Noch in den 1970er-Jahren galt die Lehrmeinung, dass alles Leben von der Sonne abhängt. Dann wurden die Black Smoker entdeckt, an denen in der Tiefsee chemische Energie aus den Reaktionen von Wasser und Gestein reiche Ökosysteme antreibt. Das Sonnen-Dogma fiel, und die Suche nach chemischen Lebenswelten konzentrierte sich von da an auf den Ozeanboden. Vor acht Jahren allerdings fanden Geologen tief in einer südafrikanischen Goldmine ein seit mindestens 25 Millionen Jahren isoliertes Ökosystem. Damit war plötzlich auch die Tiefe der Kontinentalkruste interessant für Mikrobiologen. Allerdings war vollkommen unklar, wo überall in der Kontinentalkruste Leben möglich sein könnte.
"Wir haben die Bereiche untersucht, in denen die Milliarden Jahre alten Gesteine aus der Frühzeit der Erde erhalten geblieben sind."
Diese ältesten Bereiche machten immerhin 72 Prozent der Landmassen aus, erklärt Barbara Sherwood Lollar von der University of Toronto:
"An 19 Stellen rund um die Erde haben wir in Bohrlöchern, Bergwerken und unterirdischen Forschungslaboratorien Wasserproben genommen. Die Analyse zeigt, dass in zwei, drei Kilometern Tiefe, in den Klüften dieser uralten Kontinentalkruste, viel Grundwasser fließt - vielleicht mehr Wasser, als in allen Flüssen, Seen und Sümpfen zusammen. Dieses tiefe Grundwasser kann ein paar zehntausend Jahre alt sein, aber auch viele hundert Millionen Jahre. 2013 haben wir in Kanada tiefes Grundwasser entdeckt, dass seit weit mehr als einer Milliarde Jahre isoliert war. Alle diese tiefen Grundwässer sind wasserstoffreich. Und dieser Wasserstoff kann Grundlage sein für eigenständige, von der Außenwelt abgeschottete Biosphären."
Wasserstoffgehalte in tiefen Grundwässern unterschätzt
Der Wasserstoff entsteht dabei auf zwei Wegen: Einmal durch Radiolyse, wenn radioaktive Strahlung Wasser aufspaltet - und er wird als Nebenprodukt bei geochemischen Reaktion zwischen Wasser und Gestein frei. Die Kontinentalkruste aus der Frühzeit der Erde sei damit so etwas wie ein "schlafender Riese", den die Wissenschaft bislang übersehen habe, erklärt Barbara Sherwood-Lollar.
"Wir haben in diesen tiefen Grundwässern Wasserstoffgehalte gemessen, die so hoch liegen wie bei den Black Smokern in der Tiefsee. Aufgrund unserer Daten haben wir dann berechnet, wie viel Wasserstoff insgesamt tief in den Kontinenten entstehen könnte. Und es ist mindestens so viel Wasserstoff wie in den marinen Systemen. Das ist eine konservative Abschätzung. Damit haben wir die Menge an "Nahrung", die der Tiefen Biosphäre zur Verfügung steht, um die Hälfte unterschätzt - mindestens."
Der Wasserstoff reagiert zudem mit dem Kohlenstoff im System - sowohl rein anorganisch als auch mithilfe von Mikroben. So entsteht Methan, das von anderen Mikroorganismen genutzt werden kann. Diese alten, tiefen Grundwässer sind außerdem reich an gelösten Mineralen und Salzen. Von ihrer Chemie her gleichen sie damit den Fluiden, die die bizarren Lebenswelten der Black Smoker antreiben. In der tiefen Biosphäre der südafrikanischen Goldminen ist allerdings die Populationsdichte weit geringer als dort in der Tiefsee. Aber sie ist nicht winzig:
"In den tiefsten Bereichen dieser alten Grundwässer könnten jedoch zwei Faktoren das Leben begrenzen. Einmal kann Kohlenstoffmangel das Wachstum der Organismen behindern. Und vielleicht könnten die ältesten und tiefsten Grundwässer der Kontinente sogar steril sein. Das wäre für uns noch aufregender: ein System zu finden, das nicht vom Leben überprägt worden ist, wo rein chemische Reaktionen dominieren, so, wie sie vor der Entstehung des Lebens abgelaufen sind."
Der "schlafende Riese" könnte also nicht nur Lebensraum sein, sondern auch Hinweise darauf geben, wie sich Erde, Wasser und Luft entwickelt haben. Und so wäre es auch ein Erfolg, wenn sich bei der Analyse dieses weit mehr als eine Milliarde Jahre alten Grundwassers aus Kanada kein Leben findet. Das Ergebnis wird aber noch ein paar Monate auf sich warten lassen.