![Eine Porträtaufnahme von Gerhart Baum. Eine Porträtaufnahme von Gerhart Baum.](https://bilder.deutschlandfunk.de/e8/64/33/c8/e86433c8-e29b-4c51-ab44-aa06ac9a4c31/gerhart-baum-106-1920x1080.jpg)
„Dresden war eine schreckliche Lebenserfahrung, eine Zäsur für einen 12jährigen, der sich plötzlich vor die Tatsache gestellt sieht, dass alles zusammenbricht, die Stadt, die Menschen um ihn herum, das soziale Umfeld. Ich konnte das überhaupt nicht begreifen und habe das immer wieder vor Augen, wenn ich nach Dresden komme.“
Dresden am 13. Februar 1945. Die Bombennacht. Ein Zeitzeuge - der Schüler Gerhart Baum, Sohn einer deutsch-russischen Mutter und eines Vaters, der aus dem Krieg nicht zurückkehren wird.
„Es ist ja das Besondere an Dresden, dass das alles in einer Nacht passierte, kurz vor Ende des Krieges in einer Stadt, in der wir uns sicher glaubten, es passiert nichts mehr. Im Feuersturm haben wir überlebt und waren dann Flüchtlinge mit drei Koffern.“
Warner und Mahner
Baum hat stets gewarnt vor der Instrumentalisierung dieses Datums durch Rechtsextremisten und neue Nazis, die über einen „Bomben-Holocaust“ schwadronieren und dabei den Zusammenhang zwischen der Zerstörung Dresdens und der deutschen Kriegsschuld ignorieren.
„Das ist die Relativierung, die die Kommunisten in der DDR vorgenommen haben und die jetzt auch Nazis schändlicherweise in Dresden bei Demonstrationen vornehmen. Ich kann dem also wirklich nur mit Abscheu gegenübertreten. Natürlich haben wir damals gesagt: `Warum jetzt noch Dresden?`. Aber der Zusammenhang war doch vollkommen klar: Ein verbrecherischer Angriffskrieg, insgesamt 50 Millionen Tote.“
Aktiv gegen vorbelastete Parteimitglieder
Mit alten Nazis bekam Gerhart Baum es zu tun, als er 1954 in die nordrhein-westfälische FDP eintrat. Dort gab es noch immer braune Netzwerke, die den Jungliberalen zunächst am Gelingen des „Projektes Demokratie“ zweifeln ließen. Verleger Friedrich Middelhauve, in der Gründungsphase Vorsitzender der Freien Demokraten an Rhein und Ruhr, sah den Daseinszweck der Partei in der Integration alter NS-Leute in die neue Demokratie. Dagegen verteilten Baum und die Seinen Rundbriefe gegen nationalsozialistisch vorbelastete Parteimitglieder.
„Ich wollte politisch tätig werden. Ich war erst im Liberalen Studentenbund in Köln an der Universität, dann war ich Vorsitzender der Jugendorganisation der FDP in Köln. Dann habe ich begriffen, dass man wirklich etwas verändern kann nur in einer Partei. Und da gab es nur drei – die CDU war sehr klerikal, die SPD war vom Sozialismus noch begeistert in der alten Form. Und da haben wir gesagt: Wir gehen jetzt in die liberale Partei, aber: Wir wollen sie verändern.“
Das war sehr mühsam in einem Landesverband, der sich im Griff derer befand, die noch die erste Strophe des Deutschlandliedes auf Parteiveranstaltungen anstimmten, die schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge hoch hielten und eine Amnestie für Naziverbrechen forderten.
