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Geplante Obsoleszenz
Wegwerf-Irrsinn im Murkseum

Wir leben in der Wegwerfgesellschaft - teils unfreiwillig, weil man vieles gar nicht mehr reparieren kann oder soll. Experten sprechen von "geplanter Obsoleszenz". Den absichtlich, durch schnell zerstörbare Bauteile ausgelösten Verfall von Produkten zeigt ab sofort der "Murks-Showroom" in Berlin.

Von Andreas Becker | 05.03.2014
    Farbpatrone in einem Drucker
    Wenn nach 1.500 Seiten nicht mehr gedruckt wird, muss die Patrone noch lange nicht leer sein. (dpa/picture alliance/Heiko Wolfraum)
    Es wirkt wie der Total-Ausverkauf eines Elektromarktes: Hinter den großen Schaufensterscheiben eines Kreuzberger Gewerkschaftsgebäudes stehen zwei Waschmaschinen. Wie ausgeweidet. Aus der einen hängt oben eine grüne Platine heraus, die andere Maschine wirkt wie nackt, ohne Verkleidung. Bei beiden ist der Markenname überklebt. In diesem "Laden" stehen nur Dinge, die Verbraucher zurückgebracht haben, weil sie – oft schon nach kurzer Zeit – nicht mehr funktionieren.
    Murks-Sammler Stefan Schridde, steht vor einer Verschleiß-Innovation: "Wir hören hier den Laugenbehälter - aus Kunststoff - in einer Waschmaschine. Früher war der Laugenbehälter aus Edelstahl. Das gibt’s heute kaum noch. Heute sind fast alle Hersteller dazu übergegangen, den aus Kunststoff zu machen. Früher war das eine Reparatur in 30 Minuten, heute dauert das sechsmal so lange. Ist ein wirtschaftlicher Totalschaden."
    Der alte Punkspruch: Ich geh kaputt - gehst du mit? Im Murkseum von Stefan Schridde erhält er eine ganz neue Bedeutung. Küchenmaschinen, Staubsauger und Monitore stehen wie Kunstobjekte auf Holzsockeln.
    Versteckte Schrauben, verklebte Akkus
    Sehr beliebt bei der Industrie - die versteckte Schraube: "Das ist ein tolles Beispiel. Hier drin wird Milch aufgeschäumt. Okay. Weil interessanterweise der Hersteller es geschafft hat, hier nicht nur Schrauben einzubauen, sondern den Boden auch noch zu verkleben. Da fragt man sich, was soll denn die Schraube? Man kann es nicht aufmachen!"
    Schridde hat den Milchschäumer aufgesägt. Das zu ersetzende Bauteil, hätte nur 1,50 Euro gekostet. Noch ein Totalschaden. Diese geplante Obsoleszenz, der absichtlich provozierte Verfall von Produkten, wird von der Industrie vehement bestritten.
    Manche halten den Diplom-Betriebswirt Schridde für einen Verschwörungstheoretiker. Nur - noch nie hat eine Firma einen Prozess gegen ihn angestrengt. Denn die technischen Fakten, sind kaum zu widerlegen: "Hier ist ein Handmixer so gebaut worden, dass ich ihn nur drei Minuten benutzen darf. (Wenn ich vier Minuten Sahne schlage, fliegt mir das Ding um die Ohren?) Es fängt an, zu stinken, geht kaputt. Die sind auf Kurz-Zeit-Betrieb ausgelegt!"
    Schridde arbeitet seit Jahren akribisch am Thema, hält Vorträge vor Parlamentariern und vor Industrievertretern. Seine kleine Plattenbauwohnung in Berlin-Weißensee, steht voll mit Beweisstücken für den zunehmenden Wegwerf-Irrsinn. Sein Ziel ist eine Murks-Dauerausstellung. Sein Murkseum.
    Der 52-Jährige backt gern Kuchen, dabei hat er den neuesten Billig-Mixer entdeckt. Aber: Bloß keine Hektik beim Teig rühren! Sonst erlischt die Garantie: "Weil nach drei Minuten soll man zehn Minuten Pause machen, dass er sich erst mal wieder abkühlt."
    Defekt nach 1.500 Seiten
    Immer mehr Handys haben Akkus, die nicht austauschbar sind. Elektrische Zahnbürsten sowieso. Sogar Akku-Staubsauger und Bohrmaschinen werden als Einweg-Geräte verkauft. Richtig dreist verhalten sich einige Druckerhersteller. Auch sie wurden von Verbraucherschützern schon diverse Male aufgefordert, einzulenken. Tun die Firmen aber nicht.
    "So, wir sehen hier eine Laser-Tonerkartusche, die für 1500 Seiten ausgelegt ist. Interessanterweise sagt diese Kartusche genau nach 1.500 Seiten: Nun bin ich leer. Interessant, jetzt ist hier ein Zahnradgetriebe drin, dass man auf Null zurücksetzen kann." Schon erlischt das Fehlerlämpchen - und es wird munter weitergedruckt.
    "Murks, nein danke!" So heißt Schriddes Initiative. Die bekommt immer mehr Schrott zugesandt. Sogar eine Schuhsohlensammlung ist dabei. Kurz vor Ausstellungseröffnung schaffen Schriddes Helfer noch mehr Murks herbei, eine völlig zerstörte Kaffee-Maschine, kein halbes Jahr alt: "Vorsicht oben, langsam, nicht zu hektisch. Abends geschehen die meisten Fehler."