Während bei der Vocalise von Sergei Rachmaninow eine romantisierende Sehnsucht nach dem Gestern anklingt, stehen die Werke von Dmitri Schostakowitsch, Giya Kancheli und Arvo Pärt für die Sowjet-Ära und den von diesem System auch auf die Kunst ausgeübten politischen Druck.
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Anfang des 4. Satzes aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
So burlesk und heiter geht es eigentlich nur im letzten Satz des 1. Violinkonzerts von Schostakowitsch zu. Hier macht sich ein leicht folkloristisch gefärbter Ton breit und sorgt für einen munteren Kehraus. Auch im 2. Satz, einem Scherzo, hat Lisa Batiashvili die Möglichkeit, ein wahres Feuerwerk geigerischer Finessen abzubrennen, auch hier gibt es viel Temperament und aufgedrehtes Musikantentum, aber die entsprechenden Charakterisierungen dieser Musik müssten hier ‚grotesk-parodistisch' und manchmal auch ‚dämonisch-hintergründig' lauten. Dominiert wird dieses Violinkonzert jedoch von den ruhigen, kantablen Klängen der beiden deutlich längeren Sätze 1 und 3: Schon der Anfang ist ungewöhnlich leise, wie aus dem Nichts entwickelt sich ein mit "Nocturne" überschriebener lyrischer Adagio-Satz voller Ruhe und innerer Ausgewogenheit, die durch den Verzicht auf lebhafte thematische Kontraste erreicht wird.
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77, 1. Satz Nocturne
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Komponiert hat Schostakowitsch dieses 1. Violinkonzert 1948, zu einer Zeit, als er und viele andere Künstler wieder einmal in die Schusslinie der sowjetischen Kulturbürokratie geraten waren. Im Zentralkomitee der KPdSU war über den "beklagenswerten" Zustand des sowjetischen Musiklebens debattiert und in einem ZK-Beschluss war die "formalistische" und "volksfremde" Richtung in der zeitgenössischen Musik angeprangert worden. Schostakowitsch ließ sein frisches Violinkonzert erst einmal in der Schublade. Erst Jahre später, im Oktober 1955, nach Stalins Tod, konnte das Werk uraufgeführt werden: mit dem Solisten David Oistrach und den Leningrader Philharmonikern. Wenn man so will, ist Lisa Batiashvili, die Solistin der vorliegenden Aufnahme, so etwas wie die musikalische Enkelin David Oistrachs, denn als sie mit 11 Jahren nach Deutschland kam, war in Hamburg mit Mark Lubotsky ein Oistrach-Schüler ihr Lehrer. Von ihm erfuhr sie alle möglichen Geschichten, die sich gerade um dieses Violinkonzert ranken, aber auch emotionale und präzise musikalische Informationen, die noch auf Schostakowitsch zurückgingen.
Im Zentrum des Konzerts steht eine Passacaglia, aus der sich eine große Solokadenz löst. Dieser schmerzerfüllte, unsagbar traurige Gesang der Violine über dem unerbittlich immer wiederkehrenden Bassthema wirkt wie das Ebenbild eines Menschenlebens, das auch in der Hölle des Stalinismus noch den aufrechten Gang versucht.
