Schon zu DDR-Zeiten hat sich die Wittenberger Stadtkirchengemeinde mit der Spottskulptur auseinandergesetzt. Als Konsequenz hat man unterhalb der Plastik ein künstlerisches Mahnmal in den Boden eingelassen. Zu sehen ist eine aufbrechende Bronzeplatte, durch die symbolisch Blut quillt, das an den Tod von sechs Millionen Juden während der Shoah erinnern soll. Zudem gibt es Informationstafeln.
Dieses Gedenkkonzept "verletzt nicht die Ehre der Juden", da es eben in Wittenberg in ein Gedenkensemble - wie es heißt - "mit anderem Sinn" eingebettet sei, erläutert Gerichtssprecher Henning Haberland:
"Der Senat hat ausgesprochen, dass die Skulptur, im Zusammenspiel der objektiven Umstände keinen beleidigenden Charakter hat. Sie ist durch ihre Einbindung in ein Mahnmal vom beleidigenden Charakter befreit."
Keine Entscheidung über alle "Judensauen"
Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung betreffe aber lediglich das als "Judensau" bekannte Relief in der Lutherstadt Wittenberg.
Haberland: "Das Urteil trifft keine Aussage darüber, wie im Allgemeinen mit solchen Schmähplastiken umzugehen ist."
Den grundsätzlichen Umgang mit derlei Plastiken, die in ähnlicher Form an etwa 30 Kirchen in Deutschland zu finden sind, das könne letztlich nur der Bundesgerichtshof entscheiden, weshalb das OLG Naumburg eine Revision am BGH zugelassen habe, erklärt Gerichtssprecher Henning Haberland.
"Das tut die Juden nicht beleidigen"
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Naumburg trifft den Nerv der Wittenberger Stadtgesellschaft:
"Soll nicht abgenommen werden. Das ist aus Urzeiten. Das tut die Juden nicht beleidigen. Das haben die alten Germanen da angebracht und dann soll es da auch bleiben."
"Das ist Geschichte, war nicht schön, aber ist Geschichte. Ich bin der Meinung: Die Entfernung ist Unfug. Es gibt weitaus wichtigere Sachen, um die man sich aufregen sollte."
"Mit dem Antisemitismus völlig unzureichend befasst"
Wortbeiträge, die Kläger Michael Dietrich Düllmann, der Mitglied einer jüdischen Gemeinde ist, schwer aushalten kann:
"Die 'Judensau' ist ein Beweis dafür: Die Wittenberger Gesellschaft hat sich mit dem Antisemitismus völlig unzureichend befasst."
Düllmann hat schon zu Beginn des Berufungsverfahrens angekündigt, er werde Revision einlegen, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.
In der EKM – der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands – ist der Umgang mit der Schmähplastik umstritten. Landesbischof Friedrich Kramer spricht sich für eine Abnahme der Plastik aus. Aber sie solle nicht ins Museum, dort würde es nur ritualisiertes – erstarrtes - Gedenken geben. Er schlägt dagegen ein Denkmal direkt an der Kirchenmauer vor.
Johannes Block, der Pfarrer der Wittenberger Stadtkirchengemeinde, setzt sich dagegen für den Erhalt ein. Sagt aber auch: Man sei im Gespräch mit der jüdischen Community, um einen adäquaten Umgang zu finden.