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Gerald Beinlich (IHK)
Rechtssicherheit für Geduldete "wird Vertrauen schaffen"

Abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber, sollen einen sicheren Aufenthaltsstatus und somit mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Auf der Seite der Unternehmen schaffe dieser Schritt der Bundesregierung Vertrauen, sagte Gerald Beinlich von der IHK Wiesbaden im Dlf.

Gerald Beinlich im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Der Ausbilder für Metallbearbeitung, Waldemar Balakin (2nd r), unterhält sich am am 25.08.2016 im Bildungszentrum vom Internationalen Bund (IB) in Jena (Thüringen) mit jungen Flüchtlingen aus Afghanistan.
    Ausbildung junger Flüchtlinge in der Metallverarbeitung. (Jens-Ulrich Koch, dpa-Zentralbild, dpa picture-alliance)
    Stephanie Gebert: Es soll der erste Schritt sein – hin zu einem modernen Einwanderungsgesetz für Deutschland. Die große Koalition hat sich in der Nacht auf Eckpunkte für solch ein Einwanderungsgesetz geeinigt, die vom Kabinett gleich am Morgen beschlossen wurden. Damit ist auch der Streit um den sogenannten Spurwechsel beigelegt. Vorgesehen ist ein Kompromiss, das heißt, es wird eine zweite Chance geben für abgelehnte Asylbewerber über den Arbeitsmarkt. Sie sollen einen verlässlichen Status bekommen, geknüpft an Bedingungen, nämlich wenn sie durch ihren Job ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind. Gerald Beinlich ist ehemaliger Unternehmensberater und vermittelt seit Jahren Flüchtlinge in Arbeit. Mehr als 90 Bewerbern hat er schon eine Stelle verschafft als Willkommenslotse der IHK in Wiesbaden. Ich grüße Sie!
    Gerald Beinlich: Einen schönen guten Tag!
    Gebert: Jetzt will die Regierung also Rechtssicherheit schaffen für die Geduldeten. Was wird das ganz konkret für die Flüchtlinge und die Unternehmer verändern aus Ihrer Sicht?
    Beinlich: Das Erste ist, es wird ein Vertrauen schaffen. Das Vertrauen einmal auf der Seite der Unternehmen, die natürlich auch erwarten, dass die geflüchteten Menschen zu ihrem Unternehmen passen, dass sie Qualifizierung mitbringen und einen sicheren Aufenthaltsstatus dafür haben, weil die geflüchteten Menschen, wenn sie wissen, ich engagiere mich, ich arbeite mit, ich bin in Ausbildung, dann kann ich auch auf lange Sicht hier in Deutschland Fuß fassen.
    Verunsicherung bei vielen Unternehmen
    Gebert: Wie groß waren denn bislang die Verunsicherungen bei den Unternehmen, was haben Sie da festgestellt, welche Fragen tauchten auf?
    Beinlich: Wir hatten eigentlich Unternehmen, die fragend aufgetreten sind, dergestalt, dass man gesagt hat, welche Möglichkeiten gibt es, was heißt es, einen Aufenthaltstitel zu haben, was heißt das, Erwerbstätigkeit ist genehmigt. Das waren Fragen, die wir natürlich auch im Vorfeld mit den Unternehmen klären, wenn sie anrufen hier bei uns, und in einem Einzelgespräch erst mal das Unternehmen auf eine Willkommenskultur vorbereiten. Das heißt, wir zählen diese Punkte wie Aufenthaltsstatus, Erwerbstätigkeit, so etwas, wirklich im Detail durch, und auf der anderen Seite haben wir natürlich auch die geflüchteten Menschen, mit denen wir genau diese gleichen Fragen im Vorfeld schon mal durchsprechen, um dann in einem Gespräch passgenau – und das ist ja das Projekt, das von der Bundesregierung gefördert wird, der Willkommenslotse – passgenau wirklich auch versuchen, die Leute zusammenzubringen.
    Gebert: Wie steht es denn um die Qualifikationen, die die Flüchtlinge mitbringen? Reicht das aus, was sie in ihren Heimatländern gelernt haben, welche Erfahrungen haben Sie da bislang gemacht?