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77: 3. Satz Passacaglia
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Lisa Batiashvili weist im Gespräch gerne darauf hin, dass ihr Geburtsland schon rein klimatisch gesehen ein südliches Land ist, mit acht Monaten Sonne im Jahr, und dass die den heißblütigen Süditalienern oder Griechen nahestehenden Georgier sich von den eher kühlen Russen doch deutlich unterscheiden. In ihrem Violinspiel spürt man in der Tat eine südliche Glut, eine starke Intensität. Und das nicht nur in temperamentvoll-virtuosen Sätzen, sondern gerade auch in eher leisen und ruhigen Momenten. Dies kommt besonders der Musik ihres Landsmannes Giya Kancheli zugute, der 1995 entstandenen Komposition "Violin and Voice". Der Titel weist auf die beiden vom Orchester begleiteten, solistischen Klangquellen hin, und die Stimme, die als Tonbandeinspielung zu hören ist, stammt von dem berühmten, 1985 verstorbenen georgischen Volkssänger Hamlet Gonashvili, den Kancheli sehr verehrte und für den er 1973 den Vokalpart seiner dritten Symphonie konzipierte. In "Violin and Voice" symbolisiert die ätherische Tenorstimme das Ewige, während die Solovioline und das Streichorchester das Irdische verkörpern - so Kancheli in einer Werknotiz. Zu einer solch allgemein-religiösen Betrachtungsweise kommt hier ein inzwischen 75jähriger Komponist, der sich all das, was um ihn herum geschieht, sehr zu Herzen nimmt, der mit tiefem Bedauern sieht, wie unser Planet trotz der offensichtlichen Verbesserungen einer zivilisierten Welt immer wieder auch von Blutvergießen und unüberbrückbaren Gegensätzen zerrissen wird und der mit seiner Musik den Seelenzustand auszudrücken versucht, in dem er sich angesichts dieser Kontraste befindet.
" Giya Kancheli
aus: Violin and Voice
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Konkreter noch als im Werk von Kancheli manifestiert sich das Religiöse in den Kompositionen des heute ebenfalls 75jährigen estnischen Komponisten Arvo Pärt, der seinen persönlichen Stil nach längerer Beschäftigung mit der Gregorianik Mitte der 70er-Jahre fand. Ein Ziel dieses Stils ist die Reduktion des Klangmaterials auf das absolut Wesentliche. So besteht auch das von Lisa Batiashvili hier eingespielte Stück "Spiegel im Spiegel" kompositionstechnisch nur aus zwei Elementen: Tonleiterbewegungen in der Geige, Dreiklangsstrukturen im Klavierpart. Beide Elemente sind durch strenge Regeln miteinander verknüpft. Mithilfe alter Techniken entwickelt Pärt dann Formen, die durch ihre Regelmäßigkeit große Ruhe ausstrahlen. Und auch hier wieder eine ins Transzendentale weisende Deutung: Die Statik der Dreiklangstöne repräsentiert sozusagen die Ewigkeit, die Dynamik des Melodischen die Vergänglichkeit der Zeit. Bei diesem Stück, das seit seiner Entstehung 1978 auch gerne in Kino- und Fernsehfilmen, Theaterstücken und Balletten verwendet wird, hören Sie neben Lisa Batiashvili die französische Pianistin Hélène Grimaud.
" Arvo Pärt
aus: Spiegel im Spiegel
Lisa Batiashvili, Violine
Hélène Grimaud, Klavier
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
1994 zog Lisa Batiashvili mit ihren Eltern nach München, bis sie sich 15 Jahre später mit ihrem Mann, dem Oboisten Francois Leleux, in Frankreich niederließ. Aus der Münchner Zeit kennt sie noch viele der Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, mit denen sie diese CD realisiert hat. Sie wird auch von vielen anderen renommierten Sinfonieorchestern der Welt als Solistin eingeladen und hat bereits mit vielen namhaften Dirigenten zusammengearbeitet - hier ist es der Finne Esa-Pekka Salonen. Mit dieser CD "Echoes of Time" blickt sie auf ihre Vergangenheit zurück, gleichzeitig engagiert sie sich für die Menschen in ihrem Heimatland, die unter Entbehrungen und Krieg gelitten haben. In diesen Tagen startet sie eine Benefizaktion für jene einzigartige Hochbegabten-Musikschule in ihrer Heimatstadt Tiflis, die sie als kleines Mädchen wie fast jeder der heute weltbekannten Musiker Georgiens selbst besuchte und die heute, was Gebäude und Ausstattung angeht, in einem erbärmlichen Zustand ist. Und wo sie vielleicht auch erstmals diesen Walzer von Schostakowitsch hörte, den ihr Vater für Violine und Orchester eingerichtet hat.
