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Gerhard Schick über Schwarzgeldproblematik
„Deutschland hat das Thema Geldwäsche viele Jahre ignoriert“

Geldwäsche galt lange als Kavaliersdelikt, kritisierte Gerhard Schick von der Organisation „Finanzwende“ im Dlf. Dabei werde dadurch überhaupt erst sichergestellt, dass sich kriminelle Aktivitäten lohnen. Schick befürwortet ein mögliches Verbot von Bargeldzahlungen bei Summen über 10.000 Euro.

Gerhard Schick im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
Ein Zollbeamter hält ein Bündel Geldscheine in der Hand.
Gerhard Schick über Geldwäscher: "Wenn es gelingt, dieses illegale Vermögen wirklich zu beschlagnahmen, dann treffen wir sie an einem entscheidenden Kern." (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Tino Plunert)
In vielen Bundesländern hat es in dieser Woche Razzien gegen sogenannte Geldwäscher-Banden gegeben, bei denen u.a. Goldbarren gefunden und Verdächtige festgenommen worden sind.
Gerhard Schick begrüßte den gleichzeitigen Zugriff mit vielen Beamten in unterschiedlichen Bundesländern. In Deutschland würden jährlich schließlich geschätzte 100 Milliarden Euro gewaschen, sagte der Vorsitzende der Organisation "Finanzwende".

Forderung: Bargeldzahlungen nur bis 10.000 Euro

Um Geldwäschern ("der finanzielle Arm von Mafiaorganisationen") das Leben schwerer zu machen, seien unterschiedliche Maßnahmen notwendig. "So richtig es ist, dass Bargeldzahlungen im normalen Leben erlaubt sind, so falsch ist es, dass Immobilien mit Bargeld gezahlt werden können", sagte Schick und sprach sich für eine Bargeld-Obergrenze für Summen bis 10.000 Euro aus. "Das schränkt die meisten Bürger überhaupt nicht ein in der Möglichkeit, auch mal anonym zahlen zu können, verhindert aber effektiv Geldwäsche im Bereich Immobilien, Yachten et cetera."
Kriminelle Finanztransaktionen - Deutschlands Kampf gegen internationale Geldwäsche
In Deutschland sind die Strafverfolgungsbehörden bei Fällen krimineller Finanztransaktionen bisher weitgehend machtlos – gegen die internationalen Geldwäscher wie auch gegen ihre Profiteure.
Schick bemängelte, dass jenes, was das Geldwäschegesetz vorsieht, in der Praxis oftmals nicht funktioniere. "Insbesondere im Nichtfinanzsektor gibt es praktisch überhaupt keine Verdachtsmeldungen, obwohl wir wissen, dass etwa so 20, 30 Milliarden jährlich im Immobiliensektor gewaschen werden."
Das Interview in voller Länge:
Jürgen Zurheide: Herr Schick, ist das, was wir da gerade gehört haben, zunächst mal ein gutes Zeichen, oder ist das Aktionismus?
Gerhard Schick: Ich glaube, das ist völlig richtig, mit mehreren Beamten an verschiedenen Stellen gleichzeitig zuzulangen, sonst kann man ja eine solche Organisation nicht ausheben. Wir müssen uns solche Geldwäscheringe vorstellen wie größere Unternehmen, die über mehrere Länder agieren, mehrere Filialen haben, mehrere Geschäftsbereiche, bloß dass das alles eben illegal ist. Deswegen ist der Zugriff mit vielen Beamten in mehreren Bundesländern gleichzeitig schon richtig. Angesichts der Größenordnung der Geldwäsche, die es in Deutschland gibt, wo geschätzte 100 Milliarden jährlich gewaschen werden, ist es auch notwendig, dass der Staat entsprechendes Personal einsetzt.
Wie aus schmutzigem Geld sauberes wird
50 bis 100 Milliarden Euro: So viel wird allein in Deutschland pro Jahr an Geld gewaschen. Das meiste davon nicht durch organisierte Kriminalität, sondern durch Steuerhinterziehung. Und auch ganz normale Bürger sind beteiligt – ohne es zu merken.
Zurheide: Ich hab hier in diesen Tagen aus dem "Handelsblatt" eine Überschrift, und das "Handelsblatt" ist ja nun keine linke Zeitung: Deutschland ist nach wie vor ein Paradies für Geldwäscher. Und in der Tat, wenn man dann weiterliest, Herr Schick, bis heute ist es möglich, dass Menschen mit einem Koffer voll Bargeld – 500.000, eine Million oder zwei Millionen –, die irgendwo auf den Tisch stellen, wenn sie zum Beispiel eine Immobilie kaufen wollen. Sie hören mich etwas sprachlos, es ist immer noch möglich.
Schick: Ja, Deutschland hat das Thema Geldwäsche seit Jahren ignoriert, viele Jahre lang ignoriert. Das galt sozusagen als Kavaliersdelikt oder unproblematisch. Dabei ist das eben der finanzielle Arm von Mafiaorganisationen, das ist der Teil, der sicherstellt, dass sich kriminelle Aktivitäten überhaupt lohnen, denn letzten Endes will man ja mit den kriminellen Aktivitäten tatsächliche Vermögenswerte schaffen, und das geht nur, wenn das Geld nachher im legalen Kreislauf ist. In Deutschland funktionieren da einige Sachen nicht gut. Das eine ist das Thema, dass immer noch Bargeldzahlungen möglich sind, selbst bei sehr, sehr großen Summen. So richtig es ist, dass Bargeldzahlungen im normalen Leben erlaubt sind, so falsch ist es, dass Immobilien mit Bargeld gezahlt werden können. Und das andere ist, dass eben das, was das Geldwäschegesetz vorsieht, in der Praxis nicht wirklich funktioniert, insbesondere im Nichtfinanzsektor gibt es praktisch überhaupt keine Verdachtsmeldungen, obwohl wir wissen, dass etwa so 20, 30 Milliarden jährlich im Immobiliensektor gewaschen werden. Da müsste es viel mehr Verdachtsmeldungen aus diesen Bereichen auch geben. Das funktioniert einfach alles nicht.

