Georg Ehring: Wenn man es böse formulieren will, dann ist das Pariser Klimaschutzabkommen ein Rezept für eine Welt, in der es vielleicht um drei Grad wärmer wird als in der Zeit vor der industriellen Revolution. Die Staatengemeinschaft nimmt sich darin zwar vor, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad oder sogar 1,5 Grad zu begrenzen, aber selbst wenn alle Maßnahmen umgesetzt werden, mit denen die Unterzeichner dies erreichen wollen, dann kommen nach Ansicht vieler Wissenschaftler drei Grad oder sogar noch mehr Erwärmung dabei heraus. Nachbessern ist also angesagt.
Doch weil es anscheinend so schwer ist mit dem Klimaschutz, gewinnt die Idee des Geo-Engineering Anhänger. Mit technischen Mitteln wird die Erwärmung begrenzt, selbst wenn der Ausstoß von CO2 nicht so schnell gesenkt werden kann. Das ist die Idee.
Das IASS, das Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam, beschäftigt sich in dieser Woche mit einer Konferenz mit diesem Thema und Professor Mark Lawrence, einen seiner wissenschaftlichen Direktoren, habe ich vor dieser Sendung gefragt, wie das funktionieren könnte.
Techniken bisher nur im Prototyp-Stand
Mark Lawrence: Es gibt viele verschiedene Ideen zum Geo-Engineering oder Climate-Engineering, oder Klima-Geo-Engineering, wie ich es bevorzuge, und zwar in zwei großen Kategorien. Das eine ist, dass man versucht, das CO2, das wir in die Atmosphäre emittiert haben, aus der Atmosphäre irgendwie zu entfernen, schneller als das natürlich entfernt wird.
Die andere Idee ist, dass wir den Strahlungsantrieb, den Energiehaushalt zwischen Atmosphäre und Erde irgendwie modifizieren, beispielsweise indem wir Partikel in die Atmosphäre sprühen, um Sonnenlicht zurückzureflektieren, oder Wolken zu modifizieren, damit sie mehr terrestrische Infrarot-Strahlung durch die Atmosphäre durchlassen. Alles davon ist bisher entweder nur im Prototyp-Stand, oder ganz und gar ungetestet, und die Ideen bringen natürlich sehr viele kontroverse Diskussionen, wie sich das gehört, mit sich.
Ehring: Wie beurteilen Sie denn die technische Realisierbarkeit solcher Ideen?
Lawrence: Die technische Realisierbarkeit von den Techniken spaltet sich in den zwei Bereichen auf. Die CO2-Entfernungstechniken, viele davon sind schon als Prototypen getestet und funktionieren. Viele sind Technologien, die schon längst existieren, beispielsweise in U-Booten und so weiter, um CO2 aus der Luft zu entziehen. Aber die große Herausforderung dabei ist, das auf einer riesengroßen internationalen industriellen Skala zu entwickeln, die dann unseren tausend Tonnen CO2 pro Sekunde, die wir zurzeit in die Atmosphäre emittieren, wieder entgegenwirken.
Auf der anderen Seite sind die Strahlungsantrieb-Techniken. Sie sind weder getestet, noch wirklich gut verstanden, und wir hätten viele wissenschaftliche Arbeit und viele technische Arbeit dahinter, um dahin zu kommen, dass wir mit einer gewissen Sicherheit sagen können, dass irgendwelche von den Techniken tatsächlich funktionieren würden.
Riesenmengen an Biomasse oder Infrastruktur notwendig
Ehring: Aber es ist nicht nur eine technische Frage für Sie. Warum nicht?
Lawrence: Absolut nicht, und das ist wirklich wichtig zu betonen. Es geht um mehrere Gründe, weshalb das über die technischen Limitationen hinausgeht. Zum einen sind die Ressourcen, die dafür gebraucht werden, sowohl die Forschungsressourcen, die in die Klimaforschung zurzeit gehen könnten, ob diese zusätzliche Forschung dann sinnvoll ist. Zweitens sind die Ressourcen, die man dafür brauchen würde, um diese einzusetzen, vor allem für die CO2-Entfernungstechniken.
Man bedürfte Riesenmengen an entweder Biomasse oder riesen Infrastrukturen, um die ganzen Gerätschaften, um das CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen und dann unterirdisch zu speichern, aufzubauen, vergleichsweise mit den aktuellen fossilen Brennstoffen Öl- und Kohleindustrie. Und der dritte Grund sind soziale Bedenken. Sowohl ist es schwierig, dort eine entsprechende Governance, also entsprechende Regulierungsmaßnahmen zu entwickeln, als auch zu verstehen, was das überhaupt mit unserem Verständnis von uns als Menschen in dem gesamten Erdsystem anstellt.
Da kommen die ethischen Fragen, ist das etwas, das wir unseren Nachkommen hinterlassen wollen, und die gesamten religiösen Fragen, ist das etwas, das wir als Gott spielen ansehen sollen und die Finger davon lassen sollen, oder ist das etwas, das man eher als eine Rettungsmaßnahme ansehen soll. Da stehen wir gleich am Anfang nicht nur von der gesamten Forschung, sondern den gesamtgesellschaftlichen Diskussionen, die dafür notwendig sind, um solche Fragen anzugehen.
"Umweltverbände, Religionsverbände und Politker einbinden"
Ehring: Sie sind sehr skeptisch. Warum machen Sie dann eine so große Konferenz über das Thema?
Lawrence: Gerade weil wir skeptisch sind, meinen wir, dass es wichtig ist, dass wir nicht blind in solche Diskussionen reingehen. Es ist wichtig, dass es erstens Forschung dazu gibt, damit wir einen gewissen Wissensstand haben, um solide Entscheidungen machen zu können. Aber zweitens ist es auch wichtig, wie ich sagte, die gesamtgesellschaftliche Diskussion anzukurbeln. Das ist nicht nur eine Forschungsfrage, ob es machbar ist, sondern es ist eine gesellschaftliche Frage, ob wir diese Rolle in dem gesamten Erdsystem annehmen wollen.
Und ob wir dieses unbewusst oder bewusst machen und mit welchen Überlegungen, hängt davon ab, dass wir dann entsprechend die verschiedenen Akteure zusammenbringen - natürlich Wissenschaftler, aber ganz wichtig dabei sind die Umweltverbände, sind die Religionsverbände, sind die Politiker und sind andere Akteursgruppen aus der Gesellschaft -, um sinnvoll und sachlich über diese Sache zu reden. Deswegen machen wir diese große Konferenz, die wir diese Woche angehen.
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