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Gerig (CDU) zur anhaltenden Trockenheit
"Wir haben in der Tat schon allergrößte Sorgen"

Noch hoffen Land- und Forstwirte auf erlösenden Regen. Doch der Optimismus weiche, sagte der Landwirtschafts-Politiker Alois Gerig (CDU) im Dlf. Sein Ausschuss diskutiere bereits intensiv, "was zu tun ist, um Schäden abzupuffern".

Alois Gerig im Gespräch mit Christiane Kaess |
Vertrocknetes Maisfeld in der Mark Brandenburg.
In Brandenburg gilt nach anhaltender Trockenheit bereits die höchste Waldbrand-Warnstufe (picture-alliance / dpa / akg-images / Jürgen Raible)
"Wir haben in der Tat schon allergrößte Sorgen", sagt Alois Gerig, der dem Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft vorsitzt. Die Böden seien "trockener als im vergangenen Jahr. Und wir wissen ja, wie das Jahr 2018 abgelaufen ist." Betroffen sei nicht nur die Erdoberfläche, auch tiefe Wasserreservoire seien leer. Es habe im Winter "weniger geregnet, als notwendig gewesen wäre, um die Wasserspeicher wieder aufzufüllen."
Gerigs Ausschuss diskutiert deswegen jetzt schon, "was zu tun ist, um Schäden abzupuffern, ob es Hilfe zur Selbsthilfe ist, zum Beispiel Förderung von Versicherungen gegen Ernteausfall durch Dürre". Thema sei insbesondere, "wie wir Waldbesitzer unterstützen können und dafür Sorge tragen können, die Katastrophe nicht größer werden zu lassen wie im letzten Jahr". Wälder und deren Besitzer leiden noch Jahre später an den Folgen einer Dürre.
Für eine CO2-Steuer
Um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, plädiert Gerig dafür, Verursacher von CO2-Emissionen in die Pflicht zu nehmen, etwa mit einer CO2-Steuer, für die sich auch sein Parteikollege Wolfgang Schäuble jüngst offen gezeigt hat. "Wir müssen da die Menschen in die Pflicht nehmen, wo sehr viel das Klima geschädigt wird, und wir müssen diejenigen entlohnen, die dafür Sorge tragen, dass das Klima stabil bleibt. Und da gehören zum Beispiel die Waldbesitzer dazu."
Auch die Waldbrandgefahr ist im Moment sehr hoch. Zur Unterstützung schlecht ausgerüsteter Feuerwehren die Bundeswehr mit einzuschalten, begrüßt Gerig und sagt: "Wir haben das Monitoring deutlich ausgeweitet über Satelliten, mitunter auch über Drohnen, um da eine bessere Überwachung zu haben." Zur Panikmache bestehe kein Anlass, aber Sensibilisierung der Bevölkerung sei hilfreich. Nicht nur Zigarettenkippen, auch Glas sei eine Gefahr im Wald, da es als Brennglas fungieren könne.
Lebensmittelknappheit nicht zu erwarten
Eine Lebensmittelknappheit in Deutschland hält Gerig nicht für möglich. Die Regale seien voll, und die Bevölkerung leiste sich eine enorme Lebensmittelverschwendung. Vor diesem Hintergrund findet Gerig "es gar nicht so schlecht, wenn wir wieder mal Diskussionen darüber führen, dass Lebensmittel auch ihre Wertschätzung brauchen und auch die Produzenten, spricht die Landwirte, ihre Wertschätzung brauchen. Lebensmittel sind ja in Deutschland so günstig, wie sie nie waren."
Nach Gerigs Einschätzung dürften Lebensmittel ruhig "ein bisschen mehr kosten, und die Wertschätzung für diese Nahrungsmittel könnte in der Breite der Bevölkerung durchaus noch ein bisschen zunehmen".

Das ganze Interview zum Nachlesen:
Christiane Kaess: In Brandenburg ist flächendeckend die höchste Warnstufe für Waldbrände ausgerufen worden. An manchen Orten gab und gibt es bereits Brände, manche Wälder dürfen vorsorglich nicht mehr betreten werden. Die Böden sind zum Beispiel in Thüringen jetzt schon trockener als im Juli vergangenen Jahres, und die Berlinerinnen und Berliner sind wieder dazu aufgerufen, die Bäume in der Stadt zu gießen, weil das Grünflächenamt es alleine nicht mehr schaffe.