Verdachtsfälle werden zu selten gemeldet

Zurheide: Jetzt, wenn ich das richtig sehe, sind Notare und sind aber auch Autohändler eigentlich verpflichtet, der sogenannten Financial Intelligence Unit, FIU, solche Sachen zu melden. Erstens meine Frage, passiert das, und zweitens, wenn es gemeldet wird, passiert nichts – das ist, was ich nachgelesen habe –, wie ist das wirklich?
Schick: Genauso ist es. Über 90 Prozent der gemeldeten Geldwäsche-Verdachtsfälle kommen aus dem Finanzbereich und nur ganz wenig aus allen anderen Bereichen der Gesellschaft, also Juweliere, wo ja viel auch mit Bargeld gezahlt wird bei größeren Summen, und Sie haben den Bereich Automobil genannt, also Gebrauchtwagen, oder auch der Immobiliensektor. Das liegt daran, dass die Bundesländer, die dafür zuständig sind, überhaupt nicht nachhalten und die Verantwortlichen, wie zum Beispiel Notare oder Immobilienhändler, überhaupt nicht dazu bringen, diese Verdachtsmeldungen auch abzugeben. Und dann ist das nächste Problem, wie Sie gesagt haben, dass innerhalb der Financial Intelligence Unit die Arbeit an solchen Verdachtsmeldungen nicht so funktioniert, dass zügig die Staatsanwaltschaften die richtigen Hinweise bekommen, denn das ist die Aufgabe dieser Einheit, sie soll aus den vielen Verdachtsmeldungen, die es gibt, die relevanten herausfiltern und die dann den Ermittlungsbehörden geben, damit die das effektiv verfolgen können. Wir haben zum Beispiel beim Fall Wirecard, also diesem großen Betrugsfall am deutschen Finanzmarkt, gesehen, dass die FIU zu spät gekommen ist. Sie hat dann, nachdem Wirecard bereits pleite war, festgestellt, dass es zahlreiche, über 100 wichtige Verdachtsmeldungen gegeben hätte, aus denen man hätte was machen können. Ja, das kam bloß halt viele Monate zu spät, und so kann diese Arbeit nicht funktionieren.
Zurheide: Jetzt ist die Frage, kann man diese Organisation, die FIU, ertüchtigen – erstens wie und zweitens kann, also beides gehört ja zusammen. Geht das, oder ginge das, Konjunktiv?
Schick: Es ist auch schon was passiert, es sind zusätzliche Stellen geschaffen worden, damit die überhaupt mit der Menge der Verdachtsmeldungen zurechtkommen. Und ja, das kann man besser organisieren, es geht insbesondere auch um die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Da haben wir in Deutschland auch ein Stück weit ein Föderalismusproblem, denn …
Zurheide: Nicht nur da.
Schick: Nicht nur das, genau, und nicht nur da, aber es muss halt sichergestellt werden, dass diese Einheit weiß, was überhaupt relevante Aktivitäten im Geldwäschebereich sind, sonst kann sie aus den vielen Verdachtsmeldungen die richtigen gar nicht rausfinden, und sie muss sie dann schnell zurückmelden. Diese Schnittstelle müssen Bund und Länder endlich mal richtig organisiert bekommen.