„Die Stimmung war, man wollte eigentlich von den Naziverbrechen nichts wissen. Und dann gab es diesen legendären Film von Alain Resnais „Nacht und Nebel“, und der zeigte die Verbrechen selbst, zeigte also die Realität der Konzentrationslager. Die Alten wollten das nicht. Der Film wurde diskreditiert. Man wollte das nicht sehen.“
Baum - der aufmüpfige Jungdemokrat
Doch Baum und seine Weggefährten sorgten dafür, dass der aufwühlende Film auf einer Sonntagsmatinee in einem Kölner Kino gezeigt wurde. Den aufmüpfigen Jungdemokraten trieb die deutsche Geschichte um, das Nachspüren jener Traditions- und Identitätslinien, durch die sich die Deutschen Zitat Baum: „abseits jeglicher Vernunft haben verführen lassen.“ Gefesselt von Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“ schrieb er an den Schriftsteller:
„Hochverehrter Herr! Welchen Signalen war zu trauen, wenn alle, die als solche gegolten hatten, verderbenbringende Irrlichter gewesen waren. Alles, was den deutschen Namen trug, schien zu meiner Verzweiflung so unter Schande begraben, dass ich damals wünschte, es möge auch das Wort deutsch für immer verschwinden.“
Thomas Mann antwortete dem 20-Jährigen: „Es kommt mir öfters Gutes und Freundwilliges aus Deutschland, aber selten zeugt es von soviel Wärme und ansprechender Form.“
Für Frieden auf Revanchismus verzichten
Der junge Baum teilte die Auffassung vieler kritischer Jugendlicher, dass für den Frieden in Europa die Deutschen auf jede Form des Revanchismus verzichten müssten. Dies setzte aber die völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze voraus. Eines der Reizthemen in den Gründerjahren der Bundesrepublik, mit dem die Jungdemokraten auf allen Parteitagen Putz zu machen versuchten.
„Ich habe auf einem der Bundesparteitage einen Antrag gestellt für die deutschen Jungdemokraten, der hatte einen einzigen Satz: `Die Oder-Neiße-Linie wird anerkannt`. Und das war ein Antrag, der die Partei auseinandergesprengt hat. Der Parteitag wurde unterbrochen, dann gab es zunächst eine Kompromissformel. Aber am Ende lief es darauf hinaus.“
Jungdemokraten wie Gerhart Baum, Günter Verheugen, Ingrid Matthäus-Maier oder Heiner Bremer versuchten Partei und Gesellschaft aufzumischen. Die Republik zu reformieren hieß, die vielerorts biedermeierliche Lebenswirklichkeit an das Grundgesetz heranzuführen, auch und gerade, was die Rolle der Frauen anbetraf.
Einsatz für die sozial Schwächeren
„Das Wichtige damals war eben, dass wir eine Offensive gemacht haben -`Bildung für alle`. Das war Dahrendorf, das war Hildegard Hamm-Brücher. Also wir wollten, dass Kinder aus minderbemittelten Schichten Bildungschancen haben ja wie die anderen. Und das ist ja bis heute nicht konsequent gemacht worden. Dann die Stellung der Frau! Die Frau war noch voll unter der Herrschaft des Mannes, der bestimmte, ob sie eine Beschäftigung aufnehmen kann usw., das war alles absurd.“
Mit der sozialliberalen Wende 1969 setzte die FDP unter Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher die Existenz der eigenen Partei aufs Spiel. Denn das zentrale Anliegen der Koalition mit der SPD von Bundeskanzler Willy Brandt war eine neue Ost- und Entspannungspolitik, die zunächst Hass und Anfeindungen in der Gesellschaft und Partei ausgesetzt war.
Funktionierende Gesellschaft als großes Anliegen
Es war eine historische Zäsur. Denn das sozialliberale Projekt enthielt auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag, wie er von Baums Freund und Mitstreiter Burkhard Hirsch formuliert wurde:
“Wir wollen einen Liberalismus, der nicht nur für die Freiheit des Einzelnen eintritt, nicht nur für die Bewegungsfreiheit des Einzelnen, sondern eine Gesellschaft, die gleichzeitig der Tatsache Rechnung trägt, dass wir keine Horde von Robinsonen sind, sondern dass wir in einer Gesellschaft leben, in der jeder auch für das Funktionieren dieser Gesellschaft verantwortlich ist.“
Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach entwarfen das Freiburger Programm, das zum Mythos des kurzlebigen Sozialliberalismus in der Bundesrepublik wurde. Zentrale Begriffe waren „Menschenwürde durch Selbstbestimmung“, „Fortschritt durch Vernunft“, „Demokratisierung der Gesellschaft“ und – tatsächlich - eine „Reform des Kapitalismus“.