Auch wenn sich aus der derzeitigen Trockenheit keine genauen Vorhersagen für diesen Sommer ableiten lassen, wird schon jetzt die Frage diskutiert, ob uns eine Dürre wie im letzten Jahr bevorsteht und welche Folgen das hätte, vor allem in der Landwirtschaft. Darüber kann ich jetzt sprechen mit Alois Gerig von der CDU. Er ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, und er ist selbst Landwirtschaftsmeister. Guten Morgen, Herr Gerig!
Gerig: Guten Morgen, freut mich!
Kaess: Herr Gerig, wie optimistisch sind Sie denn, dass in diesem Sommer die Ernte besser ausfällt als letztes Jahr?
Gerig: Na ja, der Optimismus weicht so allmählich mehr und mehr. Ich habe natürlich Hoffnung, dass der Regen noch kommt. Das könnte passieren, aber wir haben in der Tat jetzt schon allergrößte Sorgen, weil die Böden trockener sind als im vergangenen Jahr, und wir wissen ja, wie das Jahr 2018 nachher abgelaufen ist mit den immensen Ernteausfällen in der Land- und in der Forstwirtschaft, und die Forstwirtschaft ganz besonders, die leidet ja immer noch mehrere Jahre nach einem Trockenjahr. Selbst wenn es regnen würde, könnte man dort nicht mehr alles retten.
Kaess: Das ist auch ein Phänomen, auf das die Wetter- und Klimaexperten immer wieder verweisen, dass die Wasserspeicher tiefer in der Erde, dass die viel weniger gefüllt sind als vor dem letzten Sommer. Also daraus lassen sich durchaus jetzt schon Konsequenzen ableiten?
Gerig: Ja, auf alle Fälle. Es hat im Winter weniger geregnet als notwendig gewesen wäre, um die Wasserspeicher wieder aufzufüllen. Deswegen guckt man jetzt jeden Tag als Land- und Forstwirst gen Himmel, hofft auf Regen, der bis jetzt aber ausbleibt. Viele Sommerungen sind jetzt schon wieder geschädigt, wenn ich draußen durch die Fluren fahre.
Große Probleme in der Forstwirtschaft
Kaess: Muss die Politik also jetzt schon über Maßnahmen für die Bauern nachdenken?
Gerig: Also die Politik kann natürlich immer nur Nothelfer sein. Wir können das Wetter nicht machen, aber wir diskutieren tatsächlich sehr intensiv darüber, was zu tun ist, um Schäden abzupuffern, ob es Hilfe zur Selbsthilfe ist, zum Beispiel Förderungen von Versicherungen gegen Ernteausfall durch Dürre, oder ob es im Wald ist, wo ja aktuell ganz große Probleme bestehen, weil durch diese Kalamitäten, Sturm und auch Käferbefall, extrem viel Nutzholz auf dem Markt ist, das gar nicht mehr aufgenommen werden kann und zu einem totalen Preisverfall geführt hat.
Kaess: Aber wie konkret müssen Maßnahmen denn da schon werden jetzt, denn im letzten Jahr hatten wir ja diese Diskussion. Letztendlich wurden dann 340 Millionen zugesagt von der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, aber das war dem Bauernverband viel zu wenig, und die Bauern hätten auch gerne früher Hilfe gehabt. Also muss man eventuell jetzt auch schon politisch handeln?
Gerig: Ich meine, als verantwortliche Ministerin und auch als Politiker muss man natürlich schon aufpassen, wie man mit öffentlichen Geldmitteln umgeht, und man kann erst dann eingreifen, wenn tatsächlich die Not greifbar und nachweisbar ist. Deswegen kann man nicht in vorauseilendem Gehorsam hier Gelder zur Verfügung stellen, aber wir diskutieren auch in unserem Ausschuss darüber, wie es weitergehen könnte, wenn es so trocken bleibt, wie weit wir insbesondere Waldbesitzer unterstützen können und dafür Sorge tragen können, um die Katastrophe nicht noch größer werden zu lassen wie im letzten Jahr.
Kaess: Letztes Jahr hieß es, dass rund 10.000 Betriebe in ihrer Existenz bedroht seien. Wie oft können diese Betriebe gerettet werden?