" Dmitri Schostakowitsch
Aus: Lyrischer Walzer
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Anfang des 4. Satzes aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
So burlesk und heiter geht es eigentlich nur im letzten Satz des 1. Violinkonzerts von Schostakowitsch zu. Hier macht sich ein leicht folkloristisch gefärbter Ton breit und sorgt für einen munteren Kehraus. Auch im 2. Satz, einem Scherzo, hat Lisa Batiashvili die Möglichkeit, ein wahres Feuerwerk geigerischer Finessen abzubrennen, auch hier gibt es viel Temperament und aufgedrehtes Musikantentum, aber die entsprechenden Charakterisierungen dieser Musik müssten hier ‚grotesk-parodistisch' und manchmal auch ‚dämonisch-hintergründig' lauten. Dominiert wird dieses Violinkonzert jedoch von den ruhigen, kantablen Klängen der beiden deutlich längeren Sätze 1 und 3: Schon der Anfang ist ungewöhnlich leise, wie aus dem Nichts entwickelt sich ein mit "Nocturne" überschriebener lyrischer Adagio-Satz voller Ruhe und innerer Ausgewogenheit, die durch den Verzicht auf lebhafte thematische Kontraste erreicht wird.
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77, 1. Satz Nocturne
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Komponiert hat Schostakowitsch dieses 1. Violinkonzert 1948, zu einer Zeit, als er und viele andere Künstler wieder einmal in die Schusslinie der sowjetischen Kulturbürokratie geraten waren. Im Zentralkomitee der KPdSU war über den "beklagenswerten" Zustand des sowjetischen Musiklebens debattiert und in einem ZK-Beschluss war die "formalistische" und "volksfremde" Richtung in der zeitgenössischen Musik angeprangert worden. Schostakowitsch ließ sein frisches Violinkonzert erst einmal in der Schublade. Erst Jahre später, im Oktober 1955, nach Stalins Tod, konnte das Werk uraufgeführt werden: mit dem Solisten David Oistrach und den Leningrader Philharmonikern. Wenn man so will, ist Lisa Batiashvili, die Solistin der vorliegenden Aufnahme, so etwas wie die musikalische Enkelin David Oistrachs, denn als sie mit 11 Jahren nach Deutschland kam, war in Hamburg mit Mark Lubotsky ein Oistrach-Schüler ihr Lehrer. Von ihm erfuhr sie alle möglichen Geschichten, die sich gerade um dieses Violinkonzert ranken, aber auch emotionale und präzise musikalische Informationen, die noch auf Schostakowitsch zurückgingen.
Im Zentrum des Konzerts steht eine Passacaglia, aus der sich eine große Solokadenz löst. Dieser schmerzerfüllte, unsagbar traurige Gesang der Violine über dem unerbittlich immer wiederkehrenden Bassthema wirkt wie das Ebenbild eines Menschenlebens, das auch in der Hölle des Stalinismus noch den aufrechten Gang versucht.
" Dmitri Schostakowitsch
aus: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, op. 77: 3. Satz Passacaglia
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Lisa Batiashvili weist im Gespräch gerne darauf hin, dass ihr Geburtsland schon rein klimatisch gesehen ein südliches Land ist, mit acht Monaten Sonne im Jahr, und dass die den heißblütigen Süditalienern oder Griechen nahestehenden Georgier sich von den eher kühlen Russen doch deutlich unterscheiden. In ihrem Violinspiel spürt man in der Tat eine südliche Glut, eine starke Intensität. Und das nicht nur in temperamentvoll-virtuosen Sätzen, sondern gerade auch in eher leisen und ruhigen Momenten. Dies kommt besonders der Musik ihres Landsmannes Giya Kancheli zugute, der 1995 entstandenen Komposition "Violin and Voice". Der Titel weist auf die beiden vom Orchester begleiteten, solistischen Klangquellen hin, und die Stimme, die als Tonbandeinspielung zu hören ist, stammt von dem berühmten, 1985 verstorbenen georgischen Volkssänger Hamlet Gonashvili, den Kancheli sehr verehrte und für den er 1973 den Vokalpart seiner dritten Symphonie konzipierte. In "Violin and Voice" symbolisiert die ätherische Tenorstimme das Ewige, während die Solovioline und das Streichorchester das Irdische verkörpern - so Kancheli in einer Werknotiz. Zu einer solch allgemein-religiösen Betrachtungsweise kommt hier ein inzwischen 75jähriger Komponist, der sich all das, was um ihn herum geschieht, sehr zu Herzen nimmt, der mit tiefem Bedauern sieht, wie unser Planet trotz der offensichtlichen Verbesserungen einer zivilisierten Welt immer wieder auch von Blutvergießen und unüberbrückbaren Gegensätzen zerrissen wird und der mit seiner Musik den Seelenzustand auszudrücken versucht, in dem er sich angesichts dieser Kontraste befindet.