Dabei ging Karl Hermann Flach, der Mitverfasser der Freiburger Thesen, ans liberale Eingemachte, zum Beispiel in der sakrosankten Eigentumsfrage: Eigentum ist für die FDP nicht tabu. Eigentum ist nicht Selbstzweck. Eigentum ist für die FDP heute Mittel zum Zweck. Ohne persönliches Eigentum gibt es auch keine persönliche Freiheit. Aber Eigentum kann auch Freiheit beschränken, vor allem wenn es in Händen von Wenigen konzentriert ist. Und für diesen Fall muss sich das Eigentum selbst auch Beschränkungen gefallen lassen.“
Doch die Gegner des Freiburger Programms vom wirtschaftsliberalen Flügel um Otto Graf Lambsdorff sannen, kaum dass es verabschiedet worden war, auf eine baldige Revision. Weshalb Werner Maihofer nicht müde werden sollte, über Jahre die Realisierung des Reformprogramms anzumahnen.
„Wir haben heute entgegen allem gängigen Meinens – auch in unserer Partei – eher mehr denn weniger Anlass mit äußerstem Nachdruck für die Verwirklichung der gesellschaftspolitischen Reformen unseres Freiburger Programms einzutreten – heißen sie nun die Reform des Bodenrechts oder des Erbrechts, Reform der Betriebsverfassung oder Reform der Unternehmensmitbestimmung.“
Schwerer Stand im Deutschen Herbst
Mit der Terrorismuswelle der Roten Armee Fraktion in den 1970er-Jahren geriet die Innere Sicherheit unter Kanzler Helmut Schmidt auf die sozialliberale Agenda. Als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium hatte der Bürgerrechtsliberale Gerhart Baum im Deutschen Herbst 1977 einen schweren Stand.
Denn die „Anti-Terror-Pakete“ und das Kontaktsperregesetz während der Entführung von Hanns-Martin Schleyer waren für ihn rechtstaatlich höchst bedenklich. Im „Schutz der zugesicherten Vertraulichkeit“ soll sogar im Großen Krisenstab die Idee ins Spiel gebracht worden sein “Standgerichte zu schaffen und für jede erschossene Geisel einen RAF-Häftling zu erschießen“.
1978 zum Bundesinnenminister aufgestiegen
Baums Weg war ein anderer, als er 1978 zum Bundesinnenminister aufstieg. Um das Morden zu beenden, suchte er das Gespräch mit Inhaftierten, Verurteilten, Hungerstreikenden, Anwälten und Angehörigen der Täterinnen und Täter.
„Meine entscheidende Phase war die als Minister, als im Grunde es als notwendig angesehen wurde, auch in der Gesellschaft, dass man nicht nur mit Polizei und Justiz Terrorismus bekämpft, sondern sich fragt: Wo kommt der eigentlich her? Was passiert in den Köpfen, in den Lebensläufen, im Umfeld der Terroristen? Was passiert in unserer Gesellschaft insgesamt? Was führt zu solchen Verwerfungen? Also diese Phase des Nachdenkens, das ist mit meiner Amtszeit verbunden, und auch eine gewisse Phase der Revision. Wir haben übertrieben in den Gegenmaßnahmen, die wir per Gesetz und auch in unserem Verwaltungshandeln – das BKA! - eingeführt hatten. Wir sind zu weit in die Zone hineingegangen der unverdächtigen Leute, die plötzlich in den Focus der Sicherheitsbehörden kamen.“
Immerhin gelang es Baum, jenen Radikalenerlass abzuschaffen, der in den 1970er-Jahren so sehr das innenpolitische Klima vergiftet hatte.
