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Zum Tod von Gernot Böhme
Denker des Leibes und des Leidens

Der Phänomenologe Gernot Böhme ist mit 85 Jahren verstorben. Seit 1977 war er Professor für Philosophie an der TU Darmstadt und zählte zu den bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. Philosophin Svenja Flaßpöhler sprach mit „Kultur heute“ über den „zärtlichen Denker“.

Svenja Flaßpöhler im Gespräch mit Michael Köhler |
Svenja Flasspöhler (links) neben dem inzwischen verstorbenen Gernot Böhme auf der Bühne der phil.cologne
Svenja Flasspöhler (links) neben dem inzwischen verstorbenen Gernot Böhme auf der Bühne der phil.cologne (picture alliance/dpa/Horst Galuschka)
Mit seiner Philosophie machte sich Gernot Böhme stark für das, was aufklärerisches Denken auslässt und verdrängt: Fantasie, Lust und Gefühl. In seinen späteren Schaffensjahren wurde er zu einem Denker an den Leitlinien des Leibes, unter anderem stark vom Phänomenologen Hermann Schmitz beeinflusst. Böhme interessierte der Unterschied zwischen Körper und Leib: Der Körper einerseits als etwas, was wir objektiv betrachten und ästhetisch beurteilen können, der Leib andererseits als das, was wir von unserer Natur fühlen. Der Leib ist eine Innenperspektive, beschreibt es Philosophin Svenja Flaßpöhler, die eine langjährige Freundschaft mit dem verstorbenen Philosophen verband.

Bücher von Gernot Böhme:

Gernot Böhmes philosophischen Standpunkte wurden maßgeblich von seinen eigenen biografischen Erlebnissen beeinflusst: Als Kriegskind 1937 in Dessau geboren, setzte er sich später gegen Militarismus ein. Auch der Tod seiner Frau Farideh Akashe-Böhme an Krebs warf ihn verstärkt auf das Leibliche und den Umgang damit zurück. Auch auf das Pathische – das Erleiden – konzentrierte er sich daraufhin besonders. Er wollte weg von einem Beherrschungsgedanken und hin zum Pathischen. Es gehe ihm um eine aktiv-passive, sensible Dimension des Seins, beschreibt es Svenja Flaßpöhler: „Er war im Geistigen ein sehr zärtlicher Denker, der viel über Sensibilität nachgedacht hat und in der Sensibilität eine Potenz gesehen hat.“ Die gebe uns das Vermögen, offen zu sein für Verwandlung.