Der Luftverkehr sei auch nach dem Unglück nach wie vor sicher, betonte Wittke. "Wichtig ist, dass die politischen Rahmenbedingungen, dass die Sicherheitsbedingungen so gesetzt werden, dass die Risiken auf ein Minimum zusammengeschrumpft werden." Zudem sei zwar die Technik in weiten Teilen berechenbar, nicht aber der Mensch. Das sei der Grund gewesen, warum Airbus sehr früh auf Technik gesetzt habe. Er sagte zudem, das Zusammenspiel zwischen Technik und Mensch sei entscheidend.
Der CDU-Verkehrsexperte betonte: "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass von einer renommierten Fluggesellschaft und einem renommierten Flugzeughersteller ein Flugzeug auf diese grausame Art und Weise verunglücken könnte." Man werde aus dem Unglück lernen.
Das Interview in voller Länge:
Dirk Müller: Es ist diese Meldung in den Medien an diesem Morgen, die irritiert, die verwirrt, die viele Fragen aufwirft: Hat einer der Piloten tatsächlich versucht, die Tür einzutreten, um sich Zugang zum Cockpit zu verschaffen? Menschliches Versagen verantwortlich für das Unglück?
Am Telefon ist nun der CDU-Politiker Oliver Wittke, Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages und früher zuständiger NRW-Verkehrsminister. Guten Morgen.
Am Telefon ist nun der CDU-Politiker Oliver Wittke, Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages und früher zuständiger NRW-Verkehrsminister. Guten Morgen.
Oliver Wittke: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Wittke, wir müssen an diesem Morgen darüber reden: Pilotenversagen. Es ist alles noch ein bisschen Spekulation. Pilotenversagen - ist das jetzt wahrscheinlich geworden?
Wittke: Na ja. Ich verstehe, dass die Öffentlichkeit jetzt möglichst schnell wissen will, was ist da passiert, wie konnte es zu diesem schlimmen Unglück kommen. Aber ich warne davor, sich jetzt auf Spekulationen einzulassen. Wir sollten in Ruhe abwarten, bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen. Dann kann man sie bewerten und dann kann man erst die Schlüsse ziehen. Das ist die richtige Reihenfolge. Es wäre unseriös, zum jetzigen Zeitpunkt schon Spekulationen darüber anzustellen, was tatsächlich in diesem A320 vorgegangen ist.
"Ich glaube schon, dass der Luftverkehr nach wie vor sicher ist"
Müller: Sie haben in Ihrer politischen Laufbahn ja sehr viel Erfahrungen mit Unglücken, mit Katastrophen, auch mit Flugzeugabstürzen in den vielen, vielen Jahren, in denen Sie aktiv sind, auch im Verkehrsausschuss. Unter den Verkehrspolitikern wird das immer wieder diskutiert. Die Sicherheit, die Sicherheitsbedingungen, die Überprüfungen, auch die Situation im Cockpit. Es hat da vor einigen Jahren als Anti-Terror-Maßnahme sozusagen diese verschlossenen Türen gegeben, beziehungsweise das man von außen nicht mehr einfach ins Cockpit reinkommen kann. Ist das jetzt möglicherweise eine ganz dramatische Kehrseite dessen?
Wittke: Ich glaube schon, dass der Luftverkehr nach wie vor sicher ist. Das heißt nicht, dass nicht irgendwo an einer Stelle mal was passieren kann. Und wichtig ist, dass die politischen Rahmenbedingungen, dass die Sicherheitsbedingungen so gesetzt werden, dass die Risiken auf ein Minimum zusammengeschrumpft werden. Da gibt es einmal die Möglichkeit der Gewalt von außen. Gegen Terroranschläge muss natürlich der Luftverkehr gesichert werden. Da ist natürlich die Technik zu nennen, die ständig verbessert wurde. Von diesem A320 sind immerhin 6000 Flugzeuge gebaut worden, die weltweit unterwegs waren, die täglich Millionen von Meilen zurücklegen. Das ist eine sichere Technik. Und da ist natürlich nicht zuletzt der Mensch zu nennen. Da wo Menschen am Werk sind, kann es immer zu Fehlverhalten kommen. Darum wird man auch dieses Unglück ganz intensiv analysieren müssen. Aber wie gesagt: Die Reihenfolge ist Analyse, Bewertung und dann zum Schluss erst Schlüsse ziehen.
Müller: Sie haben auch mit vielen Piloten in Ihrer politischen Laufbahn schon gesprochen. Zwei Drittel der Unfälle gehen ja meistens auf menschliches Versagen zurück. Gibt es eine Erklärung dafür?
