Archiv

Geschäftsgeheimnisgesetz
Keine Gefahr mehr für Journalisten und Whistleblower

Die geplante Umsetzung einer EU-Richtline zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in deutsches Recht sorgte im vergangenen Jahr für viel Aufregung. Das Gesetz könnte die Pressefreiheit massiv einschränken, warnten Kritiker. Doch die sind inzwischen verstummt.

Von Stefan Römermann | 18.03.2019
Das Plenum des Bundestags am 13.03.2019
Das Geschäftsgeheimnisgesetz soll in dieser Woche im Bundestag verabschiedet werden. (www.imago-images.de)
In der EU-Richtline zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geht es im Kern gar nicht um Whistleblower - und auch nicht im geplanten deutschen Gesetzdass darauf basiert. Beide sollen vor allem Wissen absichern. Also neudeutsch: "know how", das nicht durch Patente oder ähnliche Schutzrechte für geistiges Eigentum geschützt ist, erklärt CDU-Rechtspolitiker Ingmar Jung.
"Zum Beispiel bestimmte Rezepturen für Limonaden sind ein Beispiel, über das wir immer reden, bestimmte Lieferketten, bestimmte Ideen, wie ich meine Logistik aufbaue. Das ist alles nicht geschützt über das geistige Eigentum. Aber es ist natürlich ein Know-how von wirtschaftlichem Wert. Und daran besteht natürlich auch ein Schutzinteresse."
Breite Kritik an Gesetzentwurf
Der Gesetzentwurf, mit dem die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll, hatte im vergangenen Herbst für Aufregung gesorgt. Kritik kam dabei vor allem aus der Medienbranche: ARD, ZDF, das Deutschlandradio, Privatsender und Presserat forderten zusammen mit Verleger- und Journalistenverbänden Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Ihre Befürchtung: So wie dieser damals formuliert war, hätten Unternehmen strafrechtlich gegen investigative Journalisten vorgehen können, wenn diese kritisch über ihr Unternehmen berichten - vor allem wenn sie dabei auf firmeninterne Informationen zurückgreifen, die ihnen beispielsweise von Whistleblowern zugespielt wurden. Denn die Unternehmen hätten relativ frei festlegen können, was für sie ein Geschäftsgeheimnis ist und was nicht.
Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband: "Deswegen hatten wir die Sorge, dass es - wenn diese Regelung wirklich Gesetz geworden wäre - es immer weniger Journalisten gegeben hätte, die bereit gewesen wären, solch brisantes Material zu veröffentlichen."
Zwar hätten sich Journalisten in einem möglichen Rechtsstreit auf die Pressefreiheit berufen können. Doch allein der Aufwand und die möglichen Kosten eines Rechtsstreits könnten viele Journalisten abschrecken, gerade wenn sie als Freiberufler selbstständig und auf eigenes Risiko arbeiten. Auch Whistleblower, die Informationen über Missstände oder gar Gesetzesverstöße im eigenen Unternehmen an Journalisten weitergeben wollten, hätte das ursprünglich geplante Gesetz vermutlich eher abgeschreckt. Denn im Entwurf war auch noch die Rede von einem Auskunftsanspruch.
Demnach wären Journalisten womöglich verpflichtet gewesen, offenzulegen, von wem sie ihre Informationen haben, sagt Journalistenverbands-Sprecher Zörner. "Das geht natürlich überhaupt nicht. Dass der Journalist diese Daten nicht weitergibt, dass nennt man in Deutschland Informantenschutz. Und ohne Informantenschutz funktioniert Pressefreiheit nicht."
Gesetz wird überarbeitet
Im Rechtsausschuss des Bundestags wurde der Entwurf dann in der vergangenen Woche gründlich überarbeitet. Die aktuelle Fassung stellt klar: Unternehmen können nicht einfach so irgendwelche Informationen zum Geschäftsgeheimnis erklären. Und es machen sich weder Whistleblower noch Journalisten strafbar, wenn sie über Missstände in Unternehmen berichten. CDU-Rechtspolitiker Ingmar Jung fand die Aufregung um den alten Gesetzentwurf insgesamt zwar etwas übertrieben. Schließlich hätten sich ja Journalisten in einem Prozess immer noch auf die Pressefreiheit und gegebenenfalls auf einen sogenannten "rechtfertigenden Notstand" berufen können.
Trotzdem gefällt auch Jung der nachgebesserte Gesetzentwurf deutlich besser. "Jetzt ist es ausdrücklich klargestellt, dass Journalisten damit nicht gemeint sind, und dass gerade Pressefreiheit nicht berührt werden soll. Ich glaube, dass nach dem alten Entwurf es im Ergebnis nicht wesentlich anders gewesen wäre. Aber jetzt ist es klarer und eindeutiger und zweifelloser."
Lob der ehemaligen Kritiker
Über so viel Einsicht staunt sogar die Grünen-Obfrau im Rechtsausschuss, Manuela Rottmann. "Tatsächlich muss ich sagen: Ich bin jetzt ein Jahr im Bundestag, ein gutes Jahr. Und es ist das erste Mal, dass ich es erlebe, dass die Regierungsfraktionen so offen sind für Kritik und sagen: Wir verstehen, was ihr hier vortragt, auch die Sachverständigen. Das haben die gemacht. Sie haben die größten Risiken wirklich herausgenommen aus diesem Gesetz. Und deswegen konnten wir als Grüne auch gut zustimmen."
Und auch Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband ist zufrieden: "Das ist jetzt ein Entwurf, der sehr gut ist für Journalistinnen und Journalisten. Das ist ein Entwurf, bei dem ich davon ausgehe, dass es auch in Zukunft Whistleblower gibt, die sich vertrauensvoll an Journalisten wenden. Und Journalisten dann eben auch künftig die Möglichkeit haben, Fehlentwicklungen in Unternehmen an die Öffentlichkeit zu bringen."