"Vielleicht können wir's so machen, dass Ihr mir jetzt alle Wortarten sagt, die Euch so einfallen. Und jetzt sagt bitte keiner: Subjekt. Nomen. Verben. Beispiel?"
Ein Seminarraum im sogenannten "Brechtbau": Dort, am Rande der Altstadt, hat die Germanistik der Universität Tübingen ihr Zuhause. 25 Studierende hören aufmerksam zu, die meisten davon Erstsemester wie Meles Boga:
"Also ich sitze hier im Grammatik-Propädeutikum mit anderen Germanistikstudenten. Ich bin eigentlich hier, weil ich mein Germanistikstudium beginne und einfach meine Grammatikkenntnisse auffrischen will."
Ein Seminarraum im sogenannten "Brechtbau": Dort, am Rande der Altstadt, hat die Germanistik der Universität Tübingen ihr Zuhause. 25 Studierende hören aufmerksam zu, die meisten davon Erstsemester wie Meles Boga:
"Also ich sitze hier im Grammatik-Propädeutikum mit anderen Germanistikstudenten. Ich bin eigentlich hier, weil ich mein Germanistikstudium beginne und einfach meine Grammatikkenntnisse auffrischen will."
Defizite im Schulunterricht
Mit denen nämlich sei es nicht zum Besten bestellt. Lang ist's her, als es in der Schule um Subjekt, Prädikat, Objekt, um Akkusativ und Dativ ging.
"Die meisten Kenntnisse hat man schon verloren, weil sie vielleicht in der Unter- oder Mittelstufe vermittelt wurden und das im Abitur nochmals untergegangen ist. Und deshalb ist der Vorkurs schon ganz gut."
"Und wenn wir's besonders gut machen wollen, können wir auch noch hinschreiben, ob's ein Appelativa, ein Stoff-Substantiva, Abstrakta und soweiter ist."
Wie war das grade noch? Je mehr die erste Stunde des Grammatik-Einführungskurses für Germanistikstudierende voranschreitet, desto konzentrierter blicken die Studierenden mal auf den Dozierenden, mal auf das Skript vor ihnen. Das geht ja gut los. Germanistik-Studentin Samantha Kippa macht klare Defizite im Schulunterricht aus.
"Ich würde fast sagen, in allen Bereichen des Deutschunterrichtes. Ich fühle mich gerade gar nicht gut vorbereitet von der Schule ehrlich gesagt. Selbst bei den grundlegenden Dingen hakt's teilweise. Wenn's um Casus geht oder Numerus - da muss man sich schon fragen: Oh, was war das denn jetzt nochmal? Das hatten wir irgendwann mal in der fünften oder sechsten Klasse in der Schule. Das ist einfach zu lange her."
"Die meisten Kenntnisse hat man schon verloren, weil sie vielleicht in der Unter- oder Mittelstufe vermittelt wurden und das im Abitur nochmals untergegangen ist. Und deshalb ist der Vorkurs schon ganz gut."
"Und wenn wir's besonders gut machen wollen, können wir auch noch hinschreiben, ob's ein Appelativa, ein Stoff-Substantiva, Abstrakta und soweiter ist."
Wie war das grade noch? Je mehr die erste Stunde des Grammatik-Einführungskurses für Germanistikstudierende voranschreitet, desto konzentrierter blicken die Studierenden mal auf den Dozierenden, mal auf das Skript vor ihnen. Das geht ja gut los. Germanistik-Studentin Samantha Kippa macht klare Defizite im Schulunterricht aus.
"Ich würde fast sagen, in allen Bereichen des Deutschunterrichtes. Ich fühle mich gerade gar nicht gut vorbereitet von der Schule ehrlich gesagt. Selbst bei den grundlegenden Dingen hakt's teilweise. Wenn's um Casus geht oder Numerus - da muss man sich schon fragen: Oh, was war das denn jetzt nochmal? Das hatten wir irgendwann mal in der fünften oder sechsten Klasse in der Schule. Das ist einfach zu lange her."
Schriftsprachliche Kompetenzen nicht mehr selbstverständlich
Nun, im Germanistikstudium wird derlei Wissen über die deutsche Grammatik aber wieder verlangt. Deshalb tun die Studienanfänger gut daran, sich fürs Grammatik-Propädeutikum zu melden. Dabei fehlt es nicht nur an Grammatik-Grundkenntnissen.
"Wir haben nicht nur dieses Grammatik-Propäddeutikum, sondern wir haben auch im Projekt 'ESIT', das ist 'Erfolgreich Studieren in Tübingen', ein Projekt 'Einführung Studieneingangsphase', in dem da schriftsprachliche Kompetenzen bei den Studierenden erst verortet und dann trainiert werden. Das heißt konkret: Wie schreibe ich eigentlich Aufsatz?"
Aufsätze schreiben, Sachverhalte in Sprache kleiden - diese für geisteswissenschaftliche Studienfächer unabdingbaren Fertigkeiten könnten bei Erstsemestern längst nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, weiß Helga Gese; sie unterrichtet an der Universität Tübingen Fachdidaktik Deutsch.