„Ein starkes Element des Misstrauens zwischen den Generationen – das kann man sich heute kaum noch vorstellen – war der sogenannte Radikalenerlass, das heißt die Speicherung von hunderttausenden von politischen Aktivitäten junger Leute in den Registern des Verfassungsschutzes, die sich dann bespitzelt fühlten. Und wenn sie in den Staatsdienst eintreten wollten, wurden diese Informationen zu Rate gezogen. Also das ist dann durch eine Initiative, die ich im Bundeskabinett 1979 gestartet habe, ist der abgeschafft worden. Eine generelle anlasslose Bespitzelung der gesamten jungen Generation – das ging nicht.“
Bonner Wende als traumatisches Erlebnis
1982 dann die Bonner Wende, als die Liberalen auf Druck von Otto Graf Lambsdorff während der Legislaturperiode über ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt die Koalition wechselten und Helmut Kohl zum Kanzler wählten.
„Die Koalition aus SPD und FDP ist beendet. Sie wie wir haben jetzt die Freiheit, in eigener Verantwortung zu entscheiden.“
Für Gerhart Baum war das eine traumatische Erfahrung. 34 Fraktionsmitglieder der FDP waren für einen Wechsel, 18 dagegen. Nach Baum sprach im Bundestag Hildegard Hamm-Brücher, die „Grande Dame des Liberalismus“, für die 18 Abtrünnigen:
„Ich kann dem Bundeskanzler nicht mein Misstrauen aussprechen, nachdem ich noch bis vor zwei Wochen mit ihm und seinen Ministern - und meine Kollegen - uneingeschränkt loyal und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe.“
Wie sehr die Nerven damals lagen blank lagen, bewies die Überreaktion des CDU-Generalsekretärs Heiner Geissler auf diese persönliche Erklärung:
„Was ich hier gehört habe an Appellen, an Ressentiments, an Emotionen, kann ich teilweise nur verstehen als einen Anschlag auf unsere Verfassung (Tumult im Bundestag), sehr verehrte Damen und Herren.“
Die bittersten Momente im politischen Leben eines Sozialliberalen. Die FDP war 1969 unter Willy Brandts Losung „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ gestartet und nun unter Helmut Kohl und seiner „geistig-moralische Wende“ gelandet.
„Die Wende ist bei mir immer noch ein Stachel im Fleisch, auch ganz persönlich. Ich war jedenfalls in der liberalen Öffentlichkeit ein anerkannter Innenminister, übrigens auch Kulturminister. - Und dann wurde ich mit der Demütigung konfrontiert, dass ausgerechnet einer meiner schlimmsten Gegner, ein Herr Zimmermann der CSU aus Bayern, mein Nachfolger wurde.“
Scharfe kulturpolitische Konfrontation
Mit Friedrich Zimmermann, Bundesinnenminister bis 1989, erlebte Gerhart Baum gleich zu Beginn der Bonner Wende eine scharfe kulturpolitische Konfrontation. Es ging um die Zahlung der letzten Rate des Bundesfilmpreises von 1982 - einer Summe von 75.000 DM - an den Regisseur Herbert Achternbusch. Dessen provokativ kirchenkritischer Film „Das Gespenst“ – Hauptperson: Jesus Christus - wurde vom Baum-Nachfolger als „widerwärtig, blasphemisch und geschmacklos“ eingestuft.
„Ich bitte dich, ich kann doch nicht sagen, dass dieser Wein mein Blut ist. Da heulen ja die Hunde.“
Und wie sie heulten! Wegen der angeblichen Verletzung „religiöser und sittlicher Gefühle“ wurde Achternbuschs nachfolgendes Stück aus der Filmprojektförde-rung gestrichen.
Parteiwechsel keine Option
Aber anders als Ingrid Matthäus-Maier, Günter Verheugen und manch anderer, die allesamt in der SPD oder parteilos ihre Karriere fortsetzten, kam für Gerhart Baum ein Parteiwechsel so wenig in Betracht wie für seinen Mitstreiter Burkhard Hirsch.
