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Geplanter Warhol-Verkauf
"Sie gehören eigentlich allen Bürgern dieses Landes"

Der Versteigerung von zwei Andy Warhol-Werken des Landes Nordrhein-Westfalen lässt sich nach Angaben der Regierung nicht mehr stoppen. DLF-Redakteur Stefan Koldehoff meint, es hänge einfach davon ab, wie gut man mit dem Auktionshaus verhandelt habe. Es wäre schlimm, wenn zwei so bedeutende Kunstwerke der Öffentlichkeit entzogen würden - die den Ankauf mit Steuergeldern ermöglicht habe.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro.
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro. (dpa / Christie's/The Andy Warhol Found)
    Beatrix Novy: "Das ist zurzeit nicht darstellbar". Es ist noch nicht so lange her, da hätte man diese komische Sprachschraube nicht über die Lippen gebracht. Inzwischen weiß man, was es ist, "nicht darstellbar", "nicht darstellbar", hat es oft genug gehört. Das heißt: Es ist zu teuer. Und das bezieht sich in diesem Fall auf den geplanten Verkauf von zwei Andy Warhol-Werken aus dem Besitz der Westdeutschen Spielbanken. Es wäre zu teuer, sie zurückzuholen. Im September noch hatten die Spielbanken ganz stolz verkündet, wie phänomenal teuer diese zwei Warhols bei Christie's in New York verkauft werden würden, nämlich für 100 Millionen Euro. Inzwischen haben 26 Museumsdirektoren und zunehmend mehr Medien und Bürger gegen diesen Verkauf protestiert. Die Westspiel ist eine Tochter der NRW-Bank, die Kunst also nicht direkt Museums-, aber Landeseigentum. Und wer die verkauft, bricht ein Tabu, heißt es: Kunst im öffentlichen Besitz ist für alle da, damit darf man keine Finanzlöcher stopfen. Stefan Koldehoff ist hier im Studio. Andererseits, Herr Koldehoff: 100 Millionen Euro, der Anschaffungspreis dieser Warhols war ein Witz dagegen. Dem ist ja wohl schwer zu widerstehen. Wäre es denn so schlimm?
    Stefan Koldehoff: Ja, es wäre schon schlimm, weil zwei bedeutende Kunstwerke der Öffentlichkeit entzogen würden. Natürlich haben Sie Recht: Die Bilder sind seit viereinhalb Jahren im Depot gewesen in dieser Spielbank, weil man gemerkt hat, wie stark die Preise für Warhol angezogen haben und man entweder die Versicherung gescheut hat, oder um die Sicherheit der Bilder insgesamt gefürchtet hat. Aber Sie haben es selbst gesagt: Diese Bilder sind vom Land, von Steuermitteln der Bürger des Landes NRW angeschafft worden. Sie sind treuhänderisch damit in den Besitz des Landes übergegangen. Sie gehören eigentlich allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, und das kann man nicht einfach verkaufen, um irgendwelche Löcher damit zu stopfen.
    Novy: Welche Löcher? Wofür soll denn der Erlös verwendet werden?
    Koldehoff: Na ja. Den Spielbanken des Landes NRW geht es wie überall in Deutschland - und übrigens nicht nur hier; auch aus Amerika ist diese Entwicklung inzwischen festzustellen - nicht gut. Das Internet hat da viel an Potenzial abgegriffen. Das heißt, die Bilanzen sehen entsprechend aus, und die möchte man damit ein bisschen aufhübschen. Außerdem gibt es Gerüchte, dass hier in Köln eine zweite Spielbank eröffnet werden soll. Auch dafür braucht man Geld. Und das sind im Grunde genommen Totgeburten. Wenn Sie sich angucken, was inzwischen an Sportwetten, an Pokerplattformen und so weiter im Internet stattfindet, dann braucht man dieses Geld eigentlich gar nicht mehr zu investieren. Es scheint relativ klar, dass das kein Erfolg versprechendes Geschäftskonzept des Landes ist. Das war es mal. In den 70er-, 80er-Jahren hat es große Steuern abgeworfen ins Landessäckel. Aber die Zeiten sind vorbei und ob man dafür nun wirklich bedeutende Kunstwerke verkaufen muss, da sollte man doch noch mal heftig drüber nachdenken.
    Novy: Da es aber nun mal das Land ist, das involviert ist, muss man schon fragen: Was wäre denn die Alternative zu diesem Verkauf?
    Koldehoff: Na ja. Die erste Alternative wäre mal erst gewesen, darüber nachzudenken, ob das Land hier nicht seiner Verantwortung gerecht werden muss. Die Frage muss man stellen der Kulturministerin, die hier in Nordrhein-Westfalen auch noch für Sport und Jugend und Familie und ich weiß nicht was noch alles zuständig ist, ob die tatsächlich rechtzeitig richtig hingeguckt hat, und sicherlich auch der Ministerpräsidentin des Landes, denn als landeseigene Gesellschaft wird die Landesregierung dort auch in den entsprechenden Aufsichtsgremien vertreten sein. Die Alternative wäre in Düsseldorf die landeseigene Kunstsammlung NRW, eine fantastische Sammlung, von Werner Schmalenbach zusammengetragen, weiter gut ergänzt. Da würden diese Warhols wunderbar reinpassen.
    Novy: ..., die ja auch gegründet worden ist, um NRWs Identität zu stärken.
    Koldehoff: Natürlich! Und wenn man dann noch weiß, dass Andy Warhol wichtige Ausstellungen in Nordrhein-Westfalen hatte, in Museen und in Galerien, dann würde das tatsächlich eine gute Ergänzung sein.
    Novy: Hannelore Kraft hat den Museumsdirektoren, die diesen Brief geschrieben haben, jetzt geantwortet, dass man die Warhols nicht zurückholen kann. Ist das so?
    Koldehoff: Erst mal gehören sie ja noch dem Land Nordrhein-Westfalen. Dass sie nicht mehr unmittelbar dem Land gehören, sondern irgendwelchen Tochtergesellschaften, das ist eben die Krux, seit man sich entschieden hat in den 90er-Jahren, immer mehr landeseigene Gesellschaften zu privatisieren und rechtlich zu eigenen Körperschaften zu machen. Dennoch müsste man mal fragen, ob das Land nicht noch Zugriff hätte auf diese Sachen. Ob sie noch zurückzuholen sind, das hängt einfach davon ab, wie gut man mit dem Auktionshaus Christie's verhandelt hat.
    Novy: Und was es kosten würde.
    Koldehoff: Genau! Denn Christie's hat mit Sicherheit schon investiert: Es sind Kataloge gedruckt, die Bilder sind auf Tourneen geschickt worden, es hat Werbeanzeigen gegeben in den großen Fachzeitschriften. Ganz preiswert wäre das sicherlich nicht. Auf der anderen Seite wird das Land Nordrhein-Westfalen vernünftige Juristen haben, die auch Ausstiegsklauseln mitverhandelt haben. Das Land selbst sagt aber nichts dazu, wie die Verträge denn aussehen. Christie's tut das auch nicht, beruft sich aufs Geschäftsgeheimnis. Vielleicht muss man da tatsächlich noch mal genauer nachfragen, denn inzwischen gibt es ja wohl eine parlamentarische Initiative seitens der Fraktion der Piraten, die nach der Sommerpause in der ersten Novemberwoche noch mal nachfragen wollen. Wie die anderen Parteien sich dann verhalten, das wird man sehen.
    Novy: Dann wird das Schweigen vielleicht doch gebrochen werden müssen. - Soweit zum aktuellen Stand in der Sache der beiden Warhols. Vielen Dank, Stefan Koldehoff.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.