Nutzen Politiker und Prominente in sozialen Medien oder bei Auftritten rassistische Begriffe, wird in der Öffentlichkeit kontrovers über den Umgang damit diskutiert. Wiederholt man diese Begriffe, weil es die Pflicht ist, sie zu dokumentieren? Oder gilt es, diese Wörter zu vermeiden, um sie nicht zu wiederholen? Stattdessen könnten Vermeidungsbegriffe, wie etwa das N-Wort, genutzt werden.
Das Spezialgebiet des Germanisten Thomas Niehr ist Politolinguistik. Er sagte im Deutschlandfunk, "absolute Verbote, ein Wort zu verwenden, die darf es nicht geben, denn in einer offenen Gesellschaft müssen die Karten auf den Tisch." Eine Gesellschaft, die bestimmte Begriffe nicht mehr hören wolle, müsse diese Wörter aussprechen dürfen.
Durch das Verbot eines bestimmten Wortes, sei das beleidigende, diskriminierende Denken ja nicht weg, so Niehr. Trotzdem müsse sich eine Gesellschaft diskursiv darüber verständigen, was sie in der Öffentlichkeit zulassen wolle.
Immer wieder nutzen Personen des öffentlichen Lebens Worte, die Skandale auslösen und die Gesellschaft irritieren. Beispielsweise beleidigte der AfD-Abgeordnete Jens Maier den Sohn des Ex-Tennisstars Boris Becker, Noah Becker, Anfang 2018 rassistisch auf Twitter. "Wenn Jens Maier von einem kleinen Neger spricht, dem zu viel Aufmerksamkeit geschenkt worden sei – und ich habe es jetzt zitiert und auch ausgesprochen – dann kann man natürlich davon ausgehen, dass die Intention ist, zu provozieren und eine Person zu verletzen", so Niehr.
In Deutschland gibt es, gerade durch die Zeit der NS-Diktatur, historisch belastete Begriffe wie Endlösung oder Sonderbehandlung. Letzterer sei ein "zynischer Euphemismus für die Tötung von Juden", so der Germanist. Das Bewusstsein dafür gehe aber verloren. Im Internet werde der Begriff zunehmend unbedacht benutzt. "Wir müssen anerkennen, dass Sprache sich wandelt und dass möglicherweise auch Worte wie ‚Endlösung‘ in ganz anderen Kontexten benutzt werden."
Auch in der Literatur wurden früher Begriffe verwendet, die aus heutiger Sicht problematisch sind, etwa die "Negerprinzessin" aus Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker Pippi Langstrumpf. Von nachträglichen Korrekturen hält der Linguist Thomas Niehr nichts.
"Das sind historische Texte und die zeigen uns ja einfach, dass Sprache sich ändert und Mentalitäten sich auch ändern, dass sich auch das Sprachbewusstsein einer Gesellschaft ändert und insofern sollte man die Texte so lassen, wie sie sind. Bei Kinderbüchern, die vielleicht noch vorgelesen werden, wäre es dann sicherlich gut, da eine Anmerkung anzubringen und zu sagen, heute wird dieses Wort nur noch diskriminierend verwendet. Das müssten die Vorlesenden ihren Kindern möglicherweise erklären. Aber solche Begriffe zu tilgen, halte ich für Unsinn."