    Beinlich: Die Erfahrung, die ich bisher gemacht habe, ist die Sprache, das ist so die wichtigste Stufe eigentlich durchweg für alles. Das hat sich verbessert in den letzten anderthalb Jahren, aber es reicht noch nicht ganz aus für die Ausbildung, dort braucht man einen B2-Level. Die Berufsschule ist da ein ganz wichtiger Punkt dabei – einmal um die Fachspezifischkeit zu erkennen, auf der anderen Seite ist natürlich die Anerkennung der Studien nicht unbedingt ein Garant dafür, dass ich auch eine Ausbildung beginnen kann, sondern es kommt auf die Inhalte an, und die sind natürlich unterschiedlich – das, was hier erwartet wird, gemessen an dem, was im Ausland erworben wurde an Fähigkeiten und Kenntnissen.
    "Trendberufe" erfordern viel Fachwissen
    Gebert: Und wie groß ist dann der Frust, wenn die eigene Qualifikation nicht anerkannt wird und so eine Art Nachschulung notwendig ist?
    Beinlich: Es ist natürlich eine Erwartungshaltung. Der Automechaniker, der aus dem Heimatland Erfahrungen gesammelt hat und jetzt hier Kfz-Mechatroniker machen möchte, das ist natürlich ein Riesensprung, und da muss man – und dafür sind wir auch da – den jungen Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, zumindest erklären, dass es vielleicht Alternativberufe auch gibt, weil diese Trendberufe, die also – auch gerade in der Fachinformatik ist es auch so – sehr, sehr anspruchsvoll sind, sehr viel Mathematik verlangen, auch Sprachkenntnisse im Englischen, das müssen wir natürlich verdeutlichen. Auf der einen Seite für den Betrieb, dass die Erwartungen auch da bleiben sollen, aber auf der anderen Seite, dass natürlich die geflüchteten Menschen auch zusätzlich noch lernen müssen. Und deswegen heißt nicht immer, gleich eine Ausbildung finden, manchmal sind Vorbereitungen, auch Berufsvorbereitungen ganz wichtig.
    Gebert: Aus Sicht der Unternehmer ist es ja tatsächlich der Fachkräftemangel, der sie unter anderem dazu bringt, zusätzlich sich zu engagieren, um auch Geflüchteten zu helfen. Können denn die Flüchtlinge tatsächlich helfen, also gibt es in den Bereichen, in denen Mangel herrscht, auch genügend Bewerber unter den Flüchtlingen?
    Engagement von beiden Seiten gefordert
    Beinlich: Wir haben, wenn wir von den Trendberufen reden, nehmen wir Fachinformatik, Mechatronik, Kfz-Mechatronik, Lagerlogistik und kaufmännische Berufe in allen Varianten, da gibt es sehr viele Bewerber, die nicht immer hundertprozentig passen, das muss man dann schauen, welche Alternative wo möglich ist, aber es gibt auch Bereiche wie zum Beispiel die Gastronomie, die händeringend sucht, aber da gibt es nicht so viele Leute, die wirklich in dem Bereich in die Ausbildung Restaurantfachmann oder Koch sich begeben wollen. Da müssen wir manchmal auch Überzeugungsarbeit leisten, dass das vielleicht ein guter Einstieg ist und eine gewisse Qualifikation aus dem Heimatland mit vorhanden ist. Wir haben da ein super Beispiel eines jungen Menschen aus Afghanistan, gerade vor Kurzem hat der Betrieb dafür einen Integrationspreis bekommen: Der hat zu Hause die deutsche Sprache sich selbst beigebracht, hat auch schon Mathematik im Fachunterricht genommen und ist jetzt in diesem Betrieb als Teil eines Tandems zwischen einem anderen Auszubildenden und ihm selbst aktiv und kommt jetzt ins zweite Ausbildungsjahr, geht demnächst in die Zwischenprüfung. Und das funktioniert hundert Prozent, weil der Betrieb sich sehr, sehr engagiert.
    Gebert: Union und SPD haben sich auf Details für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt. Von seinen Erfahrungen aus der Praxis hat Gerald Beinlich berichtet. Er ist Willkommenslotse der IHK Wiesbaden. Ich bedanke mich ganz herzlich!
    Beinlich: Vielen Dank, Frau Gebert!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.