Gerig: Das ist eben die Frage, aber jetzt geht es ja nicht nur um die Einzelbetriebe. Wir haben ohnehin die Problematik, dass wir einen sehr großen Strukturwandel haben. Viele Bauernhöfe werden ja aufgegeben, weil diese schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dazu führen, dass junge Betriebsleiter sagen, nein, muss ich mir nicht unbedingt antun, also sind wir schon alle gefordert. Es geht um die Bewirtschaftung unseres Landes, um die Biodiversität. Beim Wald reden wir immerhin auch von einem Drittel der Flächen bundesweit.
Lebensmittelknappheit "halte ich absolut nicht für möglich"
Kaess: Und im letzten Jahr sind genau auch solche Maßnahmen diskutiert worden, wie Landwirte besser auf Ernteausfälle eingehen können. Da war viel – Sie haben es gerade schon angerissen – auch die Sprache von nachhaltiger Landwirtschaft und Diversität. Die Ökobauern, hieß es da immer wieder, die seien besser aufgestellt. Ist die Landwirtschaft da irgendwie weitergekommen?
Gerig: Ja gut, das ist natürlich alles sehr langfristig. Wir entwickeln und forschen an neuen Pflanzen in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft. Wir können auch sicher nicht sagen, dass Ökobauern hier weniger betroffen sind als konventionelle.
Kaess: Hieß es immer wieder letztes Jahr.
Gerig: Wenn Wasser fehlt, fehlt es allen Betrieben. Da hilft definitiv nichts – Ernteausfall ist Ernteausfall, unerheblich ob jetzt an einem Feld etwas gedüngt ist oder auch nicht. Also die Biolandwirtschaft hat genauso ihre Probleme. Wir haben ja – und das ist ja politisch gewollt – eine große Welle von Betriebsumstellungen von konventionell auf Ökolandwirtschaft, und in manchen Bereichen haben wir jetzt schon Sorge, dass der Markt diese Preise nicht mehr bezahlt, die auch für Ökolandwirtschaft gebraucht wird.
Kaess: Wann sind wir oder wären wir denn an einem Punkt, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln in Deutschland gefährdet wäre durch so eine Dürreperiode, oder ist das alles sowieso kompensierbar zum Beispiel durch Importe?
Gerig: Also durch Importe kompensierbar eher nicht, weil wir ja diese Dürreperiode und Wetterextreme durchaus weltweit beobachten. Wir sind ja noch klimatisch in einer begünstigten Zone hier in Mitteleuropa und in Deutschland. Grundsätzlich finde ich es gar nicht so schlecht, wenn wir wieder mal Diskussionen darüber führen, dass Lebensmittel auch ihre Wertschätzung brauchen und auch die Produzenten, sprich die Landwirte ihre Wertschätzung brauchen. Lebensmittel sind ja in Deutschland so günstig wie sie nie waren, und unsere Regale sind rund um das Jahr voll.
Kaess: Aber Herr Gerig, da muss ich noch mal einhaken. Sie halten das, weil das kommt wahrscheinlich vielen Hörern jetzt wirklich als ein völlig unrealistisches Szenario vor, aber Sie halten es durchaus für möglich, dass es zu einer Lebensmittelknappheit kommen könnte wegen der Dürre?
Gerig: Nein, das halte ich absolut nicht für möglich. Ich habe gesagt, im Gegenteil, wir leben eigentlich wie im Schlaraffenland. Der Durchschnittsdeutsche gibt zehn Prozent seiner Konsumausgaben für Lebensmittel aus, und die Regale sind ja immer rund ums Jahr mit fast allen Produkten gefüllt, aber die Diskussion darüber, mehr Wertschätzung für Lebensmittel … Wir können uns in Deutschland beispielsweise erlauben, nachgewiesen jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel wegzuwerfen, auch weil sie allzu günstig sind. Also nach meiner Einschätzung dürfen Lebensmittel ein bisschen mehr kosten, und die Wertschätzung für diese Nahrungsmittel, die könnte in der Breite der Bevölkerung durchaus noch ein bisschen zunehmen.
Vorsicht im Wald walten lassen
Kaess: Schauen wir noch auf einen anderen Aspekt, der wegen der Trockenheit stark diskutiert wird, die Waldbrandgefahr. Der Deutsche Feuerwehrverband, der will besser ausgestattet werden. Es geht um Löschhubschrauber, da heißt es, deutschlandweit würden etwa zehn bis 20 fehlen. Wie kann das sein nach der Erfahrung des letzten Sommers?