Wittke: Na ja. Die Technik ist in weiten Teilen berechenbar. Der Mensch ist am Ende nie berechenbar und das ist auch der Grund, warum ja Airbus ganz intensiv auf Technik gesetzt hat, anders als lange Zeit Boeing, der große Konkurrent das getan hat. Boeing ist mittlerweile auch auf dem Kurs, Pilotenverhalten viel mehr durch Technik zu ersetzen, also auch da die Sicherheit zu erhöhen. Ich glaube, wir müssen auf beides setzen. Die Technik kann ohne den Menschen nicht, aber der Mensch kann auch ohne die Technik nicht. Es kommt auf das gute Zusammenspiel zwischen beiden an und da muss man weiter dran arbeiten, dass man die Sicherheit noch weiter perfektioniert. Die hundertprozentige, die absolute Sicherheit wird es aber bei keiner Technik geben und wird es nirgendwo geben, wo Menschen mit im Spiel sind.
"Ganz wichtig, dass die Politik den Menschen Hilfen anbietet"
Müller: Welche Rolle können Sie, Oliver Wittke, als Politiker jetzt in dieser Situation spielen, als Verkehrspolitiker?
Wittke: Ich glaube, dass wir ganz intensiv analysieren müssen, was ist da passiert, und wir müssen dann, wenn es notwendig ist, auch die nötigen Schlüsse daraus ziehen. Wichtig ist in einer solchen Frage - und ich weiß, das fällt verdammt schwer -, in einer Situation, wo viele, viele Menschen ums Leben gekommen sind, wo es Tragödien in Familien, in Schulen, in Betrieben und anderswo gibt, dass man da ein Stück weit die Ruhe behält und nicht übereilt reagiert, nicht Schlüsse zieht, die vielleicht noch gar nicht zu ziehen sind. Und, was ganz, ganz wichtig ist, ist, dass die Politik den Menschen Hilfen anbietet. Ich finde das fantastisch, welche Hilfsbereitschaft es in Frankreich gab. Die Bundeskanzlerin hat das ja gestern auch noch mal ausdrücklich gewürdigt. Wenn man jetzt sieht, dass in diesem Alpendorf Menschen Angehörige von Opfern aufnehmen wollen, damit auch ein Stück weit Trauerarbeit leisten, dann ist das was ganz Fantastisches und dann zeigt das auch, dass bei aller Technisierung der Welt am Ende die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleiben darf und diese Menschlichkeit etwas ganz, ganz wichtiges ist.
"Man wird auch aus diesem Unglück lernen"
Müller: Herr Wittke, wenn wir vor einer Woche über das Thema geredet hätten, das Thema Flugsicherheit, Flugzeugsicherheit, Wartung, Kontrolle und so weiter, und ich hätte Sie gefragt, was muss da besser werden, muss überhaupt etwas besser werden, hätten Sie da eine klare Antwort finden können?
Wittke: Ich würde grundsätzlich sagen, dass man Technik immer verbessern muss, und man muss ständig lernen und man lernt ja auch ständig dazu. Und man wird auch aus diesem Unglück lernen, da bin ich ganz, ganz sicher. Das wäre ja komisch, wenn nach einem so schweren Vorkommnis es keine Veränderungen gäbe. Aber ich habe mir nicht vorstellen können, dass von einer renommierten Fluggesellschaft und einem renommierten Flugzeughersteller ein Flugzeug auf diese grausame Art und Weise verunglücken könnte. Darum sind wir ja auch alle so entsetzt, darum stehen wir auch im Moment noch ein Stück weit hilflos da. Wir können noch nicht die einfache Lösung anbieten, wir können nicht sagen, da und daran lag es und jetzt ziehen wir an dem Hebel und dann ist das abgestellt. Ich habe mir das vor wenigen Tagen noch nicht vorstellen können, dass es uns mal ereilen würde, aber vielleicht hat dieses Unglück uns ein wenig auch geerdet und gezeigt, dass da, wo Menschen unterwegs sind, man grundsätzlich nie das Schlimmste ausschließen kann. So fürchterlich wie das ist, wir müssen daran arbeiten, dass es noch besser wird, dass wir solche Vorkommnisse künftig ausschließen, aber es ist verdammt schwer.
Müller: Aber Sie hätten kein konkretes Defizit im Vorfeld gesehen, wo Sie sagen, das habe ich schon immer gedacht oder da wollte ich immer schon drauf hinweisen?
Wittke: Nein, überhaupt nicht. Ich war mir sicher, dass die Technik eine der besten ist, die wir haben können. Ich war mir auch sicher, dass die Ausbildung der Piloten perfekt ist. Ich war mir sicher, dass gerade bei der Lufthansa, gerade bei Airbus zwei Unternehmen am Werk sind, die Sicherheit ganz, ganz groß schreiben. Das zeigt uns die Unfallstatistik der letzten Jahrzehnte. Da ist verdammt wenig passiert. Umso schlimmer ist das Unglück, das jetzt eingetreten ist.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Wittke. Danke für das Gespräch, auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.