Die "Bild"-Zeitung beim Frühstück, "Bild.de" zu jeder Uhrzeit, die "Auto Bild" vorm Autokauf, die "Sport Bild" beim Passiv-Sport und abends im Bett die "Bild-Erotik-Bibliothek".
Es ist wirklich so: Die Marke "Bild" lässt uns im Medien-Dschungel nie allein. "Bild" ist im Bilde, wo immer wir Orientierung brauchen; "Bild" bildet uns ihre Meinung jederzeit und überall. Nur bislang - verblüffend, diese Lücke - nicht im Fernsehen. Aber das wird sich wohl bald ändern.
"Emotionalisierung" als Methode
Die bewährte "Bild"-Qualität auch in die öffentlich-rechtlich versiffte Glotze zu bringen – das ist das neue Prestige-Projekt im Hause Axel Springer.
Okay, vor ein paar Monaten war die Lage noch anders. Da sollte das wöchentliche Print-Magazin "Bild Politik" den unflotten Konkurrenz-Medien zeigen, wo der Relevanz-Hammer hängt. Nur wurde "Bild Politik" mittlerweile beerdigt. Vielleicht, weil der abstrakte Begriff "Politik" für das eingeschworene "Bild"-Publikum mit seiner Lust am Konkreten ein bisschen arg nach "Spiegel" roch, so magazinmäßig gesehen.
Bewegte Bilder von "Bild TV" dürften es da einfacher haben, nicht nur, weil es sprachlich so gut passt und "Bild.de" das Bewegt-Bild-Terrain bereits vorbereitet hat. Laut "Bild"-Chef Julian Reichelt wird nämlich die "Emotionalisierung" der Hauptzweck und die Methode von "Bild TV" sein.
Ahnungslosigkeit zur Werbung in eigener Sache umgemünzt
Da kommt zusammen, was zusammen gehört. Freue sich, wer kann. Verkopften Journalismus jedenfalls, so mit wackerem Herumrecherchieren und lahmarschigem Nachdenken, wird "Bild TV" komplett verweigern.
Reichelt persönlich hat im "Spiegel"-Interview vorgeführt, dass man als Medien-Macher auch ganz locker à la Pipi Langstrumpf agieren kann: "Ich mach mir die Welt / widewide wie sie mir gefällt."
Reichelt wusste nicht, dass ARD, ZDF und RTL im brennenden Amazonas-Gebiet mit Anwohnern gesprochen haben. Er wusste auch nichts von den Berichten über Flaschensammler in öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern.
Also hat Reichelt Interviews mit Anwohnern im brennenden Amazonas-Gebiet und Berichte über Flaschensammler beispielhaft als genau das herausgekehrt, was ohne "Bild TV" dem Publikum skandalöserweise vorenthalten bliebe.
Ahnungslosigkeit triumphal zur Werbung in eigener Sache umzumünzen – in dieser kniffligen Disziplin ist Reichelt landesweit die Nr. 1.
"Bild" als Medium des Volksempfindens
Kein Wunder, dass sich ein derart selbstbewusster Mann, der stolz bekannt hat, nur die "Bild" und kein anderes Blatt zu lesen, lässig ankündigt: "Bild TV" werde "das Land, die Welt, die Politik und den Alltag der Menschen so zeigen, wie es die Leute erleben."
Bitte schön, das ist kein windiger Populismus, das ist grundsolide Allwissenheit. Populisten grölen vage: "Wir sind das Volk". Reichelt aber suggeriert scharfkantig: "Bild TV" ist das Volk.
Falls auch Sie sich zu den erwähnten "Menschen" zählen, dürfen Sie nun freudig gespannt sein, Ihre persönliche Perspektive auf die Welt und Ihr Gefühlsleben bei "Bild TV" bebildert zu finden.
Aber Vorsicht! Sie könnten ein paar unschöne Seiten von sich kennenlernen. Denn falls "Bild TV" ein ähnliches Bild vom Erleben der Menschen abbildet wie die "Bild"-Zeitung, und Sie zu diesen Menschen gehören, dann werden Sie entdecken: Sie sind voller Ressentiments! Sie verleumden, wenn es Ihnen passt! Sie nehmen es mit den Fakten nicht so genau! Sie mischen sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen. Und so weiter.
Nun denn. Dass Julian Reichelt sein eigenes Erleben erneut zum Erleben der Leute erklärt und Produkte der Marke "Bild" quasi zu Medien des Volksempfindens – Shakespeare hätte dazu gesagt: "Ist es schon Tollheit, so hat es doch Methode."