Im voll besetzten Gerichtssaal des Oberlandesgerichts Naumburg und vor den Türen wurde das Urteil von Tierschutz-Anhängern mit Beifallsstürmen begrüßt. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenats Gerd Henss mit deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass erst die illegalen Filmaufnahmen öffentlich gemacht hätten, welche Zustände in der Schweinezuchtanlage der "van Gennip Tierzuchtanlagen" im Norden Sachsen-Anhalts herrschten. Und: Die Tierschützer hätten einen Skandal aufgedeckt und dafür als Quittung ein Strafverfahren bekommen. Das Tierwohl sei im vorliegenden Fall höher zu bewerten, als das des Hausrechts, weshalb das niedrigere Gericht die drei Tierschutzaktivisten von Animal Rights Watch rechtskräftig freigesprochen habe, so Gerichtssprecher Henning Haberland.
"Der Senat hat die angeklagten Taten als gerechtfertigt erachtet und mit sehr deutlichen Worten ausgeführt, dass der Tierschutz ein dem verletzten Hausrecht übergeordnetes Rechtsgut darstellt."
"Der Senat hat die angeklagten Taten als gerechtfertigt erachtet und mit sehr deutlichen Worten ausgeführt, dass der Tierschutz ein dem verletzten Hausrecht übergeordnetes Rechtsgut darstellt."
Erst durch Hausfriedensbruch aufgedeckte Missstände
Die drei Tierschützer – zwei Männer und eine Frau - hatten in kurzen Einlassungen nochmal deutlich gemacht, dass sie lediglich auf die tierrechtlichen Verstöße aufmerksam machen wollten. Erleichtert zeigte sich der Hamburger Jürgen Foß, nach eigenen Angaben engagiert er sich seit 25 Jahren im Tierschutz.
"Wir waren – ich glaub, ich kann da für uns drei sprechen – sehr überrascht, mit welcher Deutlichkeit der Richter zum Schluss für unser Vorgehen ausgesprochen hat. Das bestärkt uns darin, dass wir alle auf dem richtigen Weg sind, dass sich Stückchen für Stückchen etwas bewegt, im Sinne für die Tiere."
2013 war Jürgen Foß zusammen mit zwei weiteren Tierschützern in eine Schweinemastanlage mit rund 60.000 Tieren in Sandbeiendorf im nördlichen Sachsen-Anhalt illegal eingedrungen und hatten Missstände gefilmt. In den Aufnahmen sieht man eingepferchte und fixierte Schweine. Apathisch liegen sie in viel zu kleinen Metall-Buchten, in denen sich die Tiere kaum bewegen, nicht mal ihre Gliedmaßen können sie ausstrecken. Stroh gibt's keins, stattdessen vegetieren die Schweine auf nacktem Betonboden in verdreckten Ställen aus DDR-Zeiten. Viele der überzüchteten Ferkel können nicht mal stehen, die Beine rutschen immer wieder zu Seite.
Wir alle sollten froh sein, so Richter Gerd Henss wörtlich, dass die Angeklagten die Missstände aufgedeckt hätten. Ohne die Filmaufnahmen, so Henss weiter, wäre es nie zu Ermittlungen gekommen. Es sei die einzige Möglichkeit gewesen, die Behörden zum Handeln zu zwingen. Henss spricht in dem Fall gar davon, dass die Veterinärbehörden die Missstände lange vertuscht hätten. Mahnt aber an, dass der Freispruch kein Freibrief für – Zitat – "selbst ernannte Tierschützer sei, die illegal in Ställe einbrechen".
"Es bedarf sicheren Wissens, dass dort Missstände herrschen."
So Hennig Haberland, der Sprecher des Naumburger Oberlandesgerichts. Also, nur wenn Tierschützer vorab exakte Hinweise hätten, dass gegen das Tierwohl verstoßen werden würde, nur dann dürfe man in Stallungen illegal eindringen und die Situation filmisch dokumentieren.
Der Freispruch der Tierschützer ist das erste Urteil, das je von einem Oberlandesgericht in Deutschland derart gefällt wurde, so Haberland weiter. Oberstaatsanwältin Maria Ascheberg dagegen nahm das Urteil mit versteinerter Miene auf, sie hatte eine Prozess-Neuauflage gefordert.
