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Genug Getreide für das Jahr 2050

Agrarwissenschaft. - Im Jahr 2050 werden Hochrechnungen zufolge neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um sie zu ernähren, muss die Landwirtschaft effizienter werden. Zusätzlich muss sie Probleme wie die globale Erwärmung, Erosion, oder Bodenversalzung bewältigen. Niederländische Ernährungswissenschaftler haben untersucht, wie dieser Strauß an Herausforderungen gemeistert werden kann.

Von Michael Stang | 16.07.2010
    In den 1990er-Jahren errechnete Prem Bindraban von der Universität Wageningen zum ersten Mal, wie viel Getreide theoretisch weltweit produziert werden kann. Doch die Variablen seiner Rechenmodelle ändern sich ständig, bedingt durch die globale Erwärmung, Fortschritte in der Agrarindustrie und das Bevölkerungswachstum. Daher muss der niederländische Forscher seine Analysen regelmäßig aktualisieren.

    "Auf der Grundlage des Pflanzenwachstums, der bestehenden ertragreichen Böden, der zukünftig zu erschließenden Ackerböden, der jeweiligen Anteile an Nährstoffen und des Vorhandenseins von Wasser, des zu erwartenden Wetters und so weiter haben wir hochgerechnet, dass es in 40 Jahren im Prinzip kein Problem sein dürfte, genug Getreide zu produzieren, um neun Milliarden Menschen zu ernähren."

    Als Direktor der unabhängigen Stiftung Soil Information System ISRIC dokumentiert er im Auftrag der niederländischen Regierung die global zur Verfügung stehenden Agrarflächen, ihre Beschaffenheit und ihre potentielle Nutzung. Dass seine Hochrechnungen nur Annahmen sind, ist ihm bewusst.

    "Ich habe gesagt, dass es möglich ist, nicht jedoch, dass es einfach wird. In den vergangenen 40, 50 Jahren konnten überall die Erträge gesteigert werden, weil es genug Anbaufläche und Frischwasser gab. Nun stehen wir aber an einem Wendepunkt. Immer mehr Menschen wohnen an Flüssen und bauen Häuser auf gutem Ackerland; hinzu kommen Bewässerungsprobleme, da einfach weniger Wasser zur Verfügung steht. Also müssen wir in erster Linie die uns heute zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiver nutzen und dazu gehört auch die intensive Nutzung von Regenwasser."

    Zudem müsse die Agrarproduktion insgesamt professionalisiert werden. Auf der einen Seite sollen die Pflanzen noch mehr Erträge als bisher bringen, trotzdem sollen die Böden auf der anderen Seite nicht auslaugen. Bindraban:

    "Während wir in der Vergangenheit unsere Umwelt den Anbaupflanzen angepasst haben, müssen wir das zukünftig genau andersherum machen: wir brauchen Pflanzen, die an bestimmte klimatische Bedingungen angepasst sind. Das bedeutet, wir brauchen krankheitsresistente Pflanzen, und solche, die auch Dürreperioden überstehen können und Pflanzen, die Nährstoffe im Boden besser nutzen, ihn aber nicht auslaugen. Daher müssen wir auch auf Seiten der Pflanzen etwas ändern."

    Daher beobachten Prem Bindraban und seine niederländischen Kollegen zum Beispiel die Züchtung neuer Pflanzen, die auch im Salzwasser wachsen können oder jene, die selbst bei großer Hitze kaum Wasser verdunsten. Unentbehrlich für die Zukunft sei jedoch auch die Gentechnik, auch wenn es noch immer viele Vorbehalte gebe.

    "Neuerungen können Menschen immer beängstigen. In Industrienationen sind sie der Gentechnologie besonders skeptisch gegenüber. Das liegt daran, dass wir in Europa keine Versorgungsprobleme mit Lebensmitteln haben. In China oder Indien gibt es diese ablehnende Haltung kaum."

    Natürlich wisse er um die Ängste der Menschen, die skeptisch sind, wenn Gene aus Bakterien in Pflanzen eingesetzt werden. Aber es sei nicht immer nötig, Gene von einer Art auf eine andere zu übertragen. Oft reiche es schon, innerhalb einer Getreideart ein Resistenzgen auszutauschen, um die Pflanze so gegen Krankheiten zu schützen. Dadurch könnten auch große Mengen an teuren und zum Teil umweltschädlichen Pflanzenschutzmitteln eingespart werden. Gelänge dies, so Prem Bindrabans Resümee, wäre dies ein weiterer Meilenstein, um im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen ernähren zu können.