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Geologie
Fischfarmen am Gelben Fluss lassen Landoberfläche absacken

Der steigende Meeresspiegel wird vor allem für jene Menschen zur Bedrohung, die in niedrig gelegenen Deltas der großen Flüsse Asiens leben. Und genau dort könnte ein menschgemachtes Problem den Meeresspiegelanstieg noch stark verschärfen.

Von Monika Seynsche | 09.12.2013
    Der Gelbe Fluss zieht sich fast 5000 Kilometer lang durch den Norden Chinas bevor er sich am Ende in den Golf von Bohai ergießt. Und genau dort fängt das Problem an.
    "Wir haben das Delta des Gelben Flusses untersucht, weil dort die Küstenlinie in den vergangenen 25 Jahren um sieben Kilometer landeinwärts gewandert ist. Wir vermuteten dass die Landoberfläche abgesunken war, entweder durch die Förderung von Öl aus dem Untergrund oder aufgrund natürlicher Sedimentverdichtungen."
    Stephanie Higgins und ihre Kollegen von der University of Colorado in Boulder nutzten einen Satelliten, der das Delta des Flusses etwa einmal im Monat überfliegt. An Bord ist ein Radargerät, dass die Landoberfläche abtastet.
    "Wenn sich die Oberfläche zwischen zwei Überflügen absenkt, brauchen die Radarwellen beim zweiten Überflug etwas länger, um wieder zum Satelliten zurückzukommen. Aus solchen Zeitunterschieden können wir ablesen, ob sich der Boden dem Satelliten annähert oder sich von ihm entfernt."
    Er entfernte sich vom Satelliten, und zwar sehr schnell. An einer Stelle maßen die US-amerikanischen Forscher eine Absenkung um einen ganzen Meter innerhalb von nur vier Jahren. Aber dafür war weder die Ölindustrie verantwortlich, noch die natürliche Verdichtung der Sedimente. Stattdessen seien Fischfarmen schuld, die Wasser aus dem Untergrund pumpten, sagt Stephanie Higgins. Das habe sie völlig überrascht.
    Im Mündungsbereich des Gelben Flusses reiht sich Fischfarm an Fischfarm, von der Küste bis weit ins Hinterland hinein. Sie pumpen Grundwasser aus der Tiefe, um damit ihre Aufzuchtbecken zu füllen. Das ist einfacher und billiger als Pipelines zu bauen, um das zum Teil viele Kilometer entfernte Meerwasser nutzen zu können. Durch die Grundwasserentnahme sackte die Oberfläche im Delta des Gelben Flusses 100 Mal schneller ab, als es durch die natürliche Verdichtung von Sedimenten möglich wäre. Und Fischfarmen an Flüssen und Küsten sind in Asien weitverbreitet.
    "Wir haben nur dieses eine Delta untersucht. Große Sorgen machen wir uns aber auch um das Delta des Mekong in Vietnam. Dort ist der Untergrund ähnlich beschaffen und es gibt viele Fischfarmen. Möglicherweise haben die Menschen dort also ein ähnliches Problem."
    Am Gelben Fluss wurden mittlerweile große Deiche errichtet, um einen weiteren Rückzug der Küstenlinie zu verhindern.
    "Einer dieser Deiche ist an seiner Basis mehr als 30 Meter breit, also wirklich massiv. Dadurch können sie den Küstenverlust aufhalten, aber das Land senkt sich ja weiterhin, und so könnten die Deiche instabil werden. Mich würde das beunruhigen."
    Im Delta des Gelben Flusses leben etwa vier Millionen Menschen. Sie alle stecken nun in einem Dilemma. Man könnte die Pumpen abstellen und damit vielleicht verhindern, dass sich das Land weiter senkt. Das fehlende Wasser aber würde die Fischzucht unmöglich machen und damit einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Region zerstören.