Unter Landwirten stößt das Urteil auf geteilte Meinung. Landwirt Reiner Heukamp besitzt in Giersleben am Rand der Magdeburger Behörde eine Mastanlage mit 5.000 Schweinen. Er kritisiert, dass mit dem Naumburger Urteil, das Gewaltmonopol des Staates aufgehoben werde. Jetzt könne jeder kommen, einbrechen und sagen, man wolle sich nur für das Tierwohl einsetzen. Die Tieraktivisten wollten die Branche verunsichern, so Tierhalter Heukamp weiter. Unterstützt wird er von Sachsen-Anhalts Bauernverband. Das Urteil sei eine Farce, sagt deren Sprecher Christian Apprecht.
"Also damit stellt sich der Rechtsstaat ein Armutszeugnis aus, dass er seinen Behörden so wenig zutraut und so wenig Verantwortung überlässt. Dass er sich auf Dritte verlassen muss, dass die seine Aufgaben mit erledigen. Das kann nicht sein.
"Wir waren – ich glaub, ich kann da für uns drei sprechen – sehr überrascht, mit welcher Deutlichkeit der Richter zum Schluss für unser Vorgehen ausgesprochen hat. Das bestärkt uns darin, dass wir alle auf dem richtigen Weg sind, dass sich Stückchen für Stückchen etwas bewegt, im Sinne für die Tiere."
2013 war Jürgen Foß zusammen mit zwei weiteren Tierschützern in eine Schweinemastanlage mit rund 60.000 Tieren in Sandbeiendorf im nördlichen Sachsen-Anhalt illegal eingedrungen und hatten Missstände gefilmt. In den Aufnahmen sieht man eingepferchte und fixierte Schweine. Apathisch liegen sie in viel zu kleinen Metall-Buchten, in denen sich die Tiere kaum bewegen, nicht mal ihre Gliedmaßen können sie ausstrecken. Stroh gibt's keins, stattdessen vegetieren die Schweine auf nacktem Betonboden in verdreckten Ställen aus DDR-Zeiten. Viele der überzüchteten Ferkel können nicht mal stehen, die Beine rutschen immer wieder zu Seite.
Wir alle sollten froh sein, so Richter Gerd Henss wörtlich, dass die Angeklagten die Missstände aufgedeckt hätten. Ohne die Filmaufnahmen, so Henss weiter, wäre es nie zu Ermittlungen gekommen. Es sei die einzige Möglichkeit gewesen, die Behörden zum Handeln zu zwingen. Henss spricht in dem Fall gar davon, dass die Veterinärbehörden die Missstände lange vertuscht hätten. Mahnt aber an, dass der Freispruch kein Freibrief für – Zitat – "selbst ernannte Tierschützer sei, die illegal in Ställe einbrechen".
"Es bedarf sicheren Wissens, dass dort Missstände herrschen."
So Hennig Haberland, der Sprecher des Naumburger Oberlandesgerichts. Also, nur wenn Tierschützer vorab exakte Hinweise hätten, dass gegen das Tierwohl verstoßen werden würde, nur dann dürfe man in Stallungen illegal eindringen und die Situation filmisch dokumentieren.
Der Freispruch der Tierschützer ist das erste Urteil, das je von einem Oberlandesgericht in Deutschland derart gefällt wurde, so Haberland weiter. Oberstaatsanwältin Maria Ascheberg dagegen nahm das Urteil mit versteinerter Miene auf, sie hatte eine Prozess-Neuauflage gefordert.
Unter Landwirten stößt das Urteil auf geteilte Meinung. Landwirt Reiner Heukamp besitzt in Giersleben am Rand der Magdeburger Behörde eine Mastanlage mit 5.000 Schweinen. Er kritisiert, dass mit dem Naumburger Urteil, das Gewaltmonopol des Staates aufgehoben werde. Jetzt könne jeder kommen, einbrechen und sagen, man wolle sich nur für das Tierwohl einsetzen. Die Tieraktivisten wollten die Branche verunsichern, so Tierhalter Heukamp weiter. Unterstützt wird er von Sachsen-Anhalts Bauernverband. Das Urteil sei eine Farce, sagt deren Sprecher Christian Apprecht.
"Also damit stellt sich der Rechtsstaat ein Armutszeugnis aus, dass er seinen Behörden so wenig zutraut und so wenig Verantwortung überlässt. Dass er sich auf Dritte verlassen muss, dass die seine Aufgaben mit erledigen. Das kann nicht sein.