" Giya Kancheli
aus: Violin and Voice
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
Konkreter noch als im Werk von Kancheli manifestiert sich das Religiöse in den Kompositionen des heute ebenfalls 75jährigen estnischen Komponisten Arvo Pärt, der seinen persönlichen Stil nach längerer Beschäftigung mit der Gregorianik Mitte der 70er-Jahre fand. Ein Ziel dieses Stils ist die Reduktion des Klangmaterials auf das absolut Wesentliche. So besteht auch das von Lisa Batiashvili hier eingespielte Stück "Spiegel im Spiegel" kompositionstechnisch nur aus zwei Elementen: Tonleiterbewegungen in der Geige, Dreiklangsstrukturen im Klavierpart. Beide Elemente sind durch strenge Regeln miteinander verknüpft. Mithilfe alter Techniken entwickelt Pärt dann Formen, die durch ihre Regelmäßigkeit große Ruhe ausstrahlen. Und auch hier wieder eine ins Transzendentale weisende Deutung: Die Statik der Dreiklangstöne repräsentiert sozusagen die Ewigkeit, die Dynamik des Melodischen die Vergänglichkeit der Zeit. Bei diesem Stück, das seit seiner Entstehung 1978 auch gerne in Kino- und Fernsehfilmen, Theaterstücken und Balletten verwendet wird, hören Sie neben Lisa Batiashvili die französische Pianistin Hélène Grimaud.
" Arvo Pärt
aus: Spiegel im Spiegel
Lisa Batiashvili, Violine
Hélène Grimaud, Klavier
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "
1994 zog Lisa Batiashvili mit ihren Eltern nach München, bis sie sich 15 Jahre später mit ihrem Mann, dem Oboisten Francois Leleux, in Frankreich niederließ. Aus der Münchner Zeit kennt sie noch viele der Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, mit denen sie diese CD realisiert hat. Sie wird auch von vielen anderen renommierten Sinfonieorchestern der Welt als Solistin eingeladen und hat bereits mit vielen namhaften Dirigenten zusammengearbeitet - hier ist es der Finne Esa-Pekka Salonen. Mit dieser CD "Echoes of Time" blickt sie auf ihre Vergangenheit zurück, gleichzeitig engagiert sie sich für die Menschen in ihrem Heimatland, die unter Entbehrungen und Krieg gelitten haben. In diesen Tagen startet sie eine Benefizaktion für jene einzigartige Hochbegabten-Musikschule in ihrer Heimatstadt Tiflis, die sie als kleines Mädchen wie fast jeder der heute weltbekannten Musiker Georgiens selbst besuchte und die heute, was Gebäude und Ausstattung angeht, in einem erbärmlichen Zustand ist. Und wo sie vielleicht auch erstmals diesen Walzer von Schostakowitsch hörte, den ihr Vater für Violine und Orchester eingerichtet hat.
" Dmitri Schostakowitsch
Aus: Lyrischer Walzer
Lisa Batiashvili, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Esa-Pekka Salonen
LC 0173 Deutsche Grammophon Gesellschaft
477 9299 "