Dass man Daniil Charms "The Old Woman" nicht besonders ernst nehmen sollte, macht Bob Wilson schon gleich zu Anfang klar. Da defilieren Mikhail Baryshnikov und Willem Dafoe ausgelassen auf der Vorderbühne von rechts nach links, schwenken einen lustigen Hammer und ein großes buntes Ziffernblatt, auf dem statt der Zeiger nur eine große Hand angebracht ist.
Schwer zu sagen, wie spät es ist. In Daniil Charms Erzählung steht die Metapher der ziffernlosen Uhr am Beginn einer surrealen Folge von Episoden um eine alte Frau, die mit herrischem Gebaren in das Zimmer des Protagonisten eindringt, um dort zu sterben. Zuvor schon hatte der Ich-Erzähler erlebt, wie mehrere neugierige alte Frauen - eine nach der anderen - aus ihren Fenstern gefallen waren.
Der untote Leichnam in seinem Zimmer bringt den Ich-Erzähler in Schwierigkeiten, unter anderem weil er gerne eine junge Frau nach Hause mitnähme, die er in einer Bäckerei kennen gelernt hatte. Bob Wilson entnimmt der aus absurden Episoden zusammengesetzten Erzählung allemal nur einzelne Bilder: Das Zimmer des Protagonisten setzt sich aus sorgfältig ausgelegten Leuchtstoffröhren zusammen, den Konturen eines expressionistisch verschobenen Stuhles und einem kleinen Bettchen, das in der Mitte durchgeknickt ist.
Wie immer konturieren schnelle Lichtwechsel das Dekor. Mal erscheinen Requisiten und Akteure als schwarze Schemen vor dem hellen Hintergrund, mal tauchen einzelne Scheinwerfer die Objekte in diverse Farben; ein herrisches Klack aus der Tonspur gibt den Takt vor für die Sprünge in der Bildwelt.
In ihr bewegen sich der berühmte Tänzer und der berühmte Schauspieler wie ein doppeltes Lottchen: Mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, Krawatte der eine, Fliege der andere, beide mit hellgrau gepuderter steifer Perücke, Locke links der eine, Locke rechts der andere.
Eine klare Figurenzuordnung lässt sich nicht ausmachen. Mal ist Willem Dafoe die alte Dame, mal Mikhail Baryshnikov der Freund Sakerdon Mikhailovitsch, den der Protagonist zu Wodka und Cervelatwurst einlädt. In langen roten Schnüren hängen diese von der Bühnendecke, wie immer ist Bob Wilsons Bilderwelt penibel ausgezirkelt, ein Kampfplatz für die Begegnung der Geometrie mit kosmischen Clowns, einer toten Ordnung mit grellen Bewegungsschemata.
Erstaunlich an dieser Konfrontation ist, dass es Wilson tatsächlich gelingt, dem Startänzer und Ballettdirektor sowie dem Filmstar ihr Image zu nehmen, und sie im Wilson-System der Entpersönlichung quasi verschwinden zu lassen. Hinter der gefühlt zentimeterdicken weißen Schminke mit ihren schwarzen zu Grimassen gefrorenen Gesichtszügen werden sie unkenntlich; es bleibt nichts als der Körperausdruck, die Mathematik der Gesten, Posen und die Erstarrung im Erschrecken, die hier als Leitmotiv immer wieder auftaucht, mit schräg nach hinten gerecktem Oberkörper und hoch geworfenen Armen.
Aber diese optischen Reize bleiben eine schicke Oberfläche. Hinter ihnen ist keinesfalls das Mysterium zu ahnen, das Daniil Charms umtrieb, nicht diese Vorstellung vom Einbrechen des Jenseits in die Banalität diesseitiger Verrichtungen, nicht die surreal gebrochene Sehnsucht nach Wundern und dem Heiligen.
Das Theater des Amerikaners ist, hier zeigt es sich erneut, eine Neudefinition des Musicals, das beim Zuschauer eine kindliche Freude über optische und akustische Effekte voraussetzt. In Paris findet Bob Wilson ein dankbares Publikum, ihm ist bei diesem Herbstfestival ein ganzer Programmschwerpunkt gewidmet. Zu ihm gehören "Peter Pan" vom Berliner Ensemble und eine Wiederaufnahme der Erfolgsinszenierung "Einstein on the Beach".
