Archiv

Geplatzer Ceta-Gipfel
Kanada bleibt geduldig

Eigentlich sollte es heute zur Unterzeichnung des Freihandelsabkommens CETA kommen. Doch Regierung und Vertreter der Regionen in Belgien vertagten die Verhandlungen. Kanadas Premier Justin Trudeau sagte seine Reise nach Brüssel daraufhin ab. Ein Sprecher der kanadischen Handelsministerin erklärte, man sei weiter bereit, das Abkommen zu unterzeichnen.

Von Kai Clement |
    Flaggen der EU und Kanada wehen in Berlin.
    Flaggen der EU und Kanada wehen in Berlin. (dpa/picture alliance/Maurizio Gambarini)
    Premier Trudeau sagte erst am Abend kanadischer und damit mitten in der Nacht deutscher Zeit ab. Vorausgegangen war dem eine ganztägige Hängepartie mit Blick Richtung Belgien. Noch in den Abendnachrichten des kanadischen öffentlichen Senders CBC hieß es: Kanadas Premier Trudeau bleibe optimistisch.
    Dann die Eilmeldung: keine Einigung auf belgischer Seite, immer noch nicht – die Gespräche über das Freihandelsabkommen CETA seien deshalb vertagt. Kurz zuvor lautet es auf Nachfrage der ARD im Büro des kanadischen Premiers dagegen noch: Sein Flugzeug stehe abflugbereit auf der Startbahn.
    Die Hängepartie scheint die Geduld der freundlichen Kanadier kaum zu erschüttern. Nicht vorstellbar, dass etwa der amerikanische Präsident so auf Abruf für eine Vertragsunterzeichnung bereit stünde.
    Kanadische Grüne üben Kritik
    Das Warten auf CETA hatte die Chefin der kanadischen Grünen, Elisabeth May, zuvor genutzt, um noch einmal ihre Kritik am derzeitigen Vertragstext deutlich zu machen.
    Eine schamlose Geschäftemacherei mit der Unmoral – so nennt sie die Schiedsgerichte für Investoren. Sieht sich ein Unternehmen im Wettbewerb benachteiligt, kann es diese speziellen Gerichte anrufen, um einen Staat zu verklagen. Sie sind als eine Art Paralleljustiz hoch umstritten – auch für Kanadas Grüne. Elisabeth May hat sich als Experten den Jura-Professor Gus Van Harten mitgebracht.
    "Die Bezahlung für die Mitglieder dieser Schiedsgerichte hängt immer noch von der Anzahl der Klagen von ausländischen Investoren ab. Das ist eine Hauptsorge bezüglich ihrer Unabhängigkeit."
    Der Charakter der Gerichte wurde inzwischen überarbeitet – öffentlich statt geheim, mit Berufungsmöglichkeit. Dennoch fragt der Jurist mit der Grünen-Chefin an seiner Seite:
    "Warum nimmt man dieses politisch giftige System zum Schutz ausländischer Investoren nicht einfach aus CETA heraus? Umso den Handelsvertrag zu retten."
    Eine Frage, die Elisabeth May wenig später Premier Trudeau im kanadischen Parlament stellt. Schließlich habe dessen liberale Regierung vor allem den über Jahre ausverhandelten Text der konservativen Vorgängerregierung übernommen:
    "Weit davon entfernt, ein Geschenkpaket für die neue Regierung zu sein, war CETA eine tickende Zeitbombe."
    Sei Trudeau deshalb bereit, die umstrittenen Schiedsgerichte aus CETA heraus zu nehmen?
    Tür für CETA ist immer noch offen
    Der – das wartende Flugzeug Richtung Belgien die ganze Zeit startklar – teilt die Kritik nicht.
    "Tatsache ist doch: als wir vor einem Jahr die Regierung übernahmen, war CETA in großen Problemen. Europäer hatten große Bedenken wegen der Schiedsgerichte. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt und einen neuen Zugang erarbeitet. Jetzt sind sie vorbildlich. Und wir haben einen fortschrittlichen Deal, dem Europa gerne zugestimmt hat. Wir sind zuversichtlich, dass wir in den kommenden Tagen ein positives Ergebnis für diesen historischen Deal sehen werden."
    Die Tür für CETA ist also immer noch offen. Was der Premier im Parlament sagte – Stunden vor der Absage des Brüssler Gipfels – bekräftigte dann kurz nach ihr Alex Lawrence, Sprecher der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland. Er erklärte, Kanada sei weiterhin bereit, das Abkommen zu unterzeichnen – dann nämlich, wenn Europa dazu bereit sei.