"Au! Ach, jetzt hat sie mich gestochen."
Wenn Wächterbienen das Gefühl haben, der Stock mit der Königin, der Brut und der Nahrung sei bedroht, greifen sie an. Besonders dunkle Farben und schnelle Bewegungen machen diese Arbeiterinnen aggressiv. Und sie schlagen Alarm, sagt Morgane Nouvian:
"Die Wächterinnen stoßen einen Alarmstoff aus. Die anderen Bienen im Nest oder in der Nähe nehmen ihn wahr, lokalisieren den Feind und greifen ihn ebenfalls an, um die Bedrohung vom Stock abzuwenden."
Als erste kommen Soldatinnen den Wächterinnen zur Hilfe, aber auch andere Arbeiterinnen reagieren auf die Alarm-Pheromone. Morgane Nouvian promoviert an der Universität im australischen Brisbane sowie an der Universität Paul Sabatier im französischen Toulouse. Sie erforscht kognitive Prozesse bei Honigbienen und wollte wissen, ob die Bienen sich von ihren Attacken abbringen lassen, wenn sie ihnen zusätzlich zu den Alarmpheromonen Düfte aus Blüten um die Fühler sprühte.
Dazu sperrte sie Bienen in eine runde Plastikarena. Um deren Mitte drehte sich ein Riegel aus schwarzem Leder mit einer schwarzen Vogelfeder. Von oben sah der Aufbau aus wie eine Uhr mit einem wild gewordenen Stundenzeiger.
Blütendüfte machen Bienen Appetit
"Die Feder fügte den Bienen keine Schmerzen zu, nervte sie aber dauernd. Während wir dann Düfte in die Arena pumpten, haben wir beobachtet, ob die Bienen den Riegel stachen. Bei den Blütendüften 2-Phenylethanol und Linalool blieben die Bienen ruhig, obwohl wir gleichzeitig das Alarmpheromon in die Arena pumpten."
Dass die Substanzen die Bienen beruhigen, dürfte daran liegen, dass sie eine wichtige Rolle im Leben der Insekten spielen. Sie kommen in so gut wie allen Blütendüften vor, sagt Professor Martin Giufra vom Centre de Recherches sur la cognition an der Universität Paul Sabatier:
"Diese beiden Substanzen machen Bienen Appetit. Das funktioniert sogar bei frisch geschlüpften Bienen und egal ob in Frankreich oder Australien. Das zeigt, dieser Mechanismus ist genetisch verankert."
Diese Entdeckung hat die Forscher überrascht. Erst dachten sie, der Blütenduft überdecke das Alarmsignal, sodass die Bienen es nicht mehr riechen können. Doch das haben sie in weiteren Experimenten ausgeschlossen. Sie vermuten vielmehr, dass das Gehirn der Bienen abwägen muss, sagt Martin Giurfa:
"Soll sich das Tier für die Aggression entscheiden oder dem Duft der Nahrung folgen? In diesem Konflikt entscheidet sich die Biene für die tief verwurzelte, angeborene Reaktion auf die Blütendüfte. Das verringert die Aggression."
Konflikt: angreifen oder Essen fassen?
Zum Schluss testete Morgane Nouvian, ob die Methode auch bei vollständigen Bienenvölkern funktioniert. Dafür installierte sie einen Plexiglaskasten mit 2-Phenylethanol oder Linalool vor dem Flugloch, den die Bienen durchqueren mussten. Und wieder zeigte sich, dass deutlich weniger Bienen aggressiv reagierten, wenn sie den Blütenduft geschnuppert hatten, sagt die Neurobiologin:
"Die Düfte haben wenig Einfluss auf die Bienen, die auf visuelle Reize reagieren. Die Bienen aber, die normalerweise das Alarmpheromon rekrutiert, bleiben ruhig. Das bedeutet, dass nur noch die Wächterinnen reagieren, nicht aber die Soldatinnen und die anderen."
Für einen Imker kann das bedeuten, dass er nur einen statt zehn Stichen abbekommt, wenn er seine Bienen verärgert. Martin Giurfa sieht in dieser Entdeckung Potenzial für die Praxis:
"Das ist eine Biomethode ohne Pestizide oder sonstige menschengemachte Chemie. Man löst lediglich im Kopf der Biene diesen Konflikt aus: angreifen oder Essen fassen? Ich glaube, das ist praktisch und machbar."