Schwer zu sagen, wie spät es ist. In Daniil Charms Erzählung steht die Metapher der ziffernlosen Uhr am Beginn einer surrealen Folge von Episoden um eine alte Frau, die mit herrischem Gebaren in das Zimmer des Protagonisten eindringt, um dort zu sterben. Zuvor schon hatte der Ich-Erzähler erlebt, wie mehrere neugierige alte Frauen - eine nach der anderen - aus ihren Fenstern gefallen waren.
Der untote Leichnam in seinem Zimmer bringt den Ich-Erzähler in Schwierigkeiten, unter anderem weil er gerne eine junge Frau nach Hause mitnähme, die er in einer Bäckerei kennen gelernt hatte. Bob Wilson entnimmt der aus absurden Episoden zusammengesetzten Erzählung allemal nur einzelne Bilder: Das Zimmer des Protagonisten setzt sich aus sorgfältig ausgelegten Leuchtstoffröhren zusammen, den Konturen eines expressionistisch verschobenen Stuhles und einem kleinen Bettchen, das in der Mitte durchgeknickt ist.
Wie immer konturieren schnelle Lichtwechsel das Dekor. Mal erscheinen Requisiten und Akteure als schwarze Schemen vor dem hellen Hintergrund, mal tauchen einzelne Scheinwerfer die Objekte in diverse Farben; ein herrisches Klack aus der Tonspur gibt den Takt vor für die Sprünge in der Bildwelt.
In ihr bewegen sich der berühmte Tänzer und der berühmte Schauspieler wie ein doppeltes Lottchen: Mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, Krawatte der eine, Fliege der andere, beide mit hellgrau gepuderter steifer Perücke, Locke links der eine, Locke rechts der andere.
Eine klare Figurenzuordnung lässt sich nicht ausmachen. Mal ist Willem Dafoe die alte Dame, mal Mikhail Baryshnikov der Freund Sakerdon Mikhailovitsch, den der Protagonist zu Wodka und Cervelatwurst einlädt. In langen roten Schnüren hängen diese von der Bühnendecke, wie immer ist Bob Wilsons Bilderwelt penibel ausgezirkelt, ein Kampfplatz für die Begegnung der Geometrie mit kosmischen Clowns, einer toten Ordnung mit grellen Bewegungsschemata.
Erstaunlich an dieser Konfrontation ist, dass es Wilson tatsächlich gelingt, dem Startänzer und Ballettdirektor sowie dem Filmstar ihr Image zu nehmen, und sie im Wilson-System der Entpersönlichung quasi verschwinden zu lassen. Hinter der gefühlt zentimeterdicken weißen Schminke mit ihren schwarzen zu Grimassen gefrorenen Gesichtszügen werden sie unkenntlich; es bleibt nichts als der Körperausdruck, die Mathematik der Gesten, Posen und die Erstarrung im Erschrecken, die hier als Leitmotiv immer wieder auftaucht, mit schräg nach hinten gerecktem Oberkörper und hoch geworfenen Armen.
Aber diese optischen Reize bleiben eine schicke Oberfläche. Hinter ihnen ist keinesfalls das Mysterium zu ahnen, das Daniil Charms umtrieb, nicht diese Vorstellung vom Einbrechen des Jenseits in die Banalität diesseitiger Verrichtungen, nicht die surreal gebrochene Sehnsucht nach Wundern und dem Heiligen.
Das Theater des Amerikaners ist, hier zeigt es sich erneut, eine Neudefinition des Musicals, das beim Zuschauer eine kindliche Freude über optische und akustische Effekte voraussetzt. In Paris findet Bob Wilson ein dankbares Publikum, ihm ist bei diesem Herbstfestival ein ganzer Programmschwerpunkt gewidmet. Zu ihm gehören "Peter Pan" vom Berliner Ensemble und eine Wiederaufnahme der Erfolgsinszenierung "Einstein on the Beach".