Er war ein Mann der Superlative: Mehr als tausend Pfeifen soll er gesammelt und über 10.000 Geliebte gehabt haben. Vor allem aber schrieb Georges Simenon wie ein Besessener. Von seiner Freundin Josephine Baker trennte er sich, weil er im Jahr ihres Zusammenseins nur vier Bücher zustande brachte. Für den Autor der Maigret-Romane war das zu wenig.
Georges Simenon wurde am 13. Februar 1903 im belgischen Liège geboren. Mit 16 verließ er die Schule und arbeitete als Lokalreporter. Sein Traumberuf war das noch nicht.
"Als ich mit zwölf Jahren beschloss, Schriftsteller zu werden, war ich davon überzeugt, dass das kein Beruf ist, sondern dass man aus Spaß schreibt und veröffentlicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, damit Geld zu verdienen. Wenn man mich fragte, was ich werden wollte, sagte ich Priester oder Offizier, vielleicht waren das die Berufe, die genügend Zeit zum Schreiben ließen."
Mit 17 schrieb Simenon seinen ersten Roman. Es folgten Erzählungen in Pariser Journalen. Nur Colette, Feuilletonchefin der auflagenstarken Tageszeitung Le Matin und schon erfolgreiche Schriftstellerin, lehnte ab:
"Junger Mann, Sie schreiben zu literarisch, viel zu literarisch."
Nur ein Vokabular von gut 2.000 Wörtern
Simeon nahm sich die Kritik zu Herzen, schrieb einfacher und vor allem schneller. Die Liebesromane, Abenteuer- und Kriminalgeschichten, die in großer Zahl entstanden, brachten kommerziellen Erfolg, doch eine individuelle Handschrift war darin nicht zu erkennen.
Das änderte sich im Winter 1929, als er in einem Café im niederländischen Delfzijl die Figur eines unauffälligen, Pfeife rauchenden Pariser Kommissars erfand, dessen Behäbigkeit täuscht. Denn Jules Maigret besitzt die Gabe, jeden Mörder zu überführen. Mit seinem ersten Maigret-Roman, dem gleich weitere folgten, wechselte Simenon nicht nur seinen Stil, es war auch sein erstes Werk, das er unter eigenem Namen veröffentlichte. Schlagartig wurde er berühmt und machte ausschweifende Weltreisen. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er für einige Jahre nach Amerika. Wieder in Europa, ließ er sich eine riesige Villa über dem Genfer See bauen mit Swimmingpool und eigenem Operationssaal. Zu der wachsenden Fangemeinde der Maigret-Romane gehörten mittlerweile die Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez, André Gide und William Faulkner, der lobte:
"Simenons Kriminalromane erinnern mich an Tschechow".
Für die Anerkennung als seriöser Literat reichte das trotzdem nicht. Linguisten hatten herausgefunden, dass jeder Maigret-Roman mit einem Vokabular von gut 2.000 Wörtern auskommt. Mit ambitionierteren Werken außerhalb der Maigret-Reihe versuchte Simenon, die Literaturkritik zu überzeugen und war enttäuscht, wie wenig seine Anstrengungen fruchteten.
"Schreiben ist etwas sehr Schmerzhaftes, sehr Schwieriges, eine mühsame Geburt, das macht man keineswegs so mit flottem Federschwung wie die Leute in einer schlauen Literaturzeitschrift, die sich sowieso nur füreinander interessieren. Diese Leute haben doch keine Ahnung, was es heißt, wirklich zu schreiben, etwas zu schaffen, Figuren zu erfinden, ein menschliches Drama zu entstehen zu lassen. Es ist so schwer, dass man dabei draufgeht. Ich kann unmöglich eine erschütternde Figur beschreiben, wenn ich nicht selbst erschüttert bin."
Der erfolgreichste literarische Ermittler aller Zeiten
1972 schrieb Simenon seinen 75. Maigret. Dann ließ er die Berufsbezeichnung "Schriftsteller" aus seinem Pass streichen und zog mit seiner letzten Geliebten Theresa nach Lausanne und diktierte seine Erinnerungen, die 21 Bände füllten, doch kaum gelesen wurden. Im Gegensatz zu seiner letzten Veröffentlichung, dem Alterswerk "Intime Memoiren", eine bittere Hommage an seine Tochter Marie-Jo, die sich 1978 das Leben genommen hatte.
Georges Simenon starb am 4. September 1989 mit 86 Jahren im Schlaf.
Erst mit den Jahren würdigte die Kritik die literarische Raffinesse seines Oeuvres. Seinen atmosphärisch dichten Stil, der die Lügen und Laster der bürgerlichen Existenz subtil entlarvt. Bis heute ist sein Kommissar Maigret der erfolgreichste literarische Ermittler aller Zeiten, der meistkopierte und auch der meistverfilmte.