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Geschäft mit dem Müll

Müllverbrennung ist zum Geschäft geworden, der Abfall wird über Grenzen hinweg in die Anlagen verfrachtet - für die Umweltbilanz der Entsorgungswirtschaft ist das nicht gut. Der Naturschutzbund (NABU) Deutschland befürchtet hohe Überkapazitäten in der Müllverbrennung, die dem echten Recycling schaden könnten. Dazu hat er eine Studie vorgelegt.

Von Dieter Nürnberger |
    Fakt - aus Sicht des Naturschutzbundes - sei es, dass bereits heute in Deutschland mehr Müll verbrannt werde als überhaupt im Inland anfalle. Und offensichtlich sei es auch, dass sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen werde. Der Naturschutzbund hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, aus der hervorgeht, dass bis zum Jahr 2020 hierzulande 28 neue Müllverbrennungsanlagen geplant sind - und dann könne man wirklich von Überkapazitäten sprechen. Erstellt hat die Studie die renommierte Prognos AG, Holger Alwast ist dort der Marktfeldleiter Abfall und Sekundärrohstoffe. Er analysiert zuallererst die heutige Situation.

    "Wir haben derzeit einen Nettoimport von 2 Millionen Tonnen nicht gefährlicher Abfälle - also Siedlungs- und Gewerbeabfälle sowie Verpackungen. Dieser Import kommt überwiegend aus den Niederlanden, dort kommen 80 Prozent dieser 2 Millionen Tonnen pro Jahr her. Der gegenwärtige Bedarf in Deutschland beträgt rund 30 Millionen Tonnen in Müllverbrennungsanlagen oder auch in mechanisch biologischen Anlagen."

    Sollten diese geplanten Neuanlagen also wirklich alle gebaut werden, dann könnten diese Überkapazitäten auf bis zu 8,6 Millionen Tonnen wachsen, so die Studie. Und dann würde Deutschland tatsächlich zum Müllimportland Nummer eins werden, so die Befürchtung des Naturschutzbundes. Mit allen negativen umweltpolitischen Folgen, sagt Benjamin Bongardt, er ist Referent für Umweltpolitik beim Naturschutzbund.

    "Es wäre aus Umweltsicht zunächst schlecht, weil dann erhöhte Schadstoffe in die Atmosphäre gelassen würden. Die direkten Anwohner der Müllverbrennungsanlagen und Ersatzbrennstoffkraftwerke wären davon betroffen. Egal, wie gut die Filtertechnik ist, es kommen immer noch Schadstoffe durch: Stickoxyde, Dioxine, Furane und auch Schwermetalle. Man kann die nicht zu 100 Prozent zurückhalten. Wir haben somit einerseits die Emissionen, andererseits natürlich die Transporte. Auch die belasten die Umwelt. Hier werden ebenso Treibhausgase und Schadstoffe verursacht. Das ist nicht im Sinne des Erfinders."

    Der Naturschutzbund favorisiert deshalb eine andere Müllpolitik in der Zukunft. Zum einen müsse das Prinzip der Nähe gelten, das heißt, wo der Müll anfällt, soll er auch verwertet werden. Das spart dann natürlich auch jene umweltschädlichen Mülltransporte ein. Zum anderen müsse weiterhin das Gebot der Müllvermeidung gelten. Das heißt konkret: Die Recyclingvorgaben müssten auch umgesetzt werden. Und in diesem Zusammenhang distanziert man sich auch von Plänen, die in der jüngsten Vergangenheit immer wieder diskutiert wurden, dass nämlich eine getrennte Müllsammlung gar nicht mehr notwendig sei, da moderne Sortierprozesse dies ebenso hinkriegen würden. Nabu-Experte Benjamin Bongart.

    "Die Getrenntsammlung ist das A und O für eine saubere und qualitativ hochwertige Wertstoffgewinnung. Das gilt für Papier, Kunststoffe bis hin zu Bioabfällen. Je sauberer getrennt wird, desto besser und schadstofffreier und hochwertiger sind nachher die wiederverwerteten Produkte. Unser Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft und nicht nur eine Müllverbrennung."

    Die Prognos-Studie zeige, so der Nabu, das man in Deutschland die Recyclingquoten auch ohne Probleme noch erhöhen könne. Und im Übrigen würden dies auch die Vorgaben aus der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie verlangen. Olaf Tschimpke, der Präsident des Deutschen Naturschutzbundes.

    "Wir müssen sehen, dass die Kreislaufwirtschaft wieder in Gang kommt, und wir nicht unseren Recyclingmarkt durch zu große Müllverbrennungskapazitäten ruinieren. Letztendlich werden dadurch ja auch Kosten verursacht. Wenn man Pech hat und man bekommt die Anlagen nicht gefüllt, dann würden auch die Müllgebühren steigen. Das kann nicht im Sinne der Bürger sein, auch nicht im deutschen Interesse. Wir sollten nicht das Müllimportland Nummer eins werden."

    Die Weichen für ein Müllkonzept der Zukunft würden derzeit gestellt. Und der Naturschutzbund fordert nun die Bundesregierung auf, die Ergebnisse der Studie bei der anstehenden Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auch zu berücksichtigen. Und noch ein anderer Aspekt wurde heute Vormittag in Berlin erwähnt: Laut EU-Angaben würde Müllrecycling auch rund fünf Mal mehr Arbeitsplätze schaffen als die schlichte Abfallverbrennung.