Und wir haben nun die Hoffnung in die neue Bundesregierung, die das in den Entwurf des Koalitionsvertrages mit rein genommen hat, dass sie das klarer regeln will, die Autorität zurückholen will."
Kritik an Tierschutz im Koalitionsvertrag
Unter der Überschrift "Deutschland soll beim Tierschutz eine Spitzenposition einnehmen" heißt es nämlich im Koalitionsvertrag, dass man "Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden" wolle. Genau diese Passage stößt bei den Tierschützern auf Widerspruch. Weil dies erneut klar mache, so Tierschützer Jürgen Foß, dass alles gemacht werde, um gegen Aktivisten vorzugehen. Im Gegenzug werde aber nur wenig bis nichts unternommen, um Tierschutzverstöße zu ahnden.
"Es ist erstaunlich, dass die Forderungen der Tier-Industrie, es tatsächlich in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Es ist ein erneuter Versuch, von dem eigentlichen Thema des Tierleids abzulenken und der massiven Probleme in der Tier-Industrie. Hin dazu, die Tierschützer zu diskreditieren, die Überbringer der schlechten Botschaft zu kriminalisieren."
Verantwortlich für die Schweinemastanlage in Sandbeiendorf in der Altmark, ist die aus Utrecht stammende Familie van Gennip, sie gehört zu den größten Schweinezüchtern Deutschlands. Sie hatte die drei Tierschützer wegen Hausfriedensbruchs verklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte Geldstrafen zwischen 300 und 800 Euro gefordert.
Vorwürfe, die holländischen Eigentümer würden nicht mal die Mindeststandards der Schweinehaltung beachten, perlten 2013 am damalige Betriebsleiter Jan Groen ab, wie er damals gegenüber dem Deutschlandfunk sagte.
"Ich denke, dass die Vorwürfe nicht gerecht sind, und dass wir nach den Vorschriften handeln. Und wenn wir nicht nach den gesetzlichen Vorschriften handeln, ist das mit dem Veterinäramt vereinbart."
"Es ist erstaunlich, dass die Forderungen der Tier-Industrie, es tatsächlich in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Es ist ein erneuter Versuch, von dem eigentlichen Thema des Tierleids abzulenken und der massiven Probleme in der Tier-Industrie. Hin dazu, die Tierschützer zu diskreditieren, die Überbringer der schlechten Botschaft zu kriminalisieren."
Verantwortlich für die Schweinemastanlage in Sandbeiendorf in der Altmark, ist die aus Utrecht stammende Familie van Gennip, sie gehört zu den größten Schweinezüchtern Deutschlands. Sie hatte die drei Tierschützer wegen Hausfriedensbruchs verklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte Geldstrafen zwischen 300 und 800 Euro gefordert.
Vorwürfe, die holländischen Eigentümer würden nicht mal die Mindeststandards der Schweinehaltung beachten, perlten 2013 am damalige Betriebsleiter Jan Groen ab, wie er damals gegenüber dem Deutschlandfunk sagte.
"Ich denke, dass die Vorwürfe nicht gerecht sind, und dass wir nach den Vorschriften handeln. Und wenn wir nicht nach den gesetzlichen Vorschriften handeln, ist das mit dem Veterinäramt vereinbart."
Doch nach den Filmaufnahmen der Tierschützer waren die Behörden zum Handeln gezwungen. Nach Angaben des Magdeburger Agrarministeriums gab es seit 2013 mehrere Kontrollen in dem Betrieb, zudem seien Auflagen erteilt worden.
Für Sachsen-Anhalts Agrarministerin Claudia Dalbert von den Grünen ist das Urteil des Naumburger Oberlandesgerichts wegweisend. Der Bund sei nun aufgefordert, dafür zu sorgen, so Dalbert weiter, dass der Tierschutz in den Schweineställen flächendeckend eingehalten werde.
Für Sachsen-Anhalts Agrarministerin Claudia Dalbert von den Grünen ist das Urteil des Naumburger Oberlandesgerichts wegweisend. Der Bund sei nun aufgefordert, dafür zu sorgen, so Dalbert weiter, dass der Tierschutz in den Schweineställen flächendeckend eingehalten werde.