"Wir haben nicht nur dieses Grammatik-Propäddeutikum, sondern wir haben auch im Projekt 'ESIT', das ist 'Erfolgreich Studieren in Tübingen', ein Projekt 'Einführung Studieneingangsphase', in dem da schriftsprachliche Kompetenzen bei den Studierenden erst verortet und dann trainiert werden. Das heißt konkret: Wie schreibe ich eigentlich Aufsatz?"
Aufsätze schreiben, Sachverhalte in Sprache kleiden - diese für geisteswissenschaftliche Studienfächer unabdingbaren Fertigkeiten könnten bei Erstsemestern längst nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, weiß Helga Gese; sie unterrichtet an der Universität Tübingen Fachdidaktik Deutsch.
Vielfältige Ursachen
Bei der Ursachenforschung warnt sie allerdings vor einseitigen Schuldzuweisungen:
"Ich denke, dass die Ursachen nicht nur in der Schule zu verorten sind."
Helga Gese spricht von einer Vielfalt von Ursachen, die zu Defiziten bei Studienanfängern führen: Zwar spiele Grammatik in den Oberstufen-Lehrplänen der Gymnasien tatsächlich kaum mehr eine Rolle. Auf der anderen Seite hätten auch die Unis - Beispiel Germanistik - die Eingangsvoraussetzungen gesenkt.
"Früher war für das Germanistikstudium das Latinum noch verpflichtend. Das heißt: Ein Großteil der Grammatikkenntnisse kam auch daher, dass die Studierenden Latein konnten und ihr Latinum brauchten für das Germanistikstudium. Das wurde abgeschafft. Dementsprechend können wir uns darauf nicht mehr verlassen."
"Ich denke, dass die Ursachen nicht nur in der Schule zu verorten sind."
Helga Gese spricht von einer Vielfalt von Ursachen, die zu Defiziten bei Studienanfängern führen: Zwar spiele Grammatik in den Oberstufen-Lehrplänen der Gymnasien tatsächlich kaum mehr eine Rolle. Auf der anderen Seite hätten auch die Unis - Beispiel Germanistik - die Eingangsvoraussetzungen gesenkt.
"Früher war für das Germanistikstudium das Latinum noch verpflichtend. Das heißt: Ein Großteil der Grammatikkenntnisse kam auch daher, dass die Studierenden Latein konnten und ihr Latinum brauchten für das Germanistikstudium. Das wurde abgeschafft. Dementsprechend können wir uns darauf nicht mehr verlassen."
Defizite ausgleichen
All dies führe für die Unis mit geisteswissenschaftlichen Studiengängen zu einer neuen, wichtigen Aufgabenstellung - nämlich ganz pragmatisch jene Defizite auszugleichen, die zwischen Abitur und den Anforderungen eines regulären Studiums zutage treten.
"Ich denke, dass man sich auch klarmachen kann, dass es vielleicht jetzt deswegen verstärkt solche Einführungsveranstaltungen, solche propädeutischen Veranstaltungen gibt, weil wir uns an der Uni dieser didaktischen Aufgabe bewusst geworden sind, also dass wir vermehrt die didaktische Verantwortung sehen, die Studierenden da abzuholen, wo sie sind."
"Ich denke, dass man sich auch klarmachen kann, dass es vielleicht jetzt deswegen verstärkt solche Einführungsveranstaltungen, solche propädeutischen Veranstaltungen gibt, weil wir uns an der Uni dieser didaktischen Aufgabe bewusst geworden sind, also dass wir vermehrt die didaktische Verantwortung sehen, die Studierenden da abzuholen, wo sie sind."
Das Lernen an der Uni vermitteln
"Aufgrund semantischer Kriterien sollten wir Sachen nicht einteilen..."
Zurück im Seminarraum: Dort eilt der Dozent in atemberaubender Geschwindigkeit von Begriff zu Begriff. In diesem Moment erkennen die Teilnehmer: Lernen in der Uni - das ist was völlig anderes als Lernen in der Schule. Und auch das, finden Julia Frank und Linda Löffler, ist etwas, was ihnen der Vorkurs abseits der fachlichen Inhalte ganz gut vermitteln kann:
"Das denke ich auch, dass man sich das mehr selbst überlegen kann: Wie teile ich mir das ein? Mit welcher Methode? In der Schule bekommt man oft noch was vorgegeben."
"Es ist definitiv auch ein anderes Arbeiten, weil man selbständiger arbeitet. Man hat in der Schule so seinen Lehrer. Und der sagt einem, was man lernen muss. Und dann kommt's in der Klausur. Und hier ist alles ein bisschen offener."
Zurück im Seminarraum: Dort eilt der Dozent in atemberaubender Geschwindigkeit von Begriff zu Begriff. In diesem Moment erkennen die Teilnehmer: Lernen in der Uni - das ist was völlig anderes als Lernen in der Schule. Und auch das, finden Julia Frank und Linda Löffler, ist etwas, was ihnen der Vorkurs abseits der fachlichen Inhalte ganz gut vermitteln kann:
"Das denke ich auch, dass man sich das mehr selbst überlegen kann: Wie teile ich mir das ein? Mit welcher Methode? In der Schule bekommt man oft noch was vorgegeben."
"Es ist definitiv auch ein anderes Arbeiten, weil man selbständiger arbeitet. Man hat in der Schule so seinen Lehrer. Und der sagt einem, was man lernen muss. Und dann kommt's in der Klausur. Und hier ist alles ein bisschen offener."