"Die Bandnamen haben natürlich in erster Linie die Funktion wie die Eigennamen", erklärt Peter Schlobinski, Germanistikprofessor an der Uni Hannover. "Aus der Menge aller möglichen Gruppen muss die eigene Gruppe identifiziert werden und deswegen geben sich die Bands unterschiedliche Namen, damit sie eindeutig identifiziert werden können."
Dieser Name ist weder beliebig noch willkürlich gewählt, sondern wohl kalkuliert; denn der Bandname ist Programm. An ihm muss sich die jeweilige Sub- oder Teilkultur ablesen lassen.
"Er ist insofern ein Markenname, als er bestimmte soziale Kategorien wiedergibt auf der einen Seite und auf der anderen Seite wird die Gruppe entsprechend identifiziert und man kann sie einordnen und wenn sie bekannter wird, das sieht man an der Gruppe Die Fantastischen Vier, dann ist das natürlich eine Marke und steht für eine bestimmte Musik."
Mehrdeutigkeit im Namen
Den Fantastischen Vier, kurz Fanta4, ist das Branding perfekt gelungen. Die spielerische Mehrdeutigkeit im Namen: Süße Limonade und Fab Four, sprich: die Beatles, sind typisch auch für die Texte der vier Mitglieder der frühen Hip-Hop-Band.
"Mit der Musik sind natürlich bestimmte kulturelle Werte verbunden. Man signalisiert nicht nur: Ich mache diese Musik, sondern: Ich wähle diesen Bandnamen, ich kleide mich so oder so, ich spreche so oder so. All dies muss man zusammen sehen, bildet einen Teil einer Sub- oder Teilkultur innerhalb der ganzen Kultur in Deutschland."
In den letzten 50 bis 60 Jahren haben sich diese Subkulturen extrem ausdifferenziert. Gab es vordem beispielsweise meist englischsprachigen Beat und deutschen Schlager, so ist heute die Vielfalt nahezu unüberschaubar. Die Genres stehen zudem nicht nur für die Musik, sondern für ein ganzes Paket an Identifikationsangeboten. Dazu gehören Sprache, Tanzstil, Kleidung, Gesten; sie gelten für die Band selbst, aber auch für die Fans. Der Bandname repräsentiert idealerweise dieses ganze Paket.
"Wenn wir mal ein Beispiel nehmen aus dem Techno, so was wie Moogulator oder Retroboter oder Laxomat, dann sind das ja offensichtlich Wörter oder Teile von Wörtern, die eindeutig in Richtung Technik verweisen. Man denke einfach an die Gruppe Kraftwerk, die das damals begründet hatte."
Sagenwelt in Metall
Im Bereich des Metals, unterteilt in Heavy Metal, Dark Metal, Death Metal, Dark Metal finden sich beispielsweise Namen wie Hexenhammer, Blutfrost oder auch Eisregen. Nach Schlobinskis Analyse ist damit häufig ein starkes Traditionsbewusstsein verbunden, das zurückreicht bis zu isländischen Sagen, den Nibelungen, der Edda.
"Und zum anderen ist es auch ganz interessant, gibt es so romantische Vorstellungen. Man hat das Gefühl, man liest Titel aus der Frühromantik, eine Rückwärtsgewandtheit, verbunden mit einer Sehnsucht nach etwas anderem, als das, was die Technik ausdrückt."
Rechtskonservatives Gedankengut findet sich eher selten, so der Germanist.
Ganz anders ausgefallen sind die Untersuchungsergebnisse zu den Punkbands und deren provokanten, witzigen Namen: Kotzfront, acht Bier später, Fusspils 11 - Pils mit S am Schluss - oder den Toten Hosen.
"Dieses Rebellische findet man einerseits inhaltlich, semantisch bei der Wahl. Andererseits auch in der Form. Gerade bei den Punknamen haben wir festgestellt, dass auch sehr starke orthografische Abweichungen sind und viele Bildungen von Wörtern oder sogenannten Komposita, die man nicht im Duden findet."
Deutsche Natur in der Volksmusik
Weniger rebellisch, fantasievoll, eher dudengerecht geht es bei der Volksmusik zu. Auch hier ist der Name Programm.
"Bei der Volksmusik haben wir fast immer oder ausschließlich deutsche Namen und eine sehr starke Naturverbundenheit, das spiegelt sich in den Namen wieder. Wir können das sehen an Begriffen wie Die Tiroler Bergflitzer, Edelweiss Express, Dachstein Echo, Kastelruther Spatzen. Wir sind in Südtirol, wir sind in den Alpen, die Leute kommen in der Regel aus der Gegend und das spiegelt sich in den Bandnamen wieder."
Das Publikum muss demnach gar nicht lange rätseln, sondern kann zielgenau seine Musik und die Stars orten. Dieses Prinzip der Namengebung gilt nicht nur in der Volksmusik, sondern ebenso beim deutschen Schlager. Hier dominieren zwar nicht Landschaften, sondern Eigennamen, Helene Fischer zum Beispiel, oder Pseudonyme, wie Udo Jürgens, der eigentlich Udo Jürgen Bockelmann hieß. Doch auch der Eigenname steht ohne jeglichen sprachlichen Zierrat für die Musik und das Gesamtpaket an Identifikationsangeboten- mehr braucht es nicht.