„Wir haben uns dann gefragt, auch ich: Bleibst Du in der FDP? Eine andere Partei kam für mich nicht in Frage. Ich wäre dann nicht mehr aktiv in einer Partei gewesen. Aber ich habe mir trotzig gesagt: `Du überlässt die liberale Partei - es gibt nur eine-, überlässt du den anderen nicht`. So hat das auch Hirsch gesehen und andere. Wir haben dann gekämpft und haben im Grunde verloren. Die FDP wurde nie mehr so, wie sie vorher war. Die FDP hat einen Knacks bekommen. Viele aktive Mitglieder sind gegangen.“
Doch die Protagonisten der Freiburger Linie - Gerhart Baum, Burkhard Hirsch oder später auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger - ließen beim Thema Überwachungsstaat nicht locker. Die FDP mochte das Profilierungsfeld der Bürgerrechtspolitik preisgegeben haben -, sie gingen im Alleingang mit meist erfolgreichen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Großen Lauschangriff, das Luftsicherheitsgesetz oder die Vorratsdatenspeicherung vor.
„Wir haben, als wir nicht mehr aktive Politiker waren, uns – man kann flapsig sagen – des Bundesverfassungsgerichtes bedient, um unsere politischen Ziele durchzusetzen. (Und das ist erfreulicherweise mehrfach geschehen. Wir haben den Gesetzgeber auch die Bundesregierung damals zur Ordnung rufen lassen durch das Verfassungsgericht.) Das wichtigste Urteil ist das Computergrundrecht von 2008. Mit diesem Urteil sind alle unsere informationellen Bewegungen geschützt, unsere Smartphones, alles steht unter dem Schutz des Staates gegen-über Eingriffen des Staates, aber auch gegenüber Eingriffen der großen privaten Datensammler. Dieses neue Schutzrecht haben wir erstritten. Dieses Grundsatzurteil ist ein Beispiel dafür, wie in einer freiheitlichen Demokratie die Verfassung zum Leben erweckt werden kann.“
Für Menschenrechte in die Kriegsgebiete
Gerhart Baum nutzte konsequent seine Spielräume, die ihm nach seiner parteipolitischen Karriere geblieben waren. Zunächst wurde er von Außenminister Genscher als dessen Menschenrechtsbeauftragter in die postjugoslawischen Kriegsgebiete geschickt. Danach leitete er von 1992 bis 1998 die deutsche Delegation bei der UNO-Menschenrechtskommission im Einsatz gegen Folter, Hunger, die Todesstrafe und manches mehr.
„Ich glaube dass das Menschenrechtsthema stärker geworden ist, trotz aller schrecklichen Menschenrechtsverletzungen, die wir erlebt haben, nach 1990. 1990 dachten wir ja nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an eine friedliche Zukunft, aber dann gab es Ruanda, Kambodscha und all diese schrecklichen Dinge. Nein, das Menschenrechtsthema ist stärker geworden, zu einem internationalen Querschnittsthema, auch im Hinblick auf einzelne Personen, die jetzt zur Verantwortung gezogen werden durch das sogenannte Völkerstrafrecht. Das ist ein großer Fortschritt.“
Sorgenvoller Blick auf Expansion des Überwachungsstaates
Mit großer Sorge betrachtete er dagegen die weltweite Expansion des Überwachungsstaates, der die Privatheit mittlerweile in einem unüberschaubaren Ausmaß verdrängt hat.
„Und dieser Überwachungsstaat verbündet sich mitunter mit dem Überwachungskapitalismus, also mit Milliarden Daten, die die großen Unternehmen verwerten – Google, Amazon, Facebook. Und wenn die noch zusammenarbeiten mit dem Überwachungsstaat, dann sind wir total gläsern. Und das wäre ein wichtiges Freiheitsthema für die FDP, die das leider nicht aufgreift. Dieser Atem des Liberalismus, den spüre ich nicht.“
Weshalb Baum noch im hohen Alter zum politischen Engagement aufrief, wie hier in kämpferischer Manier während der Leipziger Buchmesse 2016:
„Man kann die Gesellschaft verändern, man kann die Parteien verändern. Man muss sich engagieren. Also die aktive Teilnahme der Bürger, um die Gesellschaft auf Kurs zu halten. Und Kurs heißt: Grundgesetz, der Kurs heißt: Menschenwürde.“