Berlin, 6. August 2019. Landgericht Moabit
"Die Verhandlung gegen…und andere wird fortgesetzt. Die Prozessbeteiligten bitte in den Saal 500 eintreten."
"Die Verhandlung gegen…und andere wird fortgesetzt. Die Prozessbeteiligten bitte in den Saal 500 eintreten."
Es ist der 290. Verhandlungstag im so genannten Berliner Rockerprozess. Seit Ende 2014 stehen elf Männer von den Hells Angels vor Gericht. Sie sollen vermummt in ein Wettbüro gestürmt sein und einer von ihnen soll dann den Besitzer kaltblütig erschossen haben. Das Ganze wurde von einer Überwachungskamera gefilmt und dauerte nicht länger als 25 Sekunden. Eigentlich sollte damit alles klar sein. Warum das Verfahren dennoch nunmehr fast fünf Jahre dauert, erklärt die Sprecherin der Berliner Strafgerichte, Lisa Jani:
"Das liegt daran, dass die Geschehnisse hier sehr komplex waren, dass nicht alle, die jetzt auf der Anklagebank sitzen, tatsächlich auch dabei gewesen sein sollen, sondern eben auch zum Teil den Auftrag erteilt haben sollen."
Für das Verfahren hieß das, dass bisher 345 Zeugen gehört und Protokolle von mehr als 150 Stunden Telefongesprächen verlesen werden mussten und insgesamt 26 Sachverständige ausgesagt haben.
Es ist der derzeit am Längsten laufende Strafprozess vor Berliner Gerichten und fällt damit allein schon wegen seiner Dauer deutlich aus dem Rahmen. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer vor dem Berliner Landgericht, also dort, wo es um eher schwerere Straftaten geht, liegt bei knapp neun Monaten und damit etwas über dem Bundesdurchschnitt von fast acht Monaten. Bei den Amtsgerichten können dagegen mehr als die Hälfte der Verfahren in maximal drei Monaten erledigt werden. Bei einfachen Straftaten reicht oft sogar ein einziger Verhandlungstag.
Aber: Insgesamt hat in den letzten Jahren die Dauer von Strafverfahren im Durchschnitt zugenommen. Das ist auch bei der Bevölkerung angekommen: Schlagzeilen über überlange und geplatzte Prozesse oder Entlassungen wegen zu langer Untersuchungshaft häufen sich.
So musste vor zwei Jahren in Koblenz das Verfahren gegen ein Neonazi-Netzwerk abgebrochen werden, weil nach knapp fünfjähriger Prozessdauer der Vorsitzende Richter pensioniert wurde und deshalb nicht mehr weiterverhandeln konnte. Erst nach einer erfolgreichen Beschwerde der Staatsanwaltschaft und einem strafprozessualen Hickhack um die Besetzung der neuen Strafkammer, wird der Prozess seit Anfang dieses Jahres weitergeführt.
Auch in der Justiz selbst wächst der Unmut, berichtet der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa:
"Verfahren dauern länger. Und das ist auch die Selbstwahrnehmung der Staatsanwälte und der Richter. Wir haben sie befragt: 75 Prozent der Richter und Staatsanwälte halten die Verfahrensdauer für zu lang."
Neue Gesetze und globalere Kriminalität
Damit liegen Richter und Staatsanwälte nur knapp unter dem Ergebnis der Gesamtbevölkerung, wo laut einer Umfrage 88 Prozent die Verfahrensdauer zu lang finden. Für den Richterbundvorsitzenden gibt es mehrere Ursachen für diese Entwicklung:
"Erstens: Es gibt neue Formen globaler Kriminalität. Denken Sie an IS-Rückkehrer, an Völkerstrafverfahren wegen Taten im Kongo, die Seeräuber vor Somalia und so weiter. Zweitens: Es gibt eine Ausweitung strafrechtlicher Regelungen: Sportwettenbetrug, Doping im Sport, Stalking, Gaffer. Es kommt eigentlich immer ein neues Gesetz in kurzen Intervallen dazu."
Und auch die Regeln für das Verfahren selbst – also die Strafprozessordnung – werden immer komplizierter, sagt Gnisa. Das meint auch Andreas Mosbacher, Richter beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Leipzig.
"Strafverfahrensrecht ist sicher kompliziert, auch weil es viel case law ist, also von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – meines Hauses – auch abhängt. Und da haben wir natürlich auch an der einen oder anderen Schraube mitgedreht.
Unser Strafverfahrensrecht ist ja im Prinzip von den 1870er Jahren bis heute in Kraft, teilweise jedenfalls. Es ist immer wieder angebaut worden und es gab immer wieder Neuregelungen. Es gibt kein großes neues System mal in der Gesetzgebung und wir haben heute die Situation, dass wir doch eine Reihe von Punkten haben, die es ermöglichen, Sand ins Getriebe der Hauptverhandlung zu streuen, so möchte ich das mal nennen."
Mehr als 500 Befangenheitsanträge in einem Prozess
Und diesen Sand streuen, so sehen es zumindest viele Richter und Staatsanwälte und jetzt auch die Bundesjustizministerin, Rechtsanwälte in das Getriebe und bringen durch Anträge, Rügen und Beschwerden allzu oft den Strafprozess ins Stocken. Zum Beispiel wurden allein in den ersten fünf Jahren des Koblenzer Neonazi-Prozesses mehr als 500 Befangenheitsanträge, mehr als 240 Beweisanträge und mehr als 400 Anträge zum Verfahrensablauf gestellt.
Die Bundesjustizministerin hat deshalb vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem Missbrauch strafprozessualer Möglichkeiten durch Verteidiger Einhalt gebieten will. Christine Lambrecht, die Justizministerin, zu ihrem Vorstoß:
"Wir haben in vielen Großverfahren feststellen müssen, dass es durchaus durch bestimmte Verfahrensmöglichkeiten zu Verzögerungen beziehungsweise zu einer sehr langen Dauer geführt hat. Diejenigen, die am Prozess beteiligt sind, die Fachleute beschreiben uns ähnliches, dass durch Befangenheitsanträge, dass durch Beweisanträge, dass es da eine Verschleppung gibt, die nicht mehr dazu führt, dass ein Verfahren auch in der Schnelligkeit, aber bei gleichzeitiger Gründlichkeit durchgeführt werden kann, wie man das gerne möchte."
Der Entwurf sieht beispielsweise vor, dass missbräuchlich gestellte Befangenheits-und Beweisanträge leichter als bisher vom Gericht abgelehnt werden können. Denn, so heißt es in der Begründung, insbesondere Befangenheitsanträge würden sich nach den Erfahrungen aus der richterlichen Praxis häufig als unbegründet erweisen. Was die Möglichkeit, einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für die Verteidigung bedeutet, erläutert Dirk Lammer.
Er ist einer der Verteidiger im Berliner Rockerprozess und Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein.
"Das Recht einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist ein grundsätzliches Recht, was ja auch nicht dem Verteidiger zusteht, sondern dem Angeklagten, der das entscheiden muss."
Dabei ist es keine Frage, so betont Rechtsanwalt Dirk Lammer, ob ein Richter oder auch Schöffe tatsächlich voreingenommen ist,...
"…sondern, ob er sich in einer Art und Weise verhalten hat, die, wie es immer so schön heißt, auch bei einem besonnenen Angeklagten die Besorgnis begründen kann, dass er sich da irgendwie schon endgültig festgelegt hat und der Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenübersteht. Und es gibt Verhaltensweisen von Richtern, die manchmal so ein bisschen flapsig sind. Das muss man fein abwägen."
Aber auch bestimmte Beschlüsse oder Formulierungen in Beschlüssen können Anlass für die Annahme sein, dass sich ein Richter bereits vor Abschluss der Hauptverhandlung eine feste Meinung gebildet hat und davon auch nicht mehr abrücken werde. Und selbst im privaten Umfeld muss ein Richter aufpassen, was er sagt. Dirk Lammer:
"Ein Richter kann sich überall befangen machen, nicht nur im Saal und wenn er da an der Sache arbeitet. Wenn der auf irgendeiner Party rumschwätzt. Also ein geschwätziger Richter ist natürlich gefährlich für sich, aber auch für das Verfahren."
Am Rande der Praktikabilität
Wenn ein Antrag auf Ablehnung eines Richters oder eines Schöffen zu Unrecht abgelehnt wurde, ist das in jedem Fall ein Grund, der zur Aufhebung des Urteils führt. 'Absoluter Revisionsgrund' nennen das Juristen.
Denn das wäre eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten gesetzlichen Richters. Und deshalb kann man diese Frage gegebenenfalls sogar vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.
Ob allerdings Änderungen im Befangenheitsrecht tatsächlich zu einer insgesamt merkbaren Verkürzung von Strafverfahren führen, ist mehr als fraglich. Denn tatsächlich wird nur in verhältnismäßig wenigen Verfahren von dem Instrument Gebrauch gemacht.
Der so genannte Strafkammertag, eine Zusammenkunft von Strafrichtern aus den verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken, dessen Vorschläge sich in Teilen jetzt auch im Gesetzentwurf wiederfinden, hat festgestellt, dass durchschnittlich in gerade einmal 5 Prozent der Verfahren überhaupt Befangenheitsanträge gestellt werden.
Dass in nur wenigen Verfahren in einem exzessiven Maß von Befangenheits- oder anderen Anträgen Gebrauch gemacht wird, gesteht auch der Richterbundvorsitzende Jens Gnisa zu:
"Wir reden hier von Spitzen. Und die Schlussfolgerung kann nicht lauten, dass wir solche Dinge ungeregelt lassen, sondern sie muss dann lauten, dass wir sehr moderat rangehen, weil es sich eben um Spitzen handelt, um Ausreißer. Und wir wollen nicht die ganze Strafprozessordnung umwerfen, sondern wir wollen als gerichtliche Praxis und als deutscher Richterbund nur diese Spitzen kappen."
Aber auch wenn es Ausreißer sind: Großverfahren, wie das Loveparade-Verfahren oder das NSU-Verfahren, "ja, solche Verfahren müssen wir natürlich auch in den Griff bekommen können. Und wir befinden uns bei diesen Großverfahren am Rande der Praktikabilität."
Der Frankfurter Rechtsprofessor Matthias Jahn, der selbst auch Richter am Oberlandesgericht ist, meint dagegen, dass einzelne Verfahren nicht zum Anlass genommen werden sollten, generelle gesetzliche Regelungen zu schaffen. Bei manchen Verfahren müsse eben auch eine gewisse Dauer hingenommen werden.
"Es ist sicherlich richtig, dass ein Prozess, der eben kein kurzer Prozess sein will, sondern in dem alle Beteiligten die Möglichkeit bekommen sollen, ihren Standpunkt zu vertreten und zu Gehör zu bringen, länger dauert und mehr Ressourcen verschlingt, als ein Verfahren, wo es nur darum gehen würde, die Anklagehypothese der Staatsanwaltschaft zu bestätigen. Ein solches Verfahren wollen wir nicht, das ist nicht unsere rechtstaatliche Tradition."
Am jetzigen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums stört den Rechtswissenschaftler vor allem der unterschwellige Vorwurf, Verteidiger 'stören' den Strafprozess
"Ich bin mir nicht sicher, ob es hier um ein Misstrauen gegenüber Strafverteidigung geht, aber es geht doch zum Teil um ein Missverständnis dessen, was Strafverteidigung im Verfahren soll. Es ist die Aufgabe des Verteidigers Sand ins Getriebe zu streuen. Wenn er nur verfahrenskonforme Aktivitäten entfalten sollte, dann bräuchte man ihn nicht."
Rechtsmissbrauch nicht definiert
Im Gesetzentwurf fehlen Jahn zufolge zudem empirische Belege über das tatsächliche Ausmaß von Rechtsmissbrauch beim Verteidigerhandeln. Zumal es der Wissenschaft und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher noch nicht gelungen sei, hier eine eindeutige Definition des Rechtsmissbrauchs zu liefern.
"Ich glaube auch nicht, dass es in Abrede zu stellen ist, dass es in einzelnen Verfahren Schwierigkeiten mit Anwältinnen und Anwälten gibt, aber in der Masse der Verfahren können wir das nicht feststellen. Deshalb glaube ich, dass der Gesetzgeber hier gut beraten ist, noch einmal innezuhalten und zu überlegen, ob es möglicherweise auch mit weniger invasiven, mit weniger stark wirkenden Mitteln in der Sphäre der Verteidigung im Kontext der Gesetzgebung ginge."
Einen Eingriff befürchten aber nicht nur jene Rechtsanwälte, die als Verteidiger tätig sind, sondern auch Vertreter von Nebenklägern, in der Regel also der Geschädigten. Denn das Bundesjustizministerium sieht in seinem Gesetzentwurf auch vor, dass – ebenfalls mit dem Ziel der Prozesseffektivierung – die Gerichte künftig mehreren Nebenklägern einen gemeinsamen Vertreter bestellen können.
Bisher kann bei bestimmten Straftaten – besonders schlimmen Straftaten, wie beispielsweise Tötungsdelikte, Sexualdelikte oder auch schwere Körperverletzungen – jedem Opfer oder auch gegebenenfalls jedem der Hinterbliebenen von Opfern, ein eigener Rechtsanwalt bestellt werden, der dann auch vom Staat bezahlt wird. Künftig soll das bei so genannten 'gleichgelagerten Interessen' der Geschädigten gebündelt werden. Ein gemeinschaftlicher Rechtsanwalt für mehrere Nebenkläger könne dann die Opferinteressen wirksam und nachhaltig wahrnehmen und zugleich werde dem Gericht die Durchführung der Hauptverhandlung durch die geringere Anzahl an Verfahrensbeteiligten erleichtert, heißt es zur Begründung im Entwurf.
Roland Weber ist Rechtsanwalt in Berlin. In vielen Strafverfahren hat er schon die Interessen von Opfern vertreten. Er ist entsetzt über die Pläne des Ministeriums.
"Ich finde das Ganze in der Form nicht gut. Ich halte nichts von dieser Bündelung, denn sie widerspricht dem, was der Gesetzgeber vor wenigen Jahren noch sagte, dass die Opfer einen Anspruch auf einen für sie kostenfreien Opferanwalt haben sollen."
Weber, der auch als Berliner Opferbeauftragter tätig ist, befürchtet, dass unter dem Deckmantel der Effektivierung und Modernisierung von Strafverfahren und angesichts einiger weniger Fälle mit einer Vielzahl von Geschädigten an den Kosten für die Opfervertreter gespart werden soll. Denn eine tatsächliche Beschleunigung erwartet er von einer Neuregelung nicht.
"Ich habe selber als Nebenklägervertreter an mehreren Verfahren teilgenommen, in dem ein Dutzend und mehr Nebenklägervertreter saßen. Nach meiner Beobachtung hat es keinerlei Auswirkungen auf die Dauer des Verfahrens gehabt, da nur wenige Nebenklägervertreter konkrete Anträge stellen. Meistens haben sie ganz konkret auf ihre Geschädigten, also auf ihre Nebenkläger bezogen einige Nachfragen an manche Zeugen gestellt, und das war es dann auch. Sehr viel mehr ist nicht passiert."
Allerdings befürchtet er, dass das Verfahren – sollte die Bündelung tatsächlich kommen – noch belastender für die Betroffenen werden könnte. Beispielsweise für die Hinterbliebenen bei Tötungsdelikten. Denn das Gericht muss zunächst einmal herausfinden, ob überhaupt gleichgelagerte Interessen vorliegen. Roland Weber:
"In der Praxis wird das dazu führen, dass die Hinterbliebenen detailliert ihr Familienleben darstellen und schildern müssen, um zu zeigen, in welchem Verhältnis sie zu Ehepartner, zu Geschwistern und so weiter stehen, sofern sie einen eigenen Anwalt wünschen. Das müssen sie detailliert darlegen, wie ihre Interessen aussehen. Und oftmals handelt es sich um Beziehungstaten, das heißt, hier muss dann im Detail dargelegt werden, wer wie zu wem in der Familie steht."
Und das könne problematisch werden, wenn man bedenkt, dass jedem der Beteiligten ein Akteneinsichtsrecht zusteht, warnt Weber. Intime Details, die eigentlich mit dem Fall nichts zu tun haben, könnten dann dem Täter und seinen Vertretern, den übrigen Nebenklägern und ihren Vertretern aber auch der Staatsanwaltschaft ungeschützt offengelegt werden, befürchtet der Opferanwalt.
Was aber kann getan werden, um Strafprozesse zu beschleunigen, ohne die Rechte der daran Beteiligten zu gefährden? Die Erhöhung der Zahl der Richter und Staatsanwälte ist sicher ein richtiger und wichtiger Weg. Hier hat sich in den vergangenen Jahren auch einiges getan.
Viele Richter gehen in Pension
Voller Stolz verweisen die Landesjustizministerinnen und -minister auf die gestiegene Zahl der Einstellungen in der Justiz. Allein im Rahmen des so genannten ‚Pakts für den Rechtsstaat‘ haben sich Bund und Länder auf die Schaffung von 2000 neuen Richter- und Staatsanwaltsstellen geeinigt.
Aber: Der Bedarf wird in den kommenden Jahren auch weiter steigen. Denn bis 2030 scheiden nach Angaben des Deutschen Richterbundes bundesweit mehr als 10.000 Richter und Staatsanwälte aus dem Dienst aus – rund 40 Prozent aller Justizjuristen.
In den ostdeutschen Bundesländern sind es sogar noch mehr – fast zwei Drittel. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes plädiert daher auch für interne Reformen in der Justiz um Verfahren zu effektivieren.
"Wir brauchen eine weitere Spezialisierung auch innerhalb der Justiz. Wir sind mit dem Richter als Generalisten vielleicht und auch dem Staatsanwalt so ein bisschen ans Ende gekommen. Wir brauchen mehr Fortbildung und wir müssen, glaube ich auch Karrierewege eröffnen in spezialisierten Bereichen, damit das Fachwissen dort erhalten bleibt."
Für Andreas Mosbacher besteht ein großes Potential auch in der Art und Weise, wie Prozesse strukturiert werden. Hier bestehe bei den Kolleginnen und Kollegen noch ein großer Nahholbedarf, sagt der BGH-Richter:
"Also ich denke, dass wir in der Ausbildung ganz großen Wert darauf legen sollten, dass die Vorsitzenden von großen Strafkammern, die einen ganz schweren Job haben, dass die genau in der Frage effektiver Verhandlungsführung ganz gezielt ausgebildet werden. Es gibt viele Stellschrauben, an denen man da ansetzen kann, um so etwas zu lehren und zu lernen."
Erfahrungen mit Verfahrensabsprachen
Eine dieser Stellschrauben könnte die Verfahrensabsprache, umgangssprachlich auch Deal genannt, sein. Dabei einigen sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Nebenkläger mit dem Angeklagten über das weitere Verfahren und auch über das Ergebnis des Verfahrens.
In der Regel geht es dabei um die konkrete Strafe, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt. Der Gesetzgeber hatte vor zehn Jahren für Verfahrensabsprachen Regelungen eingeführt, auch damals schon mit dem Ziel, Strafprozesse abzukürzen.
Allerdings, so erläutert der Frankfurter Rechtsprofessor Matthias Jahn, ist durch die spätere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Anwendung sehr kompliziert geworden. An seinem Lehrstuhl an der Universität in Frankfurt am Main wird gerade im Auftrag des Bundesjustizministeriums eine Untersuchung zu den Erfahrungen mit Verfahrensabsprachen durchgeführt. Dazu wurden bundesweit Richterinnen und Richter, aber auch Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger befragt und Verfahrensakten analysiert.
"Diese Studie, die wir gerade erstellen, wird im nächsten Jahr vorgestellt werden und wir werden versuchen, anhand der dort gefundenen Ergebnisse dem Gesetzgeber Empfehlungen zu geben, ob es hier noch ungenutzte Möglichkeiten für die Verkürzung des Verfahrens gibt", sagt Jahn.
Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums liegt nun zunächst bei den Fachverbänden, die dazu bis Anfang Oktober Stellung nehmen können. Insbesondere aus der Anwaltschaft dürfte dabei Kritik kommen.
Ob sie gehört wird und wie das fertige Gesetz dann letztendlich aussehen wird, bleibt abzuwarten. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren soll nach den Plänen der Ministerin jedenfalls noch in diesem Jahr beginnen.