Durch Zufall erfährt Oliver Schröm, dass in Deutschland Ermittlungen gegen ihn laufen. "Ein Gesprächspartner von mir wurde von der Polizei im Auftrag der Hamburger Staatsanwaltschaft vernommen. Er wurde befragt, ob er meine Quelle sei und ob er dazu Angaben machen könnte. Er hatte die Aussage verweigert, hat mich dann aber informiert." Zuerst wollte der Journalist das nicht glauben. "Aber er war sehr konkret, konnte mir auch ein Aktenzeichen nennen." Schröm schaltet seinen Anwalt ein, beantragt Akteneinsicht. Und tatsächlich: Die Ermittlungsakte gegen ihn umfasst rund 300 Seiten. Darin Informationen, wo er wohnt, mit wem er verheiratet ist, mit wem er gesprochen hat.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigt, dass Ermittlungen gegen den Journalisten laufen. Der Akte liegen vier Vernehmungsprotokolle bei, teilweise geschwärzt. Darin Aussagen eines ehemaligen Schweizer Bankmitarbeiters. Schröm habe den Bankmitarbeiter zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen angestiftet, so der Vorwurf. Dafür sieht sein Anwalt, Jes Meyer-Lohkamp, keine Anhaltspunkte. Er wundert sich eher, dass neun weitere, entlastende Vernehmungsprotokolle in der Akte fehlen. "Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass neun Vernehmungsprotokolle mit entlastenden Beweismitteln verlorengehen, wohingegen vier Vernehmungsprotokolle mit eher belastenden Momenten übersandt werden."
Vorwurf aus der Schweiz: Wirtschaftsspionage
Das Hamburger Ermittlungsverfahren geht zurück auf ein Verfahren in der Schweiz. Dort hat die Privatbank Sarasin den Journalisten Schröm im Jahr 2014 angezeigt. Der Vorwurf damals: Wirtschaftsspionage. Die internen Unterlagen der Privatbank hatten 2014 eine erste Welle der Berichterstattung über Cum-Ex ausgelöst. Die Privatbank Sarasin ist tief in die Steuergeschäfte verwickelt. Vor ein paar Wochen musste die Bank 45 Millionen Euro an den deutschen Drogerie-Unternehmer Erwin Müller zurückzahlen.
Auch deswegen kann Schröm die Ermittlungen gegen ihn nicht nachvollziehen: "Wenn das strafbar ist, dass ich vertrauliche Informationen entgegennehme und eventuell veröffentliche, weil sie eine Straftat darstellen, dann weiß ich auch nicht mehr weiter." Die Privatbank Sarasin sieht durch die Veröffentlichung ihr Geschäfts- und Bankgeheimnis verletzt. Dem gegenüber steht das Interesse der Öffentlichkeit, von einem Betrug wie Cum-Ex oder manipulierten Abgastests zu erfahren.
Umstrittener Gesetzentwurf aus Berlin
Ein neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen soll hier in Zukunft Klarheit schaffen. Es geht zurück auf eine EU-Richtlinie, mit der Geschäftsgeheimnisse besser geschützt werden sollen. Der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick sieht den Gesetzentwurf der Regierung kritisch. "Es ist ja richtig, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt sein müssen. Aber die Pressefreiheit darf dabei nicht eingeschränkt werden. Und wenn man eine Sache aus dem Cum-Ex-Skandal lernen kann, dann ist es, dass man ohne Whistleblower und ohne Journalisten überhaupt nicht mitbekommen hätte, was da eigentlich gelaufen ist."
Auch alle Journalistenverbände äußern Bedenken. Cornelia Berger etwa von der Journalistengewerkschaft bei Verdi kritisiert, der deutsche Gesetzentwurf gehe über die EU-Richtlinie hinaus. "Das heißt also, im schlimmsten Fall müssen Journalistinnen und Journalisten sich vor einem Gericht dafür rechtfertigen, dass sie ein Geschäftsgeheimnis verletzt haben." Und sie müssten vor Gericht Auskunft darüber geben, wer ihre Quelle ist.
"Das ist für uns investigative Journalisten eine Katastrophe. Da wird unsere Arbeitsgrundlage entzogen", sagt Oliver Schröm. Können sich Whistleblower nämlich nicht mehr darauf verlassen, dass ihre Identität geschützt bleibt, würden sie Journalisten auch keine Informationen anvertrauen. "Es geht nicht darum, dass ein Geheimnis ans Tageslicht gezerrt wird. Das ist doch vollkommen irrelevant. Sondern im konkreten Fall: Es ging um Steuerbetrug, Steuerraub in zweistelliger Millionenhöhe. Und zwar zu Lasten der Staatskasse. Also, wenn das strafbar ist, so ein Verbrechen ans Tageslicht zu zerren, ja, dann gute Nacht investigativer Journalismus." Dem Journalisten Schröm drohen im schlimmsten Fall drei Jahre Haft oder eine empfindliche Geldstrafe.