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Germanwatch fordert europäische Vorreiterrolle beim Klima

In Bangkok wird zurzeit die UN-Klimakonferenz in Doha Ende des Jahres vorbereitet. Deutschland und Europa spielen dabei eine wichtige Rolle, sagt Sven Harmeling von Germanwatch. Die CO2-Emissionen müssten bis 2020 um 30 statt 20 Prozent sinken, fordert er - und sieht die deutsche Energiewende als weltweites Vorbild.

Das Gespräch führte Benjamin Hammer |
    Benjamin Hammer: Manch frustrierter Umweltpolitiker spricht von einem Zirkus, andere von einer Karawane. Wenn sich Vertreter von über 150 Nationen mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten der Welt treffen, um über den Klimaschutz zu beraten, wenn sie dafür Tausende von Kilometern in Flugzeugen zurücklegen, dann hat das schon ein gewisses Geschmäckle. Aber es geht wohl nicht anders, denn Ende des Jahres sollen die Weichen gestellt werden für einen verbindlichen Klimaschutzvertrag der Vereinten Nationen. Der UN-Klimagipfel von Doha Ende des Jahres soll zum Erfolg werden. Vorher aber trifft sich die UN-Karawane in Bangkok, dort hat heute eine einwöchige Konferenz begonnen.
    Wir wollen uns das Treffen in Thailand genauer anschauen und sind jetzt verbunden am Telefon mit Sven Harmeling, er verantwortet die internationale Klimapolitik bei der Organisation Germanwatch und ist vor Ort in Bangkok. Guten Tag, Herr Harmeling!

    Sven Harmeling: Hallo nach Deutschland!

    Hammer: Unser Asienkorrespondent, der hat gerade von niedrigen Erwartungen an die Konferenz gesprochen. Wie sind denn Ihre Erwartungen?

    Harmeling: Zum einen hat der Radiobeitrag natürlich zurecht darauf hingewiesen, dass die Klimarisiken auch in Bangkok und Thailand enorm sind. Gleichzeitig muss man natürlich zu dieser Konferenz hier sagen, dass man mit gewissen realistischen Erwartungen herangehen muss. Es ist eine technische Vorbereitungskonferenz auf den nächsten Klimagipfel, der Ende des Jahres in Doha stattfinden wird, und deshalb können hier auch gar keine Entscheidungen getroffen werden. Aber es geht darum, die Konsensfindung für Doha weiter vorzubereiten, damit die Minister, die dann irgendwann nach Doha kommen, eine bessere Grundlage haben, um dann wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen. Aber selbst Doha wird auch nur ein Zwischenschritt sein bei den Verhandlungen zu einem neuen großen Klimaabkommen.

    Hammer: Sie sprechen vom großen Klimaabkommen, darum geht es in Doha. Zeitlich dringender ist aber auch eine Folgelösung für das Kyoto-Protokoll. Die erste Phase läuft da nämlich in diesem Jahr aus. Kommt es da zu einem Vakuum ohne viele Zusagen in den nächsten Jahren?

    Harmeling: Im Moment würde ich erst mal sagen, dass es noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, dass man eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls beschließen wird, denn dieses Ziel war auch Grundlage der Vereinbarung beim letzten Klimagipfel und ist daher ganz wichtig. Hier müssen allerdings zuvor noch technische Fragen, insbesondere: Anrechnung von Emissionen geklärt werden. Zum anderen geht es auch darum, diese zweite Verpflichtungsperiode mit konkreten Klimaschutzzielen zu füllen, damit es nicht eine leere Hülle wird, und da steht für die EU zum Beispiel ganz klar auf der Agenda, dass sie, wenn sie glaubwürdig nach Doha reisen will, vorher ihr eigenes Klimaschutzziel noch erhöhen muss auf 30 Prozent Verringerung bis 2020, denn nur das kann man als halbwegs ernsthaften Klimaschutz bezeichnen. Davon hängt dann auch wieder viel ab, wie die Verhandlungen in Doha laufen.

    Hammer: Jetzt sprechen Sie die Europäische Union an. Wie geschlossen erleben Sie denn die EU im Moment in Bangkok? Polen zum Beispiel hat in den letzten Monaten immer wieder gegen ein gemeinsames Auftreten agiert.

    Harmeling: Das bezieht sich insbesondere auf den Punkt, den ich gerade angesprochen habe, nämlich eines höheren Klimaschutzzieles, das ja in Europa viel stärker noch Investitionen in Zukunftstechnologien im Klimaschutz auslösen würde, und da hat Polen tatsächlich viel blockiert in den letzten Monaten. Hier muss noch ein Kompromiss auf oberster politischer Ebene gefunden werden. Allerdings wirkt sich das hier in Bangkok nicht direkt auf die Verhandlungen aus und es ist hier auch noch zu früh, das Auftreten der EU zu bewerten.

    Hammer: Schauen wir noch nach Deutschland. Hier ist die Energiewende im Moment ja ein bisschen im Stocken, scheint an Fahrt zu verlieren, es hakt an allen Ecken und Ende. Wenn jetzt das vermeintliche Klimamusterland Deutschland Probleme hat, hat das Auswirkungen auf die Stimmung in Bangkok oder weltweit?

    Harmeling: Ich glaube, zunächst mal muss man auch ganz klar sagen, dass man bei diesem, für die Zukunft Deutschlands so wichtigen Thema wie der Energiewende erst mal einen langen Atem haben muss. Dass eine Transformation unseres Energiesystems nicht reibungslos von heute auf morgen passiert und dass auch bestimmte Kräfte Widerstand leisten, ist, denke ich mal, keine Überraschung, das war auch im letzten Jahr allen klar. Hier gilt es erst mal, einen klaren Kurs zu halten und natürlich trotzdem sich die Probleme anzuschauen. Gleichzeitig erwarten wir ja alle von den Schwellenländern wie China und Indien, dass sie groß in den Klimaschutz einsteigen, und dann müssen wir natürlich auch selbst zeigen, dass wir die Umsetzung ernst meinen und uns den Problemen auch annehmen. Die Energiewende muss und kann in Deutschland ein Erfolg werden, auf jeden Fall, und dann steigen auch die Chancen deutlich, dass andere sich von der Notwendigkeit einer solchen Strategie überzeugen lassen. Zudem muss man auch sagen, dass die Länder, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden, wie die kleinen Inselstaaten, mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben werden. Sie sind quasi von der physischen Vernichtung bedroht, wenn die Welt mit dem Klimaschutz nicht ernst macht, und ich glaube, das muss man schon auch in unsere ganzen Diskussionen mit einbeziehen.

    Hammer: Sven Harmeling war das von der Organisation Germanwatch, vor Ort auf der UN-Klimakonferenz in Bangkok. Herzlichen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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