Unklarheiten bei den Zuständigkeiten der Verfolgung von Geldwäsche

Zurheide: Aber was müsste denn grundsätzlich passieren? Jetzt gibt es Vorschläge, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, dass man Bargeldzahlungen ab einer bestimmten Höhe eben gar nicht mehr erlaubt, so. Wie hart würden Sie da vorgehen? In Frankreich, glaube ich, gibt es solche Grenzen, die liegen in Bereichen, wo in Deutschland die Menschen aufschreien würden und wahrscheinlich sagen würden, jetzt ist unsere Freiheit zu Ende. Wie sehen Sie das? Digitales Geld, den Begriff haben wir vorhin schon mal gehört, und in skandinavischen Ländern kann man und muss man viel mehr auch mit Zahlungsmitteln bezahlen, die alle unbar laufen. Wie sehen Sie das?
Schick: Ich halte nichts davon, Bargeld generell zu verbieten, aber die Größenordnung, die jetzt auf der europäischen Ebene diskutiert wird, dass oberhalb von 10.000 Euro Barzahlungen nicht mehr zugelassen werden, das schränkt die meisten Bürger überhaupt nicht ein in der Möglichkeit, auch mal anonym zahlen zu können, verhindert aber effektiv Geldwäsche im Bereich Immobilien, Yachten et cetera. Das kann ein Baustein sein, ich finde es aber auch richtig, dass man organisatorisch in Deutschland noch was verändert. Wir haben nach wie vor keine bundeseinheitliche Geldwäscheaufsicht, sodass es immer wieder zu Unklarheiten bei den Kompetenzen kommt. Noch mal das Beispiel Wirecard: Da waren sich die niederbayrische Bezirksregierung und die BaFin, die Bundesaufsicht für Finanzen nicht einig, wer zuständig ist für diesen Konzern in Sachen Geldwäsche. So etwas darf natürlich nicht vorkommen. Ein dritter wichtiger Weg führt uns noch mal auf die aktuelle Meldung mit der Razzia zurück: Wir müssen sicherstellen, dass mehr von den Vermögenswerten aus diesem Bereich beschlagnahmt wird, denn das ist ja das Ziel dieser Organisationen, die wollen Geld verdienen, die wollen Vermögen ansammeln. Wenn es gelingt, dieses illegale Vermögen wirklich zu beschlagnahmen, dann treffen wir sie an einem entscheidenden Kern. Zum Beispiel könnte man – das ist unser Vorschlag von Finanzwende – bei allen Mobilien, wo der wirkliche Eigentümer gar nicht herausfindbar ist, diese beschlagnahmen und in öffentliches Eigentum überführen. Das würde auch dafür sorgen, dass einige Autokraten und Mafioso mal richtig Geld verlieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.