Gerig: Also, auch da ist es so, dass wir… Sie hatten vorhin gerade einen Einspieler über die Bundeswehr. Die Bundeswehr wird ja aktuell wieder deutlich besser mit Finanzmitteln ausgestattet, auch unsere Feuerwehren im Land, in den ländlichen Regionen insbesondere, wo wir darauf angewiesen sind, dass Männer und Frauen ehrenamtlich ihren Dienst in Blaulichtorganisationen tun, geben wir sehr viel Geld für die Technik aus.
Kaess: Die beklagen sich aber dennoch, dass sie sich offenbar nicht gut genug ausgerüstet fühlen.
Gerig: Ach ja, das kennen wir auch alle, dass man nie wirklich zufrieden sein kann und dass es besser ist, mal mehr zu fordern. Das ist auch in Ordnung, aber ich kann sagen, ich lebe in einer…
Kaess: Das ist doch eine sehr konkrete Forderung, wenn man sagt, zehn bis 20 Löschhubschrauber fehlen. Das ist ja doch relativ konkret.
Gerig: Genau, und da kann man ja auch besser werden. Das ist auch gut, dass wir die Bundeswehr mit einschalten und andere Rettungsdienste, die dann im Zweifel auch bereitstehen. Das Wichtigste, was wir aber alle sehr schnell tun können und müssen, ist die Menschen darauf hinweisen, dass sie sehr sorgsam damit umgehen, dass wir ja alle jederzeit die Wälder betreten dürfen und dass man dann mehr aufpasst in solchen Zeiten, wo es trocken ist, und das haben wir jetzt leider schon ein paar Monate früher als sonst, dass keine Kippen achtlos weggeworfen werden, keine Glasscherben, die als Brennglas fungieren können, einfach weggeworfen werden, dass alle Menschen ein bisschen da mit Sorge tragen, dass man solche Brände vermeidet und möglichst schnell erkennt.
Wir haben das Monitoring deutlich ausgeweitet über Satelliten, mitunter auch über Drohnen, um da eine bessere Überwachung zu haben. Also es ist kein Grund zur Panikmache, aber es ist gut, dass Sie auch solche Sendungen ausstrahlen wie die jetzt, dass man den Menschen ein bisschen auch da mit ins Gebet nimmt und sagt, jeder muss ein bisschen dafür Sorge tragen, mit der Situation umzugehen.
"Ich bin seit Jahren Freund zum Beispiel einer CO2-Steuer"
Kaess: Und, Herr Gerig, wenn ich da einhaken darf, auch die Politik mit ins Gebet nehmen, denn die Experten sagen ja, das Ganze wird nicht besser, und das wird begründet mit dem Klimawandel. Jetzt gehört die CDU nicht gerade zu den Parteien, die in den Augen auch vieler Experten besonders viel für den Klimaschutz getan haben und tun. Die Grünen fordern jetzt höhere Preise für Schadstoffemissionen und ein detaillierteres Gesetz zum Kohleausstieg. Warum kommt die Große Koalition selbst bei diesem Druck der extremen Wetterverhältnisse nur so schleppend voran?
Gerig: Also, die Diskussion läuft sehr intensiv, und ich will das überhaupt nicht unterstreichen, dass die CDU sich da verweigert. Wir haben ja in Deutschland durchaus viele gute Ansätze, um auch diesem Klimawandel ein Stück weit entgegenzuwirken. Ich bin seit Jahren ein Freund zum Beispiel der Einführung einer CO2-Steuer, und ich freue mich sehr, dass unser Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble jetzt in die gleiche Richtung tangiert, dass wir sagen, wir müssen da die Menschen in die Pflicht nehmen, wo sehr viel Klima beschädigt wird, und wir müssen diejenigen entlohnen, die dafür Sorge tragen, dass das Klima stabil bleibt. Da gehören zum Beispiel die Waldbesitzer dazu.
Das ist ganz wichtig, diese ökologische Vielfalt, die Biodiversität zu erhalten, zu fördern, Wälder umzubauen, auch im Bereich der Landwirtschaft tatsächlich noch mehr zu forschen, um auch neue Pflanzen, die trockenresistent sind, auf den Markt zu bringen, aber das geht alles nicht von einem Jahr auf das andere.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.