geht es nach den Versprechen der Synthetischen Biologie, werden in Zukunft immer häufiger gentechnisch veränderte Bakterien für Industrie und Medizin eingesetzt werden – sei es als Rohstofflieferanten, in der Diagnostik oder gar als Therapie. In all diesen Fällen stellt sich allerdings eine zentrale Sicherheitsfrage: Wie kann man verhindern, dass sich solche genmanipulierten Mikroben unkontrolliert in der Umwelt verbreiten? Der Biologe James Collins vom Massachusetts Institute of Technology hat eine Idee: Man muss den Bakterien eine Art Not-Aus-Schalter verpassen, auf Englisch Kill-Switch genannt.
"Wir brauchen Kill-Switches als Sicherheitsmaßnahme für gentechnisch veränderte Bakterien. Nehmen wir den Fall, dass wir ein Bakterium so verändern, dass es zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden kann. Wenn solche Mikroben unerwartete Nebenwirkungen hervorriefen, wäre es sehr hilfreich, einen Not-Aus-Schalter zu haben, um die Bakterien im Körper wieder zu eliminieren."
Sicherheitsmaßnahme für gentechnisch veränderte Bakterien
Erste Ansätze in diese Richtung zielten darauf, Bakterien so weit umzuprogrammieren, dass ihr gesamter Stoffwechsel auf bestimmte Aminosäuren angewiesen ist, die in der Natur nicht vorkommen. Entzieht man den Bakterien die Versorgung mit diesen synthetischen Aminosäuren, verhungern sie und gehen zugrunde. Im Labor wurde das auch schon erfolgreich realisiert, doch für den Alltag sei diese Lösung problematisch, so James Collins.
"Die Schwierigkeit dieser Technik liegt darin, dass dafür sehr umfangreiche genetische Veränderungen bei den Bakterien nötig sind. Das ist zum einen sehr kompliziert. Zum anderen kann das auch dazu führen, dass die Bakterien gar nicht mehr für den gewünschten Zweck einsetzbar sind."
Reihe von Genen
James Collins und Forschungskollegen haben jetzt eine andere, einfachere Form der Notbremse für Bakterien entwickelt. Sie nennen ihre Lösung Deadman-Switch.
"Deadman-Switch ist der sogenannten Totmann-Schaltung nachempfunden, die es früher in Zügen gab. Die Lokomotivführer mussten mit einer Hand immer einen Hebel gedrückt halten, damit der Zug überhaupt fahren konnte. Ließen sie den Hebel los, zum Beispiel weil sie ohnmächtig wurden, bremste der Zug automatisch ab. Bei unserer Totmann-Schaltung für Bakterien können die Mikroben nur überleben, solange eine bestimmte Chemikalie in ihrem Umfeld vorhanden ist. Fehlt dieser Wirkstoff, springt die Totmann-Schaltung an und das Bakterium wird abgetötet."
Der Deadman-Switch besteht aus einer Reihe von Genen, die in das Erbgut eines Bakteriums eingeschleust werden. Eins dieser Gene enthält den Bauplan für einen Giftstoff, der die Mikroben sicher abtötet. Dieses Toxin-Gen wird allerdings von den anderen Genen der Totmann-Schaltung deaktiviert, zumindest solange die nötige Sicherungschemikalie präsent ist. Die Forscher entwickelten auch eine noch komplexere Version des Deadman-Switches.
Kombination von Stoffen im Nährmedium
Bei der Variante namens Passcode muss nicht nur eine Chemikalie, sondern wie bei einem Nummernschloss gleich eine bestimmte Kombination von Stoffen im Nährmedium vorhanden sein, damit das eingeschleuste Selbstmordgen der Zellen abgeschaltet bleibt. James Collins sieht darin auch eine Möglichkeit für Biotech-Firmen, sich davor zu schützen, dass Konkurrenten sie durch den Raub von Bakterien um die Früchte ihrer Arbeit bringen.
"Wenn jemand nicht weiß, aus welcher Kombination an Chemikalien der Passcode für ein bestimmtes Bakterium besteht, könnte er die Mikroben, die er bei einer Firma gestohlen hat, nicht am Leben halten und weiter züchten."
In Collins Labor haben sich Deadman und Passcode als wirkungsvolle Schutzmechanismen erwiesen. Absolute Sicherheit bieten sie allerdings nicht. Kommt es mit der Zeit zu Mutationen in den eingeschleusten Genen der Bakterien, können die Not-Aus-Schalter auch versagen. Gelangten derart mutierte Bakterien in die Umwelt, wären sie unter Umständen nur schwer im Zaum zu halten.