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Germanwings-Unglück
Streit um rechtliche Entschädigung

Der Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ist fast ein halbes Jahr her. Doch die Angehörigen der Opfer warten immer noch auf Entschädigungszahlungen des Lufthansa-Konzerns. Opfer-Anwälte werfen dem Unternehmen taktisches Verhalten vor und beklagen zu niedrige Angebote. Der Konzern wehrt sich.

Von Moritz Küpper |
    Anwalt Christof Wellens in Anzug, steht auf einer Wiese, im Hintergrund ein weißes Zelt.
    Opferanwalt Christof Wellens wirft Lufthansa und Germanwings eine Zermübungstaktik bei der Begleichung von Ansprüchen nach dem Flugzeugabsturz vor: "Es ist ein unsägliches Klein-Klein." (BORIS HORVAT / AFP)
    Für Rechtsanwalt Christof Wellens aus Mönchengladbach sind die letzten knapp sechs Monate wie eine Reise in die Vergangenheit. Denn als vor 15 Jahren, im Jahr 2000, eine Concorde kurz nach ihrem Start in Paris auf dem Weg nach New York explodierte, befand sich auch eine fünfzehnköpfige Reisegruppe aus der Stadt am Niederrhein an Bord.
    Wellens vertrat damals die Angehörigen, blieb der Thematik treu - und vertritt nun im Fall des Germanwings-Fluges 4U9525 insgesamt 151 Angehörige von 32 Familien. Nachdem es unmittelbar nach dem Absturz Sofort-Zahlungen der Fluglinie und versöhnliche Worte gab, sind die Schmerzensgeld- und Schadensersatz-Abläufe nun ins Stocken geraten. Anwalt Wellens ist sogar direkter:
    "Ich würde fast sagen, wir treten auf der Stelle. Es ist ein unsägliches Klein-Klein. Da werden Fragen thematisiert, da denkt man wirklich, was das hier zu suchen hat, zum Beispiel die Aufforderung, Arztrechnungen an die Krankenkasse zu schicken anstatt an die Lufthansa/Germanwings, die dafür verantwortlich sind."
    Rechtsanwalt Wellens unterstellt - knapp ein halbes Jahr nach dem Unglück - dem Flug-Konzern nun taktisches Verhalten:
    "Vielleicht hat man insgeheim die Hoffnung, dass man über die Zeit spielen kann und eine Zermürbungstaktik anwenden kann. Dass man hier mit billigem Geld die Sachen abfinden kann. Aber das wird nicht gelingen. Die Familien wissen schon, dass berechtige Ansprüche auch ausgeglichen werden müssen. Das ist ein Teil der Wiedergutmachung. Den schuldet Lufthansa/Germanwings."
    Zahlungen können in die Millionen gehen
    Der Konzern sieht sich insgesamt 40 Anwälten von Opferfamilien gegenüber, wobei neben Wellens ein Berliner Anwalt sowie eine spanische Kanzlei über zwei Drittel der betroffenen Angehörigen vertreten. Während sich diese drei Parteien in den nächsten Tagen treffen und eine Strategie festlegen wollen, beschreibt Rainer Büsken, Rechtsanwalt in der Kanzlei "BLD Bach Langheid Dallmayr" in Köln, die die Fluggesellschaft "Germanwings" und ihren Mutterkonzern "Lufthansa" vertritt, die Situation völlig anders:
    "Wir sind in der Abwicklung. Es gibt in der Tat sogar den ersten Fall, der vollständig abgewickelt ist, auf Grundlage der angebotenen Beträge. Und es wird weitere geben, in denen wir gut vorankommen. Es gibt aber auch einige, die bisher nicht auf unsere Angebote eingegangen sind."
    So Büskens Ende August. Für ihn ist die Situation klar:
    "Entscheidend sind die materiellen Ansprüche zunächst mal, die erhebliche Größenordnungen erreichen können, sprich: Bestattungskosten, vor allem aber Unterhaltsschäden der betroffenen Unterhaltsberechtigten, Familien, Ehefrauen, Kinder. Die werden nach deutschem Recht vollständig reguliert. Daneben gibt es die immateriellen Ansprüche, Schmerzensgeldansprüche, die in gleicher Weise reguliert werden, angeboten werden, sodass es eigentlich nur eine Abwicklungsfrage ist aus unserer Sicht."
    Und nicht mehr. Fragt man nach angebotenen Summen, so erhält man eine Aufstellung mit Rechenbeispielen. Neben der direkten Vorschusszahlung von 50.000 Euro pro Passagier und der Übernahme der Bestattungskosten, bietet der Konzern eben ein sogenanntes ererbtes Schmerzensgeld für eine angenommene Todesangst in Höhe von 25.000 Euro pro Passagier sowie eine Pauschalzahlung von 10.000 Euro für die unterstellten eigenen Gesundheitsschäden nächster Angehöriger an. Hinzu kommt jeweils individuell nach Ausgangslage noch der materielle Schadenersatz, wie eben beispielsweise für Unterhalt. Dies kann schnell in die Millionen gehen.
    Rechtssprechung in Deutschland recht vage
    Zusätzlich zu diesen Angeboten hat die Lufthansa-Group einen Hilfsfonds in Höhe von 15 Millionen Euro aufgelegt, der Projekte fördern soll, die im Zusammenhang mit den Opfern stehen. In dieser Woche wurde bekannt, dass die ehemalige Präsidentin des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Edda Huther, den Kuratoriumsvorsitz übernehmen soll. Doch ungeachtet dieser Initiativen:
    Für Opfer-Anwalt Wellens ist das Angebot aber nicht hinnehmbar - gerade auch bei den Nachweisen für den materiellen Schadenersatz:
    "Hier könnte man viel großzügiger sein und sagen: Bestimmte Konstellationen, da ist es klar, da muss man einen Unterhalt bezahlen. Der Unterhalt wird dann in einer Größenordnung gezahlt, der ausreicht. Da braucht man dann auch keine Nachweise, wofür denn auch?"
    Doch ein Grund für die komplizierte Situation liegt auch beim Gesetzgeber. Denn während es in anderen Ländern klarere Regeln gibt, sind Gesetze und Rechtssprechung in Deutschland recht vage. Für Opferanwalt Wellens werden vor allem die Interessen des Verursachers zu stark berücksichtigt:
    "Ich glaube, dass das unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes und des Opferschutzes nicht hinlänglich ist. Also, das sollte man dringend nachbessern, um auch die Situation der Betroffenen zu ändern, die ja sowieso gebeutelt genug sind in der Situation und die auch genug Probleme haben. Und dazu kommt dann eben noch das Problem der Schadensdurchsetzung."
    "Wir haben es mit einem internationalen Fall zu tun"
    Dafür will Wellens in dem anstehenden Fall, nun auch die Option einer Klage in den USA prüfen, wo schneller große Summen gezahlt werden. Zwar gebe es das sogenannte Montrealer Abkommen, das den Gerichtsstand regeln soll. Nach einhelliger Meinung ist dies nun Deutschland, doch unter den Passagieren waren auch US-Bürger, sodass Wellen Kontakt zu den New Yorker-Anwälten hat. Für ihn ist klar:
    "Wir haben es mit einem internationalen Fall zu tun: Eine große spanische Gruppe, eine noch größere deutsche Gruppe, aber auch viele andere Nationalitäten, die betroffen sind. Das muss man letztendlich in ein Schema bekommen. Man kann es einfach nicht erklären, wenn die Spanierin neben dem Deutschen gesessen hat und meinetwegen auch noch anderen Nationalitäten dazukommen, dass alles unterschiedlich behandelt werden und alle nach einem anderen Muster berechnet werden. Das ist nicht einsichtig, das ist nicht gerecht. Üblicherweise gibt es einheitliche Regeln, die man verhandelt und zu denen man dann auch Lösungen finden kann."