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Gesangs-Trio "Ganes" auf Tour
Ladinische Sagenwelt

Naturverbunden, melancholisch und immer noch aktuell: Das sind die Sagen, die das Trio "Ganes" mit seinem ladinischen Gesang zur Zeit auf die Bühne bringt. Sie erinnerten ein wenig an die "Herr der Ringe"-Saga, sagten die Sängerinnen im DLF. Die Songs des neuen Albums hätten etwas Episches - aber gleichzeitig auch etwas Intimes.

Elisabeth und Marlene Schuen im Gespräch mit Achim Hahn |
    Die drei Musikerinnen der Band Ganes: Maria Moling, Marlene Schuen und Elisabeth Schuen
    Die drei Musikerinnen der Band Ganes: Maria Moling, Marlene Schuen und Elisabeth Schuen (Claudia Höhne)
    Achim Hahn: Moltina - ein Song aus der neuen CD "an cunta che", mit der das aus Südtirol stammende Trio "Ganes" derzeit auf Deutschlandtournee sind. "Ganes" das sind Maria Moling und die beiden Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen, die ich jetzt bei mir im Studio begrüße - Hallo!
    Musik machen die drei schon seit ihrer Kindheit zusammen, aber erst nach einer ausgedehnten Konzertreise mit Hubert von Goisern haben sie auch vor gut zehn Jahren als Band zueinander gefunden. Nun ist ihr fünftes Studioalbum erschienen - wieder auf ladinisch, also der Sprache ihrer Heimat in Südtirol, was ja längst auch das Markenzeichen von Ganes ist. Und diesmal setzen sie sich aber auch in den Texten sehr intensiv mit der ladinischen Sagenwelt auseinander. Worum geht’s da genau? Wir haben ja gerade den Auftaktsong der neuen CD gehört.
    Elisabeth Schuen: Es geht um uralte Sagen, ladinische Sagen aus den Dolomiten und die Marlene hat sich so einen Zyklus ausgesucht, da geht es um den Königreich der Fanes. Das ist eine lange Geschichte, die ein bisschen "Herr der Ringe"-mäßig, sogar ist. Und ich habe mir eher die kürzeren Geschichten ausgesucht. Und es sind Geschichten, man merkt auch immer sehr stark die Naturverbundenheit, sind eher melancholisch, aber manchmal auch sehr skurril.
    Marlene Schuen: Das Gute ist, dass die auch immer noch aktuell sind. Obwohl die so alt sind, findet man wirklich Parallelen und aktuelle Themen, die uns auch so fasziniert haben. Also eine ganz banale Geschichte von einer Prinzessin, dass interessiert uns ja nicht so sehr.
    "Es geht um die großen Themen"
    Hahn: Ja, aber was genau sagen uns diese alten Geschichten heute noch?
    Marlene Schuen: Es geht um die großen Themen. Die großen Fragen der Menschheit, eigentlich, wie bei den Ursprungsmythen irgendwie. Es geht um Krieg und Frieden, dass man besser mit der Natur leben soll, als gegen die Natur. Und dann, gibt es auch kleine, lustige Geschichten, die auch ganz komisch aufhören plötzlich. Also man hat wirklich eine große Bandbreite.
    Hahn: Wie sind Sie denn selbst auf diese Sagenwelt aufmerksam geworden? Haben Sie das schon in ihrer Kindheit gehört oder gelesen?
    Elisabeth Schuen: Ja. Also diese sagen spielen ja praktisch vor unserer Haustür sich ab. Wir sind schon als Kinder damit aufgewachsen. Unsere Eltern haben diese Geschichten uns erzählt. Auch in der Schule wurden sie erzählt. Die Volksschullehrerin von Marlene zum Beispiel hat ein Buch geschrieben. Da geht es um "an cunta che". Da geht es ja auch um diese Sagen. Und auch, wenn man Wandern geht, das haben wir viel Gemacht früher, mit Papa und Mama, da gibt es noch so Bergmassive, zum Beispiel den Kopf vom König der Fanes, oder das Murmeltierparlament. Sachen, die man sich dann auch noch anschauen kann.
    Die Geschichte der Murmeltierprinzessin
    Hahn: Die Geschichte, die wir gerade gehört haben, Moltina, was ist das für eine Geschichte?
    Marlene Schuen: Moltina, das ist die Murmeltierprinzessin. Und sie ist der Anfang der Geschichte von der Fanes Sage. Sie wächst mit den Murmeltieren auf und lernt sogar die Gestalt eines Murmeltieres einzunehmen. Sie kommuniziert sehr stark mit der Natur, dann später heiratet sie einen Grafen oder einen Prinzen im Tal unten, der ein Schloss hat. Und da ist auch eine böse Königin und die stellt sie einmal bloß und will wissen, woher sie kommt, und die arme Moltina weiß nicht, was sagen, denn sie traut sich nicht zu sagen, dass sie von den Murmeltieren abstammt. Und deswegen wird sie ganz, ganz rot. Und in diesem Moment wird der Bergmassiv auch feuerrot am Nachmittag und hilft ihr aus der Patsche. In diesem Moment verwandelt sich die Moltina in ein Murmeltier und läuft davon.
    Hahn: Das ist ja ein Teil ihrer Livekonzerte, dass Sie die Geschichten, die wir als Text gar nicht verstehen können, denn die meisten können kein Ladinisch, dass Sie die erläutern während der Konzerten?
    Marlene Schuen: Ja. Auf unterschiedliche Weisen. Wir erzählen selber ein bisschen. Wir haben aber auch einen Erzähler, nicht immer Live dabei: Ein Murmeltier.
    Hahn: Das sind ja alles Sagen, die Jahrhunderte lang nur mündlich überliefert wurden. Sehen Sie sich da damit ihren Popinterpretation in der Tradition dieser Geschichtenerzähler?
    Marlene Schuen: Es ist schon auf eine bestimmte Art und Weise, die wurden ja immer mündlich weitererzählt, und jetzt erzählen wir es durch das Singen wieder weiter. Obwohl diese Geschichte inzwischen schon alle aufgeschrieben sind, auch auf Deutsch, die kann man auch gut nachlesen.
    "Wir wollten diese Weite darstellen"
    Hahn: Musikalisch hat das Album ja, anders als das vorige, sowas schwebendes, was schwebendes was Soundtrack-artiges. Der eingangs gehörte Song ist ja noch der dynamischste. Wie setzt sich dieser Ganes-Sound bei Ihnen zusammen?
    Marlene Schuen: Wo wir am Überlegen waren, was für eine CD wir machen wollen, dachten wir: Es wäre schön, mal ein Konzeptalbum zu machen. Und wir haben uns eben überlegt über diese Sagen zu Texten und die Vorstellung darüber, wie die Musik werden sollte, da waren wir uns auch relativ schnell einig, dass es einfach so ein bisschen atmosphärischer, eher Richtung Filmmusik gehen sollte. Auch mit viel Echo und Teppichen, so als ob es von den Bergen kommen würde. Und das haben wir dann auch umgesetzt mit vielen Instrumenten, wie Flöten, Klarinetten, Trompeten, Streichern, Hackbrett. Also vielen akustischen Instrumenten. Aber auf der anderen Seite dann auch mit den Synths.
    Elisabeth Schuen: Wir wollten diese Weite darstellen. Diese magischen Welten, die so als Bilder so stark in unseren Köpfen sind, seit wir klein sind. Und das war gar nicht schwer, sich da von der Phantasie leiten zu lassen und in diese Sagenwelt einzutauchen und dann Musik dazu zu malen. Diese Teppiche, diese Weite, die flirrenden Flöten und Klarinetten und die Streicher und die Stimmen, ganz viele Chorstimmen auch.
    Hahn: Ist das für Sie im besten Sinne eine eigene Art von epischen Popsongs geworden?
    Elisabeth Schuen: Ja irgendwie. Es hat natürlich durch diese Weite etwas Episches und so. Aber es hat auch wieder so etwas Intimes. Es wechselt sich ein bisschen ab.
    Hahn: Elisabeth und Marlene Schuen waren das. Zweidrittel von "Ganes", die Live unter anderem heute in Koblenz, Nürnberg und Bad Tölz zu sehen sind, um nur die nächsten Termine zu nennen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.