Dem deutschen Fußball droht das Szenario, vor dem sich wohl einige Funktionäre seit Jahren gefürchtet haben: Sie verlieren die Kontrolle über die Ausgestaltung der 50+1-Regel. Bisher war es immer gelungen, Klagen gegen diese Regel abzuwenden. Sie besagt, dass Investoren nicht die Stimmenmehrheit in einem Verein bekommen dürfen.
Die Deutsche Fußball-Liga DFL hatte 2021 das Bundeskartellamt angerufen. Die Aufsichtsbehörde entschied, die Regel sei wettbewerbsrechtlich in Ordnung, nur die Ausnahmeregelung für die Clubs aus Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim seien unzulässig. Diese umstrittene Entscheidung hielt den Konflikt um die Regel am Kochen. Jetzt wollen die DFL, das Kartellamt und betroffene Klubs nachverhandeln.
DFL will Regel "legitimieren"
„Es geht jetzt darum, in dem Dreieck Schritte aufeinander zu bewegen, damit wir 50 plus eins und auch die Ausnahmegenehmigung so im Prinzip auch legitimiert bekommen", sagt DFL-Chefin Donata Hopfen bei der Pressekonferenz nach der Generalversammlung im August. Sie hofft auf den Erhalt des Status Quo Aber selbst wenn sich die Parteien jetzt einigen, könnte das bald wieder Makulatur sein.
Die „Gefahr“ kommt aus Europa, genauer gesagt aus Luxemburg. Der Verein Swift Hesperange klagt vor einem luxemburgischen Bezirksgericht gegen die Europäische Fußball-Union Uefa und den luxemburgischen Fußball-Verband FLF. Deren Statuten würden gegen das EU-Abkommen verstoßen, das freien Kapitalverkehr garantiere. Und auch Investitionsbeschränkungen seien verboten. Der belgische Anwalt Martin Hissel:
„Wir sind der Ansicht, dass Swift Hesperange dazu verurteilt ist, ein gemeinnütziger Verein zu bleiben und das verbietet ihm daher, wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten zu entfalten. Eine solche Beschränkung hindert jeden in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Investor daran, SWIFT Hesperange oder auch einem anderen luxemburgischen Verein Kapital zur Verfügung zu stellen, um zu seiner sportlich wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen.
Anwalt Hissel: "Regeln verstoßen gegen EU-Recht"
Der Sportrechts-Experte Hissel und Jean-Louis Dupont, berühmt durch seinen Erfolg im Bosman-Fall, vertreten den luxemburgischen Klub aus der ersten Liga. Mit dem Verbot des nationalen Verbandes, Kapitalgesellschaften aus Vereinen auszugliedern, werde der sportliche Erfolg behindert. Hissel sagt: „Die Lage ist also noch schlimmer als die deutsche 50+1-Regel, insofern in Luxemburg an sich ja eigentlich die Null-Regelung herrsche.“
Das betrifft laut Hissel aber nicht nur Swift Hesperange. Auch andere Parteien aus dem Umfeld des Vereins sind betroffen. Deshalb tritt auch Swifts-Sponsor Leopard, eine luxemburgische Handelsgesellschaft, als Kläger auf.
„Die angefochtenen Regeln verstoßen gegen EU-Recht und behindern die nationale und transnationale wirtschaftliche Entwicklung der Aktivitäten des Vereins, darunter insbesondere die wirtschaftlichen Aktivitäten, die der Verein mit seinen Partnern, insbesondere seinen Sponsoren durchführen kann", meint Hissel.
Auch ein Fan klagt mit
Aber nicht nur die Aktivitäten von Swift und seinen Wirtschaftspartnern sieht der Anwalt eingeschränkt. Auch den Fans werde ein besseres Fußballerlebnis verwehrt. Aus diesem Grund klagt jetzt auch ein Fan gemeinsam mit Swift.
Das Gericht in Luxemburg ist nur der erste Schritt. Die Anwälte erwarten, dass das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof vorgelegt wird. Und auf dessen Entscheidung könnten sich dann später potentielle Kläger in Deutschland berufen.
„Auswirkungen auf die Regel fünfzig-plus-eins in Deutschland hat es dahingehend, dass es wiederum eine Erklärung geben wird, wenn der EuGH sich dazu äußern möchte, wo die Grenzen liegen, der Notwendigkeit, einzugreifen in Kapital- und Wettbewerbsfreiheit, die in Europa garantiert werden.“
Sagt Martin Stopper. Der Sportrechtsexperte ist als Anwalt am 50+1-Verfahren des Bundeskartellamtes beteiligt.
Dieses wird ins Deutschland also voraussichtlich nicht das letzte Wort haben. Es sieht so aus, als würde der Streit um 50+1 den deutschen Fußball noch über Jahre begleiten.