Das Datum ist bewusst gewählt: Am 4. April 1984 beginnt der von John Hurt gespielte Winston Smith sein Tagebuch. Michael Radfords Verfilmung des Romans bebildert George Orwells düstere Zukunftsvision in Grau- und Brauntönen. Die Handlung bleibt der Buchvorlage treu: In der - vom Buch aus gesehen - Zukunft des Jahres 1984 wird der Megastaat Ozeanien totalitär regiert, mit einem "großen Bruder" als Führerfigur, dessen Gesicht auf riesigen Bildschirmen immer präsent ist. Es scheint unmöglich, der ständigen medialen Berieselung durch die Systempropaganda zu entkommen.
Filmausschnitt "1984":
"Krieg ist Frieden - Freiheit Sklaverei - Unwissenheit ist Stärke."
Keine leichte Kinokost. Paul Malcolm ist beim Billy Wilder Theater, einem kleinen Art-House-Kino in Los Angeles, verantwortlich fürs Programm. Als Kollegen anderer Kinos auf ihn zukamen mit der Idee, "1984" wieder zu zeigen, sagte er schnell zu.
Paul Malcolm:
"'1984' - ist als fiktionale Erzählung der Referenzpunkt, wenn es darum geht, wie eine Diktatur funktioniert. Wenn man so ein System beschreiben will, wie es aussehen könnte, welche Sprache verwendet wird, dann bezieht man sich einfach auf '1984'."
"1984" plötzlich wieder in den Bestsellerlisten
Kurz nachdem Präsident Trump im Januar sein Amt antrat, stand das Buch "1984" plötzlich wieder in den Bestsellerlisten. Oft wurde es zitiert, um eine umstrittene Aussage von Trumps Beraterin Kellyanne Conway einzuordnen: Nachdem Trumps Pressesprecher zu den Besucherzahlen am Tag seiner Inauguration falsche Angaben gemacht hatte, wurde sie beim Sender NBC News darauf angesprochen. Sie sagte rechtfertigend: Das seien - so wörtlich - "alternative Fakten" gewesen. Moderator Chuck Todd entgegnete, dass "alternative Fakten" keine Fakten seien, sondern Falschaussagen. Das erinnerte doch sehr daran, wie in "1984" die Regimepropaganda Zeitungsartikel im Nachhinein ändern lässt und damit letztlich die Geschichtsschreibung fälscht.
In den USA zeigen mehr als 180 Programmkinos den Film, dazu kommen Kinos in Kanada, Großbritannien und den Niederlanden. Paul Malcolm vom Billy-Wilder-Kino sieht das aber nicht als Aktion, die per se gegen die Trump-Regierung gerichtet ist:
"Bei den Themen, die Orwell behandelt und die im Film auftauchen, kommt es nicht darauf an, wo man politisch steht: Jeder sollte die Medien, aus denen er seine Informationen bezieht, kritisch prüfen, und auch die Politiker. Das gilt überparteilich. Ich finde, Bürger einer Demokratie haben eine Verantwortung, das zu tun."
Filmarchiv muss um Förderung fürchten
Der Filmhistoriker arbeitet am renommierten Film- und Fernseharchiv der University of California in Los Angeles. Für ihn selbst habe der Film noch eine persönliche Botschaft, sagt er:
"Als Programmverantwortlicher, der an einem Archiv arbeitet, weiß ich: Man braucht kein diktatorisches Regime, um die Geschichte auszulöschen. Da genügt schon Vernachlässigung: Wenn man die historischen Kunstwerke wie klassische Filme nicht ausreichend konserviert, dann zersetzen sie sich von selbst."
Bislang wird die Arbeit des Archivs auch mit Geldern aus Washington finanziert, etwa über die Kulturfördereinrichtung National Endowment for the Arts. Noch - Präsident Trump hat einen Vorstoß gemacht, diese Fördermittel in Zukunft ersatzlos zu streichen.