Wer für eine Terrormiliz im Ausland kämpft, soll die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren. Allerdings nur, wenn er noch eine weitere hat. Denn Deutschland hat sich verpflichtet, Staatenlosigkeit zu vermeiden. Der Gesetzentwurf, über den der Bundestag heute in erster Lesung berät, stammt aus dem CSU-geführten Bundesinnenministerium. Aber auch Justizministerin Katarina Barley verteidigt ihn:
"Es geht im Grunde genommen um das Hinwenden zu einer Organisation, die sich von den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung völlig abgewendet hat, zu einer ausländischen Macht, auch wenn sie nicht in dem Sinne ein ausländischer Staat ist."
Nach der Diskussion über die Rücknahme von aus Deutschland kommenden IS-Kämpfern, die in kurdischen Gefängnissen sitzen, kam Barley mit Innenminister Seehofer überein, diesen Punkt schneller umzusetzen als andere Regelungen im Staatsangehörigkeitsrecht.
Ausbürgerungen verbietet das Grundgesetz
Dabei ist allerdings klar: So etwas geht nicht rückwirkend. Nach den Erfahrungen der NS-Zeit verbietet das Grundgesetz Ausbürgerungen. Welche Handlungen zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen, muss vorher klar sein. Das ist ein Grund, warum Teile der Opposition den Entwurf kritisieren. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae spricht von Schaufensterpolitik:
"Das ist eine Politik, die gefällt, die gut ankommt, die aber gar kein Problem löst. Denn wie viele Leute gehen denn noch künftig in IS-Gebiete, jetzt zu Zeiten, wo der IS besiegt zu sein scheint, jedenfalls sich die Kämpfe dem Ende entgegenneigen. Das Problem, das wir eigentlich lösen müssen ist die Frage: Was machen wir mit den vielen Deutschen, die noch in diesen Gebieten sind?"
In jedem Fall sind die Hürden hoch, sagt der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch: "Man muss ja erstmal jemandem diese Beteiligung an den Kämpfen in Syrien, im Irak oder wo auch immer, erstmal nachweisen können."
Damit allerdings geht es hier gerade um den - kleineren - Personenkreis, den man auch wegen dieser Teilnahme an Kampfhandlungen in Deutschland verurteilen könnte. Auch deshalb wirft die Partei "Die Linke" Seehofer vor, Deutschland wolle sich aus der Verantwortung stehlen. Zumal man andererseits von anderen Staaten verlange, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen.
"Hau-Ab-Gesetz" und Duldung zweiter Klasse
Darum geht es beim anderen heute diskutierten Entwurf, der Abschiebungen erleichtern soll und für einen Teil der Ausreisepflichtigen Verschlechterungen bringt. "Geordnete Rückkehr-Gesetz" nennt es das Bundesinnenministerium, "Pro Asyl" spricht drastisch vom "Hau-Ab-Gesetz".
Ein Kernstück: Eine Duldung zweiter Klasse für vollziehbar Ausreisepflichtige, die nach Ansicht der Behörden nicht ausreichend dabei mitwirken, ihre eigene Ausreise zu ermöglichen, so Horst Seehofer:
"Wer also eine Duldung mit ungeklärter Identität besitzt, muss, wenn er diese Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, mit folgenden Sanktionen rechnen: Erstens: Es gibt keine Aufenthaltsverfestigung. Zweitens: ein Arbeitsverbot. Drittens: Es greifen Wohnsitzauflagen. Und viertens: Es können auch Bußgelder verhängt werden."
Kritik der Opposition
Sozialleistungen sollen gekürzt werden, Haft und Arrest in sehr viel mehr Fällen als bisher möglich sein. Mitwirkung heißt vor allem: Papiere beschaffen. Das klinge erstmal plausibel, meint Bellinda Bertolucci von "Pro Asyl". Tatsächlich aber sei das bei vielen Herkunftsstaaten gar nicht so einfach:
"Beispielsweise wird immer wieder angeführt: Afghanistan. Da reicht es oftmals nicht, dass eine Person zur Botschaft hingegangen ist und einen Pass beantragt hat. Denn sie muss ihr Identitätsdokument, die sogenannte Tazkira, erstmal in Afghanistan beglaubigen lassen. Dort erstmal noch mit einer Tazkira von einem Verwandten väterlicherseits weitere Nachweise vorlegen."
Diese neuen Regeln würden gerade nicht zur Abschiebung führen, ergänzt der Grüne Hamburger Justizsenator Till Steffen. Sondern:
"Das verschärft ein Problem, das wir jetzt schon häufig haben, dass die Leute nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, dass sie hier aber auch nicht ankommen können. Dass ihnen also keine Möglichkeiten der Integration gegeben werden und solche Leute dann keine Perspektive haben. Die haben dann häufig auch sehr große Probleme und machen Probleme."
Unter den besonders umstrittenen Regeln ist eine weitere Kürzung von Sozialleistungen: Wer in einem anderen EU-Staat Schutz zugesprochen bekommen hat soll - außer Nothilfe für kurze Zeit - gar nichts mehr bekommen.
Und: Weil es derzeit zu wenig Plätze gibt, soll Abschiebehaft auch in Strafhaftanstalten möglich sein. Der AfD geht das Gesetz nicht weit genug. Wohlfahrtsorganisationen dagegen und neben Abgeordneten von Grünen und Linken auch Einzelne in der SPD kritisieren es scharf als zu weitgehend und bezweifeln die Wirksamkeit